Pharmazeutische Zeitung online
Coronavirus-Mutationen

Wie gefährlich sind die Varianten?

In Großbritannien und Südafrika sind neue Varianten von SARS-CoV-2 aufgetaucht, die sich offenbar rasch verbreiten. Was bedeuten die Mutationen für die Eigenschaften des Virus und für die Wirksamkeit des Impfstoffs?
Theo Dingermann
21.12.2020  16:26 Uhr

In Großbritannien breitet sich derzeit eine neue Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 aus. Entdeckt wurde ein ausgeprägtes phylogenetisches Cluster (Linie B.1.1.7) durch Datenanalysen des Covid-19 Genomic UK Consortiums (COG-UK). Dieses Cluster ist in den letzten vier Wochen schnell gewachsen. Eine weitere Ausbreitung ist sehr wahrscheinlich.

Auf der Basis von mehr als 126.200 Genomsequenzen, die aus Proben des COG-UK-Konsortium stammen, wurden 1777 verschiedene aminosäureverändernde (nicht synonyme) Mutationen im Gen S des Spike-Glykoproteins identifiziert (dies schließt Mutationen, die nicht zu einem Aminosäurewechsel führen, die zahlreicher sind, oder Mutationen an anderer Stelle im Genom nicht ein). Von diesen nicht synonymen Änderungen wurden 37 Prozent der Mutationen (n=654) nur in einer einzigen Sequenz beobachtet, während 5 Prozent (n=87) in mindestens 100 Sequenzen beobachtet wurden.

Die Linie B.1.1.7

Die Linie mit der Bezeichnung B.1.1.7 fiel besonders auf. Sie enthält mehr Mutationen, als dies bisher beobachtet wurde. Daher spekuliert man, dass sie in einem chronisch infizierten Individuum entstanden sein könnte. Eine der beobachteten Mutationen, die N501Y-Mutation (ein Austausch von Asparagin durch Tyrosin), tritt zudem in der Region des Spike-Proteins auf, die an den ACE2-Rezeptor bindet (Rezeptorbindungsdomäne). Veränderungen in dieser Region des Spike-Proteins können zum einen dazu führen, dass das Virus seine ACE2-Bindungsspezifität ändert, und zum anderen die Erkennung wichtiger Antikörper stören.

Die Linie B.1.1.7 trägt 17 Mutationen: 14 Substitutionen und 3 Deletionen. Einige dieser Mutationen haben mindestens eine theoretische Bedeutung, die aufhorchen lässt. So scheint die N501Y-Mutation tatsächlich die ACE2-Bindungsaffinität zu erhöhen. Eine kleine Deletion (69-70del) könnte eine immunologische Rolle spielen und mit einigen diagnostischen Fehlern assoziiert sein. Und die P681H-Mutation liegt an der Furin-Spaltstelle, die eine wichtige Rolle bei der Membranfusion spielt.

Angesichts der experimentell vorhergesagten und plausiblen phänotypischen Konsequenzen einiger der beschrieben Mutationen und der unbekannten Folgen eines möglichen Auftretens dieser Mutationen in Kombination, fordern die Autoren einer vorläufigen Analyse des britischen Arctic Konsortiums, die Verbreitung der B.1.1.7-Linie verstärkt zu überwachen. Diese Forderung wird gestützt durch die hohe Wachstumsrate von B.1.1.7 in Großbritannien, die bekanntlich auch schon internationale Konsequenzen zur Folge hatte. Laut dem Bericht hatte die neue Virusvariante zwischen September und November einen zunehmenden Anteil an den im Vereinten Königreich charakterisierten SARS-CoV-2-Viren.

Seite123>

Mehr von Avoxa