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Diabetes in der Schwangerschaft

Welche Blutzuckerzielwerte gelten?

Frauen mit Diabetes sollten eine Schwangerschaft genau planen und für eine normnahe Blutzuckereinstellung sorgen. Soweit die aktuelle Leitlinie. Die Realität sieht anders aus.
Brigitte M. Gensthaler
14.02.2023  08:30 Uhr
Welche Blutzuckerzielwerte gelten?

Ist ein Diabetes mellitus zum Zeitpunkt der Konzeption schlecht eingestellt, steigt das Risiko für Komplikationen bei Mutter und Kind. Angeborene Fehlbildungen, intrauteriner Fruchttod und Schwangerschaftskomplikationen, aber auch ein Fortschreiten von diabetesassoziierter Retinopathie oder Nephropathie sind beschrieben.

Laut Studien bringt jede zweite Schwangere mit Typ-1-Diabetes ein zu großes und zu schweres Baby zur Welt, bei Typ-2-Diabetes ist es immerhin noch jede vierte. Säuglinge mit einem Gewicht über der 90. Perzentile in Bezug auf das Gestationsalter werden als »large for gestational age« (LGA) klassifiziert. Hauptursache für die Makrosomie (Geburtsgewicht über 4000 g) ist ein mütterlicher Diabetes mellitus.

»Die präkonzeptionelle Betreuung von Frauen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes ist essenziell«, betonte Privatdozent Dr. Martin Füchtenbusch vom Diabeteszentrum am Marienplatz in München kürzlich bei der Tagung »Diabetologie grenzenlos«. Der Diabetologe ist einer der beiden Koordinatoren der S2e-Leitlinie »Diabetes in der Schwangerschaft«, die vor rund einem Jahr in dritter Auflage erschienen ist (AWMF-Registernummer: 057-023).

Blutzucker normnah einstellen

Präkonzeptionell soll eine normnahe Stoffwechseleinstellung mit einem Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) unter 7 Prozent angestrebt werden. Noch besser ist ein HbA1c unter 6,5 Prozent, wenn damit kein Hypoglykämierisiko verbunden ist. Zudem sollten die Frauen mindestens 0,4 mg Folsäure täglich substituieren. Allerdings werde etwa jede fünfte Frau mit Typ-2-Diabetes ungeplant schwanger, sagte Füchtenbusch.

Unverändert gültig seien die Blutglucose-Zielwerte bei kapillärer Selbstmessung in der Schwangerschaft, informierte der Arzt. Nüchtern und präprandial solle der Wert zwischen 65 und 95 mg/dl (3,8 bis 5,2 mmol/l) liegen, eine Stunde nach Beginn einer Mahlzeit unter 140 mg/dl (≤ 7,7 mmol/l) und zwei Stunden danach unter 120 mg/dl (≤ 6,6 mmol/l). Zum Vergleich: Die Normwerte bei stoffwechselgesunden Schwangeren liegen nüchtern bei 70 bis 74 mg/dl und eine Stunde nach Essensbeginn bei 100 bis 112 mg/dl. Laut Leitlinie soll im Verlauf der Schwangerschaft ein HbA1c-Wert im oberen Normbereich (unter Beachtung des Hypoglykämierisikos) angestrebt werden.

Wenn diätetische Maßnahmen nicht ausreichen, um die Blutglucose effektiv zu kontrollieren, ist die Injektion von Insulin die Therapie der Wahl. Seit etwa einem Jahr sind auch einige Metformin-Produkte zur Anwendung während der gesamten Schwangerschaft zugelassen.

Zu beachten ist, dass die postprandiale Glucose-Umverteilung aus der Blutbahn in den Skelettmuskel in der frühen Schwangerschaft sehr gut funktioniert, in späteren Stadien aber deutlich langsamer abläuft. »Bis 50 Prozent der Glucose aus der Zirkulation verschwunden sind, dauert es dann viel länger. Außerdem werden die maximalen Insulinspiegel nach der Injektion in der Spätschwangerschaft viel später erreicht und die Phasen der postprandialen Hyperglykämie sind deutlich länger«, erklärte Füchtenbusch. Daher sollten die Frauen den Spritz-Ess-Absatz anpassen und Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index bevorzugen. Sie müssten zudem wissen, dass der Insulinbedarf ab dem zweiten und dritten Trimenon um 50 bis 100 Prozent steigt; bei adipösen Schwangeren mit Typ-2-Diabetes ist der Anstieg oft noch größer.

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