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ApoRG im Bundesrat

Wenn die Stunde der Länder schlägt

Die Bundesländer haben ein Problem mit »Apotheken light« und werden nicht müde zu betonen, dass sie viel Änderungsbedarf am geplanten Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) haben. Aber wie schwer wiegen diese Zweifel im Bundesrat? Welche Länder müssten wie abstimmen, um die – nicht zustimmungspflichtigen – Pläne am Ende zu stoppen? Einige Szenarien.
Cornelia Dölger
07.08.2024  16:00 Uhr

Nicht-zustimmungsbedürftige Gesetze kann der Bundestag ohne die Zustimmung des Bundesrats beschließen. Das ApoRG ist so eines – und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scheint es wichtig zu sein, dass dies auch so bleibt; zumindest hat er am jüngsten Entwurf fürs Kabinett unlängst Änderungen zu Regelungen für ausländische Fachkräfte vornehmen lassen, um keine Zustimmungspflicht auszulösen.

Ganz außen vor sind die Länder trotzdem nicht. Und dass sie auf ihrem kritischen Standpunkt zu zentralen Inhalten des ApoRG wie der »Apotheke light« beharren, haben sie immer wieder kundgetan. Auch die Landesgesundheitsministerinnen und -minister haben bei ihrer Hauptkonferenz  (GMK) im Juni per Beschluss die Stärkung der lokalen Apotheken gefordert sowie der »Apotheke light« eine Absage erteilt.

Gegenüber der PZ ergab sich nun ein ähnliches Bild:  Alle angefragten Ministerinnen und Minister äußerten sich erneut kritisch, und zwar durch die Parteien hindurch, Ampel wie Opposition.  »Apotheken ohne Apotheker« sind demnach mit ihnen nicht zu machen.

So warnte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), die Pläne für »Apotheken light« könnten dazu führen, dass das Netz an vollversorgenden öffentlichen Apotheken reiße. 

Das CDU-geführte NRW-Gesundheitsministerium ergänzte, dass es Filialapotheken ohne apothekerliche Aufsicht, so wie im Gesetzentwurf vorgesehen, ablehne. »Es braucht eine ausdrückliche Klarstellung, dass die Präsenz eines Apothekers im Grundsatz jederzeit erforderlich ist.«.

Hessens Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) sagte zur PZ, für die hessische CDU-SPD-Landesregierung sei klar, dass man die Apotheken stärken müsse und die vorhandenen Strukturen nicht schwächen dürfe. »Wir stehen deshalb an der Seite der Apothekerinnen und Apotheker in Hessen und setzen uns gemeinsam mit ihnen dafür ein.«

Das grün geführte Landesgesundheitsministerium Baden-Württemberg bekennt sich ebenfalls  klar zur inhabergeführten Apotheke und lehnt die »Apotheke light« ab, da diese »keinen adäquaten Ersatz« für die bestehenden Versorgungsstrukturen darstelle.

Kritik auch von Lauterbachs Parteigenossen

Auch in Brandenburg, wo SPD, CDU und Grüne regieren, stemmt sich das Gesundheitsressort gegen die Pläne. Als Grund führt das grün geführte Ministerium an, dass die PTA-Ausbildung aktuell nicht auf die alleinige Anwesenheit in einer Apotheke und eine tiefergehende Arzneimittelberatung ausgelegt sei. Dies könne auch die Hinzuziehung von Approbierten bei pharmazeutischen Fragestellungen nicht ausgleichen.

Und selbst von Parteigenossen des Bundesgesundheitsministers kommt Gegenwind, etwa aus Sachsen, wo Lauterbachs Parteikollegin Petra Köpping Landesgesundheitsministerin ist. Einen Betrieb von Apotheken durch PTA halte sie nicht für sachgerecht, so Köpping zur PZ. »Apotheken light« seien der falsche Weg. 

