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Medikationsanalyse

»Wagen Sie sich langsam heran«

Eine erweiterte Medikationsberatung als pharmazeutische Dienstleistung muss nicht gleich in aller klinischen Komplexizität durchgeführt werden. Erstes Ziel sollte sein, dem Patienten die Anwendung seiner Medikamente zu erleichtern. Auch den Ärzten könnte so ihre Arbeit erleichtert werden.
Daniela Hüttemann
06.07.2022  12:00 Uhr

»Gerade bei einer sehr komplexen Medikation heißt es nicht, dass Sie als Apotheker nun alles leitliniengerecht umstellen sollen«, sagte Referentin Sabine Haul bei einer Online-Auftaktveranstaltung zu den pharmazeutischen Dienstleistungen der Apothekerkammer Hamburg am gestrigen Dienstagabend. Das Webinar lief unter dem Titel »Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) – erste Schritte Medikationsanalyse«. 

Es sei nicht Aufgabe des Apothekers zu überprüfen, ob der Arzt jedes Medikament leitliniengerecht verordnet hat. Dafür gebe es die medizinische AMTS-Prüfung durch den Arzt. Apotheker führen dagegen als Herzstück der pharmazeutischen Dienstleistung »Erweitere Medikationsberatung bei Polymedikation« eine pharmazeutische AMTS-Prüfung durch. Dabei konzentriert sich der Apotheker unter anderem auf (Pseudo-)Doppelmedikationen, zum Beispiel durch verschiedene verordnende Ärzte, Interaktionen, Nebenwirkungen und vor allem auch Anwendungsprobleme des Patienten. 

Die Unterscheidung zwischen pharmazeutischer und medizinischer AMTS-Prüfung stamme aus dem ARMIN-Projekt und habe sich dort bewährt, erklärte Haul. Und auch die Leitlinie Multimedikation der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Fachgesellschaft der Hausärzte, aus dem Jahr 2021 sehe ein gemeinsames, interprofessionelles Medikationsmanagement mit klarer Aufgabenteilung vor. »Wir können und wollen es damit dem Patienten und Arzt einfacher machen«, betonte Haul.

Nicht von Ärztefunktionären einschüchtern lassen

Diese Leitlinie stamme übrigens aus Hessen, bemerkte Haul mit Hinblick auf die abstrusen Behauptungen und Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom gestrigen Dienstag, die den Apothekern jegliche pharmakologischen Kompetenzen abspricht und gar von pharmazeutischen Dienstleistungen als einer »Kriegserklärung« der Apotheker- an die Ärzteschaft fabuliert.

Die Bergedorfer Apothekerin, die bereits seit vielen Jahren Medikationsanalysen regelmäßig durchführt, reagierte äußerst gelassen und riet allen Apothekern, dass ebenfalls an sich abperlen zu lassen. Sie habe fast ausschließlich positive Erfahrungen mit den betreuenden Ärzten gemacht. »Wir müssen zusammen arbeiten, es geht gar nicht anders angesichts einer immer älteren Bevölkerung mit vielen Erkrankungen«, so Haul. Statt noch höher zu mauern wie derzeit durch einige Ärztefunktionäre müssten heilberufliche Mauern eingerissen werden.

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