Pharmazeutische Zeitung online
Migräne

Warum Prophylaxe so wichtig ist

Viele Migränepatienten greifen so häufig zu Schmerzmitteln, dass sie auch noch einen Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz entwickeln. Eine wirksame Prophylaxe kann einen Ausweg aus diesem Teufelskreis darstellen.
Annette Rößler
09.11.2020  16:00 Uhr

Wer häufig Kopfschmerzen hat, läuft Gefahr, Schmerzmittel überzudosieren und so die Kopfschmerzen noch schlimmer zu machen. Man spricht in diesem Fall von einem Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz (MOH). Dass Migränepatienten Kandidaten hierfür sind, liegt auf der Hand. Einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zufolge ist MOH eine häufige Komorbidität bei Patienten mit Migräne mit mehr als 40 Prozent Betroffenen in der Gruppe der chronischen Migränepatienten.

Ein Problem besteht darin, dass auch die Triptane, die zur Kupierung von Migräneattacken angewendet werden, bei mehr als zehn Einnahmetagen pro Monat zu Kopfschmerzen führen können. Sich allein auf die Akuttherapie zu verlassen, ist somit keine gute Option bei Patienten, die unter häufigen und/oder schweren Anfällen leiden. Neuen Daten zufolge kann aber eine wirksame Prophylaxe dabei helfen, den Teufelskreis aus häufigen Kopfschmerzen und entsprechend häufiger Schmerzmittel- beziehungsweise Triptan-Einnahme zu durchbrechen. Diese kann beispielsweise mit Antikörpern erfolgen, die das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) antagonisieren.

Das zeigte etwa eine kürzlich veröffentlichte Subgruppenanalyse der HALO-Studie, in der Patienten mit chronischer Migräne entweder mit dem CGRP-Antagonisten Fremanezumab (Ajovy®) oder mit Placebo behandelt wurden. Unter Fremanezumab reduzierte sich der Anteil von Patienten mit MOH bei vierteljährlicher Gabe um 55,2 Prozent, bei monatlicher Gabe sogar um 60,6 Prozent (»The Journal of Headache and Pain«, DOI: 10.1186/s10194-020-01173-8).

CGRP-Antagonisten sind allerdings erst dann indiziert, wenn alle anderen Möglichkeiten der Prophylaxe – erfolglos – ausprobiert wurden. Hierzu gehört eine Therapie mit Botulinumtoxin A (Botox® und andere). »Bei vielen Patienten kann die Therapie mit Botulinumtoxin die Anzahl der Schmerztage ebenfalls halbieren«, sagt Professor Dr. Hans-Christoph Diener von der Universität Duisburg-Essen, Pressesprecher der DGN. Eine wirksame Prophylaxe sei gerade für Patienten mit MOH extrem wichtig: »Diese Patienten sind oft in einer verzweifelten Lage, ein ›kalter Entzug‹ ist ihnen einfach nicht möglich, obwohl sie wissen, dass die kurzfristige Lösung für das Problem, das sie haben, auch die Ursache des Problems sein könnte, die Schmerzmittel also Kopfschmerzen auslösen können. Endlich haben wir für diese Patienten nun weitere Therapieoptionen: die Umstellung auf Botulinumtoxin A und – bei Nichtansprechen – die Antikörpertherapie.«

Seite12>

Mehr von Avoxa