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Anticholinerge Nebenwirkungen

Wie einschätzen, wie reduzieren?

Mundtrockenheit, Miktionsstörungen, verschwommenes Sehen und Gedächtnisprobleme: Sehr viele Arzneistoffe haben anticholinerge Nebenwirkungen, die aber häufig verkannt werden. Wie kann die anticholinerge Last verringert werden?
Brigitte M. Gensthaler
22.11.2022  11:00 Uhr

»Das Ziel von AMTS ist es, den Medikationsprozess zu optimieren. Ideal wäre es, arzneimittelbezogene Probleme zu vermeiden oder aber diese zu erkennen und zu lösen«, sagte Professor Dr. Hanna Seidling, Kooperationseinheit Klinische Pharmazie, Universitätsklinikum Heidelberg, am Sonntag beim 45. Heidelberger Herbstkongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. »Dazu muss man wissen, welche Stoffe anticholinerg wirken und abschätzen, wie groß das Risiko ist, dass ein bestimmter Patient bei Einnahme einer solchen Substanz eine anticholinerge Nebenwirkung erleidet.«

Zur Erinnerung: Anticholinergika sind Stoffe, die antagonistisch an muskarinergen Acetylcholin-Rezeptoren wirken. Diese Rezeptoren sind über den ganzen Körper verteilt und daher können Effekte an vielen Organen resultieren. Diese zu bewerten, ist kompliziert, wie Seidling erklärte. Zwar gebe es zur Beurteilung des anticholinergen Potenzials von Arzneistoffen diverse Listen und Skalen, doch je nach zugrundeliegender Methodik und dem beobachteten Arzneimittelmarkt resultierten sehr unterschiedliche Angaben und Bewertungen.

Häufig wird das anticholinerge Potenzial von Substanzen mit Punkten bewertet. Die »anticholinerge Last« (anticholinergic burden: ACB) ist definiert als Summe aller anticholinergen Effekte einer Medikation und wird beispielsweise berechnet mit dem ACB Calculator, der jedoch nicht auf den deutschen Markt ausgelegt ist. Eine Methode, die die eingenommene Dosierung berücksichtigt, ist der »Drug burden index« (DBI).

Wahrscheinlich gebe es einen Zusammenhang zwischen der anticholinergen Last und den Effekten, informierte die Apothekerin. Es sei aber nicht klar, wieviel anticholinerge Last nötig ist, um eine bestimmte Nebenwirkung auszulösen, oder wie sich eine Nebenwirkung verhält, wenn die Last sinkt oder steigt. Dies unterscheide sich auch bei einzelnen anticholinergen Effekten. »Die ACB wird vielfältig beeinflusst durch das Arzneimittel, seine Pharmakokinetik und -dynamik und den individuellen Patienten.«

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