Was erwartet uns im Winter? |
Derzeit befinden sich in Deutschlands Krankenhäusern laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 851 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, davon werden 389 (46 Prozent) beatmet. Das Register, das erst aufgrund der Corona-Pandemie mithilfe des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Bundesgesundheitsministeriums entwickelt wurde, sei ein wichtiges Tool, um die Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern im Blick behalten zu können, erklärte Professor Dr. Uwe Janssens, DIVI-Präsident und Chefarzt am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Derzeit schätze auch die DIVI, dass etwa 6 Prozent der SARS-CoV-2-positiven Patienten in Deutschland im Krankenhaus behandelt werden müsse, von denen ein Drittel intensivpflichtig werden. Auch Janssens betonte, dass die veränderte Altersstruktur hier eine Rolle spiele. Aber mit Zunahme der Infektionen sei ein vermehrtes Überspringen des Virus auf Risikogruppen zu befürchten, was in Teilen auch schon zu beobachten sei: Seit September steigt laut RKI-Angaben der Anteil der älteren Altersgruppen bei Corona-Positiven wieder an.
Auf einen Anstieg der Patientenzahlen sei die Intensivmedizin aber gut vorbereitet: Die Zahl der Intensivbetten wurde ausgebaut auf derzeit 30.000. Gravierender sei allerdings der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal, der schon vor Ausbruch der Pandemie bestand und nicht so rasch beseitigt werden konnte, so Janssens. Wenn es nötig werden sollte, könnte auch wieder auf elektive Eingriffe verzichtet werden. Entsprechende Pläne hätten alle Kliniken erstellt und könnten sie auch rasch bei Bedarf umsetzen.
Insgesamt blickten die Intensivmediziner »gespannt, aber zuversichtlich« auf die kommenden Wochen, betonte Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. Ein Grund sei, dass die Medizin in den vergangenen Monaten viel gelernt habe. So stünden inzwischen zwei Medikamente für Covid-19-Patienten zur Verfügung: Remdesivir in der frühen Krankheitsphase und Dexamethason in der späten.
Bei Remdesivir hätten die kürzlich erschienenen Daten der SOLIDARITY-Studie das Bild etwas relativiert, sagte Wendtner. Demnach sei der Effekt kleiner als bislang angenommen, die Daten würden jetzt aber von der Europäischen Zulassungsbehörde EMA noch einmal genau geprüft. In seiner Klinik werde Remdesivir bis zu einer abschließenden Bewertung weiterhin eingesetzt, da es gut verträglich sei und auch gute Erfahrungen mit dem Arzneistoff gemacht wurden. Zusammen mit Dexamethason habe Remdesivir auch dazu beigetragen, »dass wir sicherer mit der Covid-Krise umgehen können«, sagte der Mediziner.
Janssens betonte, dass man enorm hinzugelernt hätte, auch was die Beatmungsstrategie und die Abläufe anginge. Zudem wird vermehrt antikoaguliert, um die für Covid-19 typischen Mikro- und Makrothromben zu verhindern, fügte Wendtner hinzu. Insgesamt habe dies zur Verbesserung im klinischen Bereich beigetragen.
Das Frühjahr habe »uns alle ziemlich gerade gerückt«, sagte Janssens. Seine Kollegen und er seien aber dennoch zuversichtlich: »Ich kenne keinen Einzigen, der sagt, das wird eine Katastrophe werden.« Derzeit blicke man zwar mit Anspannung in die Zukunft, für Panik gebe es aber keinen Grund. »Wir werden das mit Sicherheit schaffen«, so Janssens.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.