SPD-Gesundheitsminister Andreas Philippi aus Niedersachsen ergänzte, er sehe beim ApoRG noch reichlich Nachbesserungsbedarf, insbesondere was die geplanten weiteren Entfernungen zwischen den Apotheken eines Filialverbunds angeht. In einem Flächenland wie Niedersachsen gehe es um die Versorgung des ländlichen Raums – diese gerate bei größeren Distanzen in Gefahr. »Weiterhin sprechen wir uns ausdrücklich gegen Apotheken ohne persönliche Anwesenheitspflicht von Apothekerinnen und Apothekern aus«, so der Minister.

Auch die SPD-Gesundheitsministerinnen und -minister aus Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland hatten sich vor Kurzem klar gegen die aktuellen Reformpläne ausgesprochen und die Hoffnung geäußert, dass diese noch einmal überarbeitet werden.

Widerspruch auch von den Linken: Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner warnte davor, dass durch das Konzept »Apotheken ohne Apotheker« das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Wanken gerate. Zudem führe die Aufhebung der Präsenzpflicht für Approbierte »unweigerlich zum Abbau der öffentlichen Apotheke und zum massiven Personalabbau von approbiertem Personal«, hieß es.

Wie die Länder mitbestimmen können

Angesichts von so viel Zuspruch hoffen die Apotheken im ApoRG-Gesetzgebungsverfahren also zu Recht auf die Unterstützung der Länder. Bislang gibt es allerdings nicht einmal einen Kabinettsentwurf und auch der Bundestagsbeschluss liegt noch in einiger Ferne. Die Zeit der Länder ist noch nicht gekommen. 

Aber sie wird unweigerlich kommen, denn auch bei nicht-zustimmungsbedürftigen Gesetzen haben die Länder mitzureden. Zunächst per Stellungnahme des Bundesrats, einem wichtigen Indikator, der anzeigt, in welche Richtung die Länderauffassung geht.

Die Geschlossenheit der Landesgesundheitsminister in puncto ApoRG kann hier eine wichtige Rolle spielen, denn wie jede Vorlage wird auch das ApoRG zunächst in den Ausschüssen beraten, die erarbeiten, wie mit dem Gesetzesvorhaben verfahren werden soll. Zentrale Kritikpunkte wie die »Apotheke light« können hier geäußert und Änderungsvorschläge gemacht werden.

Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats gibt für das ApoRG anschließend eine Beschlussempfehlung ab. Die Bundesratsmitglieder wägen in der Plenarsitzung ab, ob sie der Beschlussempfehlung folgen oder nicht. Der Bundestag kann die Stellungnahme der Länder anschließend berücksichtigen, muss es aber nicht. 

Wenn der Bundestag das Gesetz beschlossen hat und die Länder mit wichtigen Inhalten nach wie vor nicht einverstanden sind, können sie den Vermittlungsausschuss anrufen, der seinerseits Änderungsvorschläge machen kann. Er kann theoretisch auch empfehlen, den Gesetzesbeschluss ganz aufzuheben.

Gibt es eine Einigung, beschließt der Bundestag das Gesetz mit den Änderungen erneut. Falls aber in drei Vermittlungsrunden keine Einigung erzielt wurde, können die Länder als Ultima Ratio binnen zwei Wochen Einspruch gegen den Beschluss einlegen. Daher werden nicht-zustimmungsbedürftige Gesetze wie das ApoRG Einspruchsgesetze genannt.

Mehrheiten auch für den Vermittlungsausschuss nötig

Doch auch wenn er Namensgeber ist: Ein Einspruch kommt äußerst selten vor, denn dazu müssten alle anderen Mittel ausgeschöpft sein, was so gut wie nie passiert. Sämtliche Vermittlungsverfahren müssten gescheitert sein, zudem wäre ein solcher Schritt nur bei einem Gesetz von immenser politischer Tragweite vorstellbar, bei dem Bund und Länder noch dazu heillos über Kreuz liegen müssten. Das ist beim ApoRG  – auch wenn sich viel Gesprächsbedarf abzeichnet und selbst innerhalb der Ampel noch nicht alle Uneinigkeit abgeräumt ist – wohl nicht der Fall.

Viel wahrscheinlicher ist also, dass der Vermittlungsausschuss angerufen und das Gesetz dadurch  ausgebremst wird. Für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses müsste die absolute Mehrheit im Bundesrat stimmen; kommt diese nicht zustande, ist das Einspruchsgesetz automatisch vom Bundesrat gebilligt.

Die Mehrheiten im Bundesrat resultieren aus den Regierungen der Länder, in denen es zurzeit 13 verschiedene Koalitionsmodelle gibt – genug Stoff also für einige Rechen- und Farbenspiele.

Für eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses braucht es im Bundesrat mindestens 35 der 69 Stimmen. Für einen Einspruch reicht ebenfalls eine absolute Mehrheit. Schlagkräftiger wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit, also 46 Stimmen, denn der Bundestag kann den Einspruch nur mit gleicher Mehrheit zurückweisen – und auf zwei Drittel der Stimmen kommt die Ampel im Bundestag  nicht.

Wann reicht es für eine Zweidrittelmehrheit?

An allen Landesregierungen außer in Bayern, wo die CSU mit den Freien Wählern regiert, ist mindestens eine der Ampelparteien beteiligt. Im Bundesrat würde also wohl nur Bayern die strikt kritische Haltung der Union gegenüber zentralen Inhalten des ApoRG in Reinform widerspiegeln – in Stimmen läge man damit bei 6. Die Länder haben je nach Einwohnerzahl 3 bis 6 Stimmen, es darf nur einheitlich abgestimmt werden.

Würde man die Stimmen aller Landesregierungen addieren, an denen die CDU beteiligt ist, wäre das Gewicht hingegen spürbar: Auf insgesamt 43 Stimmen käme man mit den Stimmen aus Bayern (6), Baden-Württemberg (6), Berlin (4) , Brandenburg (4), Hessen (5), NRW (6), Sachsen (4), Sachsen-Anhalt (4) und Schleswig-Holstein (4). Für den Vermittlungsausschuss würde das locker reichen, ebenso für einen Einspruch mit absoluter Mehrheit.

Zuletzt kam auch aus Reihen der SPD vermehrt Kritik am ApoRG auf. Was wäre, wenn  alle 12 Länder mit SPD-Regierung beziehungsweise -koalition einheitlich pro Vermittlungsausschuss beziehungsweise Einspruch im Bundesrat abstimmen würden? Es wäre eine satte Mehrheit von ebenfalls 43 Stimmen, für eine Zweidrittelmehrheit für den schlagkräftigeren Einspruch würde es aber auch in diesem Szenario nicht reichen.

Wenn man sich nicht einigen kann …

Nicht unwahrscheinlich ist, dass sich etliche Länder enthalten. Denn sie dürfen eben nur einheitlich votieren. Wer sich nicht einigen konnte – und das wäre bei kontroversen Vorhaben wie dem ApoRG keine Überraschung –,  enthält sich, was de  facto aber nicht neutral ist, sondern  sich auf die Abstimmung wie ein Nein auswirkt.  

Mehrheiten in Modellen wie bunte Kugeln an einem Abakus hin- und herzuschieben, um die Chancen für ein gewünschtes Ergebnis auszurechnen, kann aber nur graue Theorie sein. Denn außen vor bleiben dabei die Bestrebungen der Länder nach Einheitlichkeit und Kompromissen. Darum wird gerungen werden, bevor an ein politisches Kräftemessen auch nur zu denken ist.

Dass von den Ländern steter Rückenwind für die Apotheken kommt, stimmt aber zuversichtlich, dass diese ihre föderalen Möglichkeiten nutzen werden. Hoffen auf die Unterstützung der Länder dürfen die Apotheken also mit allem Recht. Deren Einspruch im Bundesrat ist eben eine theoretische Option. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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