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Herzrhythmusstörungen

Von Herzklopfen bis Flattern und Flimmern

Viele Menschen sind unregelmäßig bis regelmäßig von Herzrhythmusstörungen betroffen. Sind diese Arrhythmien harmlos oder gefährlich, können und müssen sie behandelt werden?
AutorKontaktIlsabe Behrens
Datum 30.10.2022  08:00 Uhr

Abfolge der Therapie

Sobald die exakte Diagnose gestellt ist, gibt es einen festen Ablauf der Behandlung. Grundlegend ist die Therapie von Grunderkrankungen wie Herzinsuffizienz, Hypertonie, Hyperthyreose, Elektrolytstörungen und chronischem Koronarsyndrom. Dies ist die erste und nachhaltigste Option, die die Prognose deutlich verbessert.

Allgemeine Maßnahmen im akuten Fall sind Bettruhe, Sedierung, Vagusreizung (je nach Art der Rhythmusstörung) und Sauerstoffgabe. Spezifischer ist eine medikamentöse Therapie mit Antiarrhythmika. Gegebenenfalls wird der Arzt mit dem Patienten über physikalische Maßnahmen (Herzschrittmacher), elektrotherapeutische und chirurgische Eingriffe am Herzmuskel und am Erregungsleitungssystem nachdenken. Eingriffe wie Elektrostimulation, Implantation eines Herzschrittmachers, Katheterablation, Kardioversion und Defibrillation haben eine hohe Bedeutung, da sie das Problem heilen können. Sie werden bei tachykarden und bradykarden Arrhythmien angewendet.

Eine (Notfall-)Kausaltherapie kann darin bestehen, zum Beispiel eine Glykosid-Intoxikation zu behandeln oder eine massive Elektrolytstörung auszugleichen. Bei bedrohlichen Zuständen ist schnelles Handeln erforderlich; hier wird zum Beispiel Ajmalin als Notfallmedikation eingesetzt.

Antiarrhythmisch wirksame Arzneistoffe

Seit 1970 gibt es die Einteilung der Antiarrhythmika nach Vaughan Williams, die die Arzneistoffe nach elektrophysiologischen Eigenschaften differenziert (Tabelle 1). In diese Einteilung lassen sich die (neueren) spezifisch wirkenden Kanal- oder Rezeptorenblocker nicht einordnen; daher sind sie in Tabelle 2 aufgeführt.

Klasse Wirkstoff Indikationen
Natriumkanalblocker
Ia Ajmalin
Prajmalin
AV-Reentry-Tachykardie
Akuttherapie von ventrikulären und supraventrikulären Tachykardien
Ia Procainamid therapieresistente ventrikuläre Tachykardien, supraventrikuläre Tachykardien
Ia Disopyramid ventrikuläre Extrasystolen, ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern, supraventrikuläre Tachykardien (Vorhofflimmern, Vorhofflattern)
Ib Lidocain Reservemedikament bei akuten ventrikulären Rhythmusstörungen
Ib Aprindin therapieresistente ventrikuläre Tachykardien und ventrikuläre Extrasystolen
Ic Propafenon Kardioversion bei Vorhofflimmern
Ic Flecainid supraventrikuläre Tachykardien bei WPW-Syndrom, AV-junktionale, paroxysmale und ventrikuläre Tachykardien
Ic Lorcainid ventrikuläre und supraventrikuläre Tachykardien
Betablocker
II Atenolol, Metoprolol, Propanolol, Acebutolol, Bisoprolol, Nebivolol Tachykardie, Myokardinfarkt
Wirkungen: negativ chronotrop, dromotrop, inotrop und bathmotrop
Kaliumkanalblocker
III Amiodaron Vorhofflimmern, supraventrikuläre und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen, Kammertachykardie und Kammerflimmern
III Dronedaron nach Kardioversion bei Vorhofflimmern zum Erhalt des Sinusrhythmus (enge Indikation)
III Ibutilid intravenös bei Vorhofflattern und -flimmern
Calciumkanalblocker
IV Verapamil supraventrikuläre Tachykardie
Tabelle 1: Übersicht über gebräuchliche Antiarrhythmika nach Vaughan-Williams-Einteilung
Wirkstoff Wirkmechanismus
Adenosin Aktivierung des Gi-modulierten Kaliumkanals
Digitoxin, Digoxin Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase der membranständigen aktiven Transporter
Parasympatholytika (Beispiele: Atropin, Ipratropiumbromid) Muskarinrezeptor-Antagonisten
Sympathomimetika (Beispiele: Adrenalin, Noradrenalin, Orciprenalin) Aktivierung myokardialer B1-Adrenozeptoren, positiv chronotrop, dromotrop und bathmotrop
Vernakalant Kaliumkanalblocker
Magnesium stabilisiert die Erregungsleitung am Herzen
Tabelle 2: Weitere Antiarrhythmