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ADHS

Was bei Erwachsenen anders ist

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wächst sich nicht immer aus, sondern besteht häufig noch im Erwachsenenalter fort – sogar bei Senioren. Hinsichtlich des Erkrankungsbilds und der Therapie unterscheiden sich junge von älteren Patienten mit ADHS.
Christina Hohmann-Jeddi
13.06.2024  09:00 Uhr

Interview: ADHS-Therapie bei Erwachsenen

PZ: ADHS wird meist in der Kindheit oder Jugend diagnostiziert. Wie werden diese Patienten medikamentös weiterbehandelt, wenn sie volljährig werden und Symptome fortbestehen?

Philipsen: Da haben wir häufig das Problem, dass es einen Bruch gibt. Bei einer Diagnose in der Kindheit können die Patienten als Erwachsene zwar weiterbehandelt werden, doch sind nur retardiertes Methylphenidat, Lisdexamfetamin und Atomoxetin für diese Altersgruppe bisher zugelassen. Dadurch ist die Arzneimittelauswahl im Vergleich zum Kindesalter eingeschränkt und Patienten müssen eventuell umgestellt werden. Einige Zulassungsstudien sind aber auf dem Weg. Das Ziel ist, die gleiche Auswahl für Erwachsene zu haben wie für Kinder.

PZ: Wie unterscheidet sich das Vorgehen, wenn die Erkrankung erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird?

Philipsen: Bei einer Erstdiagnose muss zunächst ausführlich über die Erkrankung aufgeklärt werden, wobei auch Strategien zum Umgang mit der Symptomatik vermittelt werden sollen. Psychoedukation ist die erste Stufe der Behandlung, weil sich ein umfassendes Aufklärungskonzept unter Placebo als wirksam erwiesen hat – wenn auch weniger stark als die Medikation, die als zweite Stufe infrage kommt.

PZ: Welche Kriterien müssen dafür erfüllt sein?

Philipsen: Medikamentös therapiert wird, wenn in mehreren Lebensbereichen, beruflich und privat, Beeinträchtigungen durch die Erkrankung auftreten. Hierfür werden die Schwere und Beeinträchtigung durch die Symptomatik erfasst. Wenn dadurch beispielsweise mehrere Ausbildungen abgebrochen wurden oder immer wieder Probleme in der Partnerschaft auftreten, sind das relevante Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen. Wenn diese durch Schilderungen oder etwa den Lebenslauf belegt sind, kann mit einer Medikation begonnen werden. Atomoxetin liegt, was Verschreibungshäufigkeit und Wirksamkeit angeht, hinter den beiden Stimulanzien. Nicht jedes Fertigarzneimittel ist dabei für den Behandlungsbeginn im Erwachsenenalter vorgesehen.

Das Missbrauchspotenzial ist bei Stimulanzien sehr gering. Es steht nicht im Verhältnis zur Diskussion darüber.
Professor Dr. Alexandra Philipsen

PZ: Methylphenidat ist Mittel der Wahl bei der Behandlung von ADHS bei Erwachsenen und Kindern. Dennoch gibt es zum Teil starke Vorbehalte gegen den Wirkstoff. Warum?

Philipsen: Das hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt es aktuell einen Social-Media-Hype zum Thema ADHS bei Erwachsenen, der zwar dazu beitragen kann, dass tatsächlich Betroffene eine Diagnose erhalten, aber auch dazu führen kann, dass eigentlich gesunde Menschen meinen, ADHS zu haben, und in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, ADHS sei eine Art Modediagnose. Es gab schon immer Skepsis, ob die Erkrankung nicht eine Erfindung der Pharmaindustrie ist, auch weil sie nicht so stark auffällt wie andere Erkrankungen.

Zum anderen war Ritalin in den 1950er- und 60er-Jahren schon weit verbreitet und sollte etwa – überspitzt gesagt – gegen die Fatigue der Hausfrau helfen. Diese Faktoren tragen alle zum negativen Bild von Stimulanzien bei. Dabei haben wir in der Psychiatrie Wirkstoffe, die viel mehr Nebenwirkungen verursachen und auch Suchtpotenzial haben.

PZ: Was kann das pharmazeutische Personal tun, um die Vorbehalte abzubauen?

Philipsen: Vor allem ist es wichtig, sachlich aufzuklären. Das Missbrauchspotenzial ist bei Stimulanzien sehr gering und steht nicht im Verhältnis zur Diskussion darüber. Außerdem zeigen Studien, dass eine frühe medikamentöse Behandlung eher protektiv wirkt in Hinblick auf häufig assoziierte Komorbiditäten. So ist etwa das Risiko für Suchterkrankungen und Depressionen bei frühem Behandlungsbeginn reduziert. Die Medikation kann Menschen in die Lage versetzen, mit der Symptomatik zurechtzukommen. Wenn das ohne Arzneimittel gelingt, etwa durch Sport und Psychotherapie, ist das prima. Aber den stärksten Effekt hat eben doch die Medikation.

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