Warum Prophylaxe so wichtig ist |
Annette Rößler |
09.11.2020 16:00 Uhr |
Dass es noch weitere Argumente gibt, die für den Einsatz eines CGRP-Antagonisten sprechen, wurde bei einem Satellitensymposium am Rande des virtuellen des DGN-Kongresses deutlich. Sponsor war Teva, der Hersteller von Ajovy. In dem Symposium ging Dr. Robert Fleischmann von der Universität Greifswald auf die Funktionen von CGRP im gastrointestinalen System ein. Fall-Kontroll-Studien hätten eine erhöhte Rate an gastrointestinalen Funktionsstörungen bei Patienten mit Migräne gezeigt, so Fleischmann. Diese seien höchstwahrscheinlich durch CGRP ausgelöst, denn Menschen, denen man CGRP infundiere, reagierten in mehr als 90 Prozent der Fälle auch mit gastrointestinalen Symptomen, am häufigsten Übelkeit und Unwohlsein. »Gastrointestinale Nebenwirkungen von CGRP-Antagonisten könnten somit häufiger sein als bislang vermutet«, glaubt Fleischmann.
Bekanntlich haben die drei bislang verfügbaren CGRP-Antagonisten unterschiedliche Angriffspunkte: Fremanezumab und Galcanezumab (Emgality®) binden direkt an das Peptid und neutralisieren es, während Erenumab (Aimovig®) am CGRP-Rezeptor angreift und diesen blockiert. Hieraus lässt sich Fleischmann zufolge womöglich eine Überlegenheit von Fremanezumab und Galcanezumab gegenüber Erenumab ableiten, denn bei der Blockade des Rezeptors, nicht jedoch von CGRP selbst, bestehe die Möglichkeit, dass die CGRP-Spiegel steigen. Eine Analyse von Real-World-Daten, die beim Kongress der europäischen Fachgesellschaft EAN präsentiert wurde, bestätige dies: »Demnach traten Nebenwirkungen wie Obstipation unter dem CGRP-Rezeptor-Antagonisten häufiger auf als bei den Liganden-Antikörpern«, so Fleischmann.
Als stark gefäßerweiternder Botenstoff hat CGRP auch eine wichtige Funktion im kardiovaskulären System. Dr. Bianca Raffaelli von der Berliner Charité wies darauf hin, dass Migränepatienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein 1,5-fach höheres Schlaganfall-Risiko hätten. Vor diesem Hintergrund habe man in den CGRP-Antikörper-Studien ein besonderes Augenmerk auf kardiovaskuläre Nebenwirkungen gelegt. Aktuelle Daten hätten gezeigt, dass auch bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren kardiovaskuläre Nebenwirkungen unter Fremanezumab auf Placeboniveau seien, sagte Raffaelli mit Verweis auf noch unveröffentlichte Daten. Die Problematik müsse jedoch genau im Blick behalten werden. Erst kürzlich habe die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA die Entwicklung von Hypertonie beziehungsweise die Verschlechterung einer bereits bestehenden Hypertonie als neue Warnhinweise in die Fachinformation von Aimovig aufgenommen.