Was reden die da? |
»Jede Woche haben wir Anrufer, die sich über den Verfall der deutschen Sprache beschweren«, berichtet Dr. Lutz Kuntzsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden (GFDS). Die gemeinnützige Einrichtung berät Firmen, Institutionen und Privatpersonen in allen sprachlichen Zweifelsfällen und Fragen. Das geht vom Streit der Kommasetzung beim Infinitiv über einen ungewöhnlichen Vornamen bis hin zum Hilferuf: »Wir haben junge Nachbarn und verstehen die nicht. Können Sie uns mal helfen?«
Kuntzsch und seine Kolleginnen und Kollegen helfen bei allem, was Sprache betrifft, beratend weiter, müssen aber auch aufklären und korrigieren. »Wenn aufgebrachte Menschen sagen, wir sollen den Genitiv retten, müssen wir einiges auch mal geraderücken. Zum Beispiel, dass dieser in Amtstexten sehr häufig und in anderen Texten auch noch vorhanden ist«, sagt er. Sorge über einen Verfall der deutschen Sprache hat er nicht, auch wenn der Dativ dem Genitiv Sprachkritikern zufolge zunehmend Konkurrenz macht. Anstatt zu verfallen, befinde sich die deutsche Sprache im permanenten Wandel, das sei ein natürlicher Prozess, der Jugendjargon und sein oft ideenreicher Wortschatz ein belebender Teil davon. »Jugendliche differenzieren auch ganz genau zwischen Gruppe, Schule und Beruf«, beobachtet Kuntzsch. Der sprachliche Austausch im Jugendjargon beschränke sich vor allem auf den Freundeskreis.
Trotz vieler gemeinsamer Merkmale: Die eine Jugendsprache gibt es nicht und sie wird auch nicht nur von 13- bis 20-Jährigen gesprochen. Sind ältere Semester dem Jugendwahn verfallen, wenn sie etwas »nice« finden? Das sei situationsabhängig und man könne das nicht verallgemeinern meint Marx: »Ein Streetworker, der täglich mit Jugendlichen interagiert, spricht auch deren Sprache, ohne dass das peinlich oder anbiedernd wirken würde«.
Jugendliche im Norden Deutschlands kommunizieren anders miteinander als im Süden, selbst innerhalb einer Region oder großen Stadt finden sich sprachliche Unterschiede. Herkunft und soziokultureller Hintergrund spielen eine Rolle für die Ausbildung eines gemeinsamen Jargons, vor allem aber sind es gemeinsame Interessen, die verbindend wirken. Marx spricht von »anwendungsorientierten Szenarien«. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land: In einer Basketballgruppe oder Rockband wird man unter den Teilnehmenden ähnliche sprachliche Phänomene beobachten.