Was wirklich zur Entscheidung steht |
Der EuGH muss sich zu den steuerlichen Folgen von Rx-Boni positionieren. Aus der Sicht von Rechtsanwalt Ulrich laut sollte sich aber auch das Bundesministerium für Finanzen für den aktuellen Vorgang interessieren. / Foto: iStock/ericsphotography
Der BFH hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine Versandapotheke, die verschreibungspflichtige Arzneimittel aus den Niederlanden nach Deutschland liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an die gesetzlich krankenversicherte Person umsatzsteuerrechtlich zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist.
Die Entscheidung betrifft ausschließlich die Frage, ob eine holländische Versandapotheke Rabatte in Deutschland steuermindernd geltend machen kann. Rechtsfragen aus dem Apotheken- und Arzneimittelrecht sind damit nicht umfasst. Insbesondere ist es nicht Gegenstand des Verfahrens, ob und wie der EuGH sich im Hinblick auf mögliche zukünftige gesetzliche Maßnahmen positioniert. Die Gesetzgebungsvorhaben in Deutschland, namentlich das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG), sind nicht Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens.
Hintergrund des Vorlagebeschlusses ist, dass die Versandapotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel sowohl an gesetzlich Versicherte wie auch an privat Versicherte in Deutschland liefert. Hierbei leistet die Apotheke in beiden Fällen als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zahlungen, wenn die Kunden Fragen zur jeweiligen Erkrankung (Arzneimittelcheck) beantworten.
Bei den Lieferungen an gesetzlich Versicherte rechnet die Apotheke mit den Krankenkassen ab. Dabei geht sie davon aus, dass sich der Ort der Leistungen in den Niederlanden befindet. Folglich könne sie die dort geltende Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Leistungen in Anspruch nehmen. Die Kassen hätten dann die verschreibungspflichtigen Arzneimittel als innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern.
Die Versandapotheke geht zudem davon aus, dass diese Rabatte die Bemessungsgrundlage für die an Privatversicherte ausgeführten Lieferungen gemindert habe und machte eine entsprechende Steuerberichtigung geltend. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht lehnten dies ab, sodass sich die Versandapotheke an den BFH wandte.
Der BFH ist der Auffassung, dass ein solcher Steuerminderungsanspruch nicht besteht. Dies begründet er damit, dass Vertragspartner des Versenders die Krankenkasse sei, auch wenn die Ware unmittelbar an den Versicherten geliefert werde. Dies werde auch dadurch belegt, dass der Versicherte nicht für einzelne Leistungen, sondern pauschal für Versicherungsschutz zahle.
Auch setze sich die Versandapotheke mit ihrem Begehren in Widerspruch zu der von ihr selbst geschaffenen wirtschaftlichen Realität, da sie ihren Zahlungsanspruch gegen die Gesetzliche Krankenversicherung geltend mache. Aus der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung ergebe sich auch nichts anderes, da hier die Apotheke lediglich als Einzugs- oder Inkassostelle für die Krankenkasse tätig werde.
Zudem würde eine Vertragsbeziehung zwischen der Versandapotheke und dem gesetzlich Versicherten als Endverbraucher dazu führen, dass die Leistungen in Deutschland steuerpflichtig und nicht in den Niederlanden steuerfrei seien. Eine solche Versteuerung habe die Versandapotheke aber gerade nicht vorgenommen.
Darüber hinaus stellt der BFH klar, dass der EuGH das Rabattverbot für Lieferungen von Arzneimitteln nur für Auslandsapotheken aufgehoben habe. Für deutsche Apotheken gelte weiterhin das Verbot, Rabatte zu gewähren. Da die Versandapotheke weder in den Niederlanden noch in Deutschland Umsatzsteuer abführe, können sie diese auch nicht mindern, indem sie mit sonstigen Leistungen, wie Lieferungen an Privatversicherte, aufrechne. Diese beiden Rechtsverhältnisse haben nach Auffassung des BFH nichts mit einander zu tun.
Das Begehren der niederländischen Versandapotheke Rabatte aus einer für sie steuerfreien Lieferung in Deutschland steuermindernd geltend zu machen, sollte jedoch auch im Bundesministerium der Finanzen zur Kenntnis genommen werden. Es muss auch im Interesse der Bundesregierung sein, die Steuereinnahmen nicht aus Deutschland in andere Mitgliedsstaaten der EU zu verlagern.