Was bei Erwachsenen anders ist |
Christina Hohmann-Jeddi |
13.06.2024 09:00 Uhr |
Diese Komorbiditäten – insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen – sollten laut Philipsen mit Blick auf eine medikamentöse Therapie bedacht werden. Doch zunächst sollte laut der S3-Leitlinie »ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen«, die sich zurzeit in Überarbeitung befindet, nach einer ADHS-Diagnose eine ausführliche Psychoedukation, also Aufklärung und Beratung zu der Erkrankung und dem therapeutischen Vorgehen, erfolgen.
Bei einer behandlungsbedürftigen Erkrankung sollte eine medikamentöse Behandlung begonnen werden, »in der Regel mit Stimulanzien wie Methylphenidat oder Amfetaminen«, berichtete Philipsen (lesen Sie dazu das Interview am Ende das Artikels).
Etwa 60 bis 70 Prozent der Patienten sprächen auf die Therapie an. »Bei Nichtansprechen lohnt es sich, innerhalb der Stimulanzien den Wirkstoff zu wechseln«, sagte die Ärztin. Damit erreiche man noch einmal 10 Prozent der Patienten.
Für Erwachsene stehen als Methylphenidat-haltige retardierte Präparate zum Beispiel Medikinet®adult, Ritalin®adult sowie Concerta® zur Verfügung. Als Lisdexamfetamin-haltiges Präparat kann Elvanse®adult eingesetzt werden. Wirksamkeit und Verträglichkeit der Substanzen sind gut belegt. Auch bei zusätzlich vorliegenden Suchterkrankungen dürften diese Stimulanzien eingesetzt werden, erklärte Philipsen.
Der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin (Strattera® und Generika) ist ebenfalls für Erwachsene zur ADHS-Therapie zugelassen. Der α2A-Rezeptoragonist Guanfacin ist genau wie der Arzneistoff Dexamfetamin in Deutschland bisher nur für Kinder zugelassen.
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Die bei der ADHS-Therapie eingesetzten Stimulanzien und Atomoxetin können mit einer Reihe von anderen Arzneistoffen wechselwirken. Stimulanzien wirken noradrenerg und dopaminerg. Aufgrund ihrer noradrenergen Wirkung können Methylphenidat und Lisdexamfetamin etwa zu Wechselwirkungen mit Antihypertensiva, Sympathomimetika, Sympatholytika und Antiglaukommitteln führen. So ist etwa die gleichzeitige Anwendung von Phenylephrin, Pseudoephedrin, Ephedrin und Ephedrakraut kontraindiziert. Auch Monoaminoxidase(MAO)-Hemmer sollten bei der Einnahme aufgrund des Risikos einer hypertensiven Krise gemieden werden. Das gilt auch für das Antibiotikum Linezolid. Eine Kombination der Stimulanzien mit anderen dopaminergen Substanzen wie Dopaminagonisten oder Levodopa kann das Risiko für Psychosen erhöhen. Stimulanzien können auch die Wirkung von Antipsychotika abschwächen und die Krampfschwelle senken, woraus sich eine Interaktion mit Antiepileptika ergibt. Bei Medikinet® adult und Medikinet® retard ist aufgrund ihrer Galenik Vorsicht bei der Kombination mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) geboten: Es besteht die Gefahr einer vorzeitigen Freisetzung von Methylphenidat.
Auch für das Nicht-Stimulanz Atomoxetin gilt, dass es nicht zusammen mit MAO-Hemmern angewendet werden darf. Die Therapie mit einem solchen Arzneistoff muss seit mindestens zwei Wochen beendet sein, bevor Atomoxetin angesetzt werden kann, und andersherum. Da Atomoxetin den Blutdruck anhebt, ist bei der gleichzeitigen Einnahme von Arzneimitteln, die diesen beeinflussen, Vorsicht geboten. Atomoxetin wird hauptsächlich über CYP2D6 verstoffwechselt, Inhibitoren des Enzyms können die Plasmaspiegel steigen lassen. Es besteht die Möglichkeit eines erhöhten Risikos für eine QT-Zeit-Verlängerung, wenn Atomoxetin zusammen mit anderen QT-Zeit-verlängernden Arzneistoffen eingenommen wird.