Wenn Schwitzen zur Belastung wird |
Bei der primären essenziellen Hyperhidrose liegt eine Fehlfunktion der Schweißdrüsen vor (Kasten). Diese sind weder vergrößert noch liegen sie in erhöhter Anzahl vor, vielmehr sind sie durch Acetylcholin überstimuliert. Die Symptome machen sich bereits in der Pubertät bemerkbar und begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang. Kleinste körperliche Anstrengungen oder geringe Nervosität verursachen heftige Schwitzattacken von dünnflüssigem Schweiß aus ekkrinen Drüsen, besonders fokal in Regionen mit großer Schweißdrüsendichte wie an Handflächen, Fußsohlen, Achselhöhlen und Stirn.
Der Mensch hat etwa zwei Millionen Schweißdrüsen, die wegen ihres Aussehens als Knäueldrüsen bezeichnet werden. Diese Hautanhangsgebilde verteilen sich über den gesamten Körper.
Die zahlreichen ekkrinen Schweißdrüsen (Glandulae sudoriferae merocrinae) mit einem Durchmesser von 0,4 mm werden vom sympathischen Nervensystem cholinerg innerviert. Sie finden sich an Ellenbeugen, Stirn, Handtellern und Fußsohlen; nur Lippenrot und Eichel sind ausgespart. Ihr Sekret (Sudor) besteht zu 99 Prozent aus Wasser und zahlreichen Elektrolyten (Natrium, Kalium, Magnesium, Chlorid) sowie Lactat, Amino-, Capron-, Capryl-, Zitronen-, Essig- und Propionsäure. In Spuren sind Harnstoff, Harnsäure, Zucker und Ascorbinsäure enthalten. Der pH-Wert liegt im sauren Bereich bei pH 4,5.
Die Verdunstung von Schweiß trägt zur Wärmeregulation bei. Die Bildung eines antibakteriellen Hydrolipidfilms ergänzt den Säureschutzmantel der Haut und die Sezernierung von harnpflichtigen Stoffwechselprodukten und Elektrolyten (NaCl) unterstützt die Entgiftung. Schweiß schmeckt leicht salzig. Menschen, die stark schwitzen, verlieren Flüssigkeit und viele Mineralien. Darauf kann die Apotheke aufmerksam machen und den Ausgleich empfehlen.
Die größeren apokrinen Drüsen (Glandulae sudoriferae apocrinae) mit einem Durchmesser von 3 bis 5 mm sind in geringerer Zahl vorhanden und münden in den Achselhöhlen und in der Urogenitalregion an den Ausführungsgängen der Haarfollikel. Ihre Funktion entwickelt sich in der Pubertät. Sie geben ein milchiges, viskoses Sekret mit Proteinen und Lipiden und einem pH-Wert von 7,2 ab und werden als Duftdrüsen bezeichnet. Außerdem sezernieren sie Pheromone und sind an der Entwicklung des individuellen Körpergeruchs beteiligt. Bei der Hyperhidrose spielen sie eine untergeordnete Rolle.
Frischer Schweiß ist zunächst geruchlos; erst die Zersetzung durch Bakterien der natürlichen Hautflora lässt den typisch stechend-unangenehmen Schweißgeruch entstehen. Dabei werden langkettige Fettsäuren zu kürzeren Ketten wie Buttersäure oder Ameisensäure abgebaut. In der Pubertät kann durch hormonell bedingte Vorgänge im Körper auch frischer Schweiß schon riechen.
Verschiedene Ursachen regen das Schwitzen an. Die Ursachen einer primären Hyperhidrose sind weitgehend unbekannt. Eine familiäre Veranlagung und ein überaktives sympathisches Nervensystem werden angenommen.
Die sekundäre Hyperhidrose ist Symptom einer internistischen oder neurologischen Erkrankung oder einer Arzneimittelnebenwirkung. Auch der Lebensstil spielt eine Rolle. Starkes Übergewicht oder Mangelernährung belasten den Stoffwechsel. Schwitzen kann auch ein Zeichen bei Alkoholabbau sein. Einige Sonderformen nennt die Tabelle 1.
Sonderform der Hyperhidrose | Beschreibung, Auftreten |
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kalter Schweiß | starkes Schwitzen bei körperlicher Stressreaktion mit gleichzeitiger Vasokonstriktion der Gefäße. Haut ist kalt, keine Maßnahme der Temperaturregulierung, Begleitsymptom bei schwer kranken Patienten (Herzinfarkt, Lungenödem, Schock, Hypoglykämie), Entzugserscheinung bei Alkoholmissbrauch oder Drogenproblemen, Panikattacke bei einer Angststörung |
nächtlicher Schweiß | Begleitsymptom der primären oder sekundären Hyperhidrose,ungünstige Bedingungen im Schlafzimmer (erhöhte Temperatur, ungeeignete Kleidung), verbunden mit Schlafstörungen |
gustatorisches Schwitzen (Frey-Syndrom) | verstärkte Wärme- und Schweißproduktion vor allem im Gesicht (Stirn, Wangen, Oberlippe) durch scharf gewürzte Speisen, heiße Getränke oder Alkohol |
Bromhidrose | übermäßiges Schwitzen in Kombination mit einem sehr strengen, unangenehmen Schweißgeruch |
apokrine Chromhidrose | vermehrter Schweiß unter den Achseln, deutlich erkennbar farbig (gelb, grün, blau, schwarz) durch Ablagerung des Pigments Lipofuscin mit variierenden Konzentrationen oder Oxidationsstadien |
ekkrine Chromhidrose | Schweißfärbung durch wasserlösliche Farbstoffe aus der Nahrung |
Ochronose | Defekt im Aminosäurestoffwechsel färbt den Schweiß braun |
Veränderte Konzentrationen von Sexualhormonen können zu individuell heftigem Schwitzen in der Pubertät, bei Menstruation oder Schwangerschaft führen. Der Estrogenabfall in den Wechseljahren und ein Mangel an Testosteron (Hypogonadismus) bei älteren Männern sind verbunden mit schweißtreibenden Hitzewallungen. Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion haben neben anderen Symptomen eine erhöhte Körpertemperatur und schwitzen deshalb häufig.
Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis führen zur Überaktivität des Immunsystems, oft mit verstärkter Schweißsekretion. Bei abklingenden fieberhaften Infektionskrankheiten erfordert die sinkende Körpertemperatur die Neueinstellung des Soll-Ist-Werts im Hypothalamus, begleitet von Schwitzen.
Bei Diabetespatienten kann die Hyperhidrose eine beginnende Nervenstörung (Polyneuropathie) im vegetativen Nervensystem anzeigen. Zunächst ist die Schweißneigung erhöht, mit fortschreitender Neuropathie allerdings problematisch verringert. Kalter Schweiß kann ein wichtiges Warnzeichen für eine beginnende Hypoglykämie sein. Morbus Parkinson, starke Schmerzen, Hypertonie oder Tumor- oder Krebserkrankungen beeinflussen das vegetative Nervensystem und können ebenfalls starkes Schwitzen auslösen.
Die Behandlung einer sekundären Hyperhidrose richtet sich hauptsächlich nach deren Ursache. Wird die Primärerkrankung behandelt, verringert sich die Schweißdrüsenaktivität. Ergänzend sind lokale oder systemische Optionen zur Reduktion der Schweißbildung sinnvoll. Weitere Unterstützung bieten Psychotherapie, Naturheilverfahren oder Akupunktur. Ein veränderter Lebensstil mit gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung und Entspannungsmaßnahmen verbessert den Stoffwechsel und dämpft das vegetative Nervensystem.