Welchen Einfluss hat die Epigenetik? |
Epigenetische Markierungen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Differenzierung von Zellen. Veränderungen werden mit verschiedenen Erkrankungen von Krebs, Diabetes bis zu neurologischen Störungen in Zusammenhang gebracht. So gilt ein verändertes genomisches DNA-Methylierungsmuster als häufiger Auslöser von unkontrolliertem Zellwachstum im Rahmen der Tumorentstehung. Erste In-vitro-Assays zum Nachweis methylierter DNA wurden bereits als Biomarker für die Tumordiagnostik entwickelt. Die Methylierungs-Assays Epi proColon® (FDA-Zulassung) und Epi proLung® (CE-Zertifizierung) sind bereits kommerziell erhältlich, wenn auch die Erstattung in Europa noch umstritten ist (6).
Auch beim Ansprechen von Krebszellen auf Chemotherapeutika wird der Epigenetik eine wichtige Rolle zugesprochen. So kann beim Glioblastom, einem bösartigen Hirntumor, die Bestimmung methylierter DNA bereits zur Therapievorhersage beitragen. Hierbei wird anhand des DNA-Methylierungsgrades am Promotor des DNA-Reparaturgens MGMT (O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase) abgeschätzt, ob eine Chemotherapie mit dem alkylierenden Zytostatikum Temozolomid beim einzelnen Patienten Erfolg versprechend ist oder nicht (7, 8).
In anderen Studien wurde das Ansprechen des Brustkrebsmedikaments Tamoxifen mit dem Auftreten von microRNA bei Estrogenrezeptor-(ER-)positivem Brustkrebs korreliert. Wenn sich der Zusammenhang in weiteren Studien bestätigt, könnte microRNA in Zukunft die Bestimmung des Rezidivrisikos unterstützen (9).
Die Erkenntnis, dass im Tumor wachstumsrelevante Gene durch epigenetische Markierungen an- und abgeschaltet werden, hat zur Entwicklung sogenannter Epidrugs geführt, die direkt auf Ebene der Epigenetik eingreifen und das An- und Abhängen der Markierungen beeinflussen. Einige haben sich als direkt zytotoxisch erwiesen, andere hemmen die Resistenzentwicklung der Tumorzellen gegenüber verschiedenen Therapeutika. Eine Reihe von Inhibitoren der DNA-Methyltransferasen (DNMT), der Histondeacetylasen (HDAC) und der Histonmethyltransferasen (HMT) sind inzwischen gut etabliert und werden meist in Kombination mit klassischen Chemotherapeutika verabreicht (Grafik) (10).
Grafik: Epigenetische Targets von Arzneistoffen, die bereits als Epidrugs eingesetzt werden (grau unterlegte Kästen) oder deren epigenetische Effekte bekannt sind (blau unterlegt); mod. nach (14). DNMT: DNA-Methyltransferase, HAT: Histonacetyltransferase, HDM: Histondemethylase, HDAC: Histondeacetylase, HMT: Histonmethyltransferase / Foto: PZ/Stephan Spitzer
So sind die DNMT-Inhibitoren Azacitidin und Decitabin seit mehr als zehn Jahren in den USA und Europa zugelassen und unterstützen die Therapie von akuter myeloischer Leukämie (AML), myelodysplastischem Syndrom und myelomonozytärer Leukämie. Sie lagern sich in die DNA der Krebszellen ein und unterdrücken die Methylierung an CpG-Inseln der DNA, was zur Reaktivierung und Normalisierung der Genexpression führt (10).
HDAC-Hemmer wie Vorinostat, Belinostat und Romidepsin sowie das auch in der EU zugelassene Panobinostat verhindern das Abtrennen von Acetylresten an Histonen, lockern damit das Chromatin auf und reaktivieren im Tumor stillgelegte Gene. Die teils nur in den USA, teils auch in Europa zugelassenen Substanzen kommen unter anderem beim kutanen T-Zell-Lymphom und Multiplen Myelom zum Einsatz. Auch einige natürlich vorkommende Substanzen wie das Antimykotikum Trichostatin aus dem Bakterium Streptomyces platensis wirken als HDAC-Hemmer, wurden aber nur in wenigen Studien mit Blick auf eine mögliche Tumortherapie untersucht (11, 12).
Bei bestimmten Leukämieformen sind auch sogenannte Epidrugs im Einsatz. Diese modifizieren epigenetische Markierungen von Genen. / Foto: Shutterstock/Ljupco Smokovski
Als eine weitere Gruppe werden Histonmethyltransferase-Inhibitoren wie Tazemetostat beim follikulären Lymphom untersucht. Diese Enzyme hängen bis zu drei Methylgruppen an Histonproteine der Krebszellen an und beeinflussen damit die Genexpression (11, 12).
Auch nicht-codierende RNA wie miRNA und lncRNA gelten als attraktiver Ansatz für die Therapie. Diese RNA-basierten Therapeutika werden in Form von Antisense-Oligonukleotiden und kleinen interferierenden RNA-Stücken entwickelt. Der Erfolg war bisher uneinheitlich und insbesondere mit Blick auf die Wirkstärke und Toxizität gibt es noch Entwicklungsbedarf (13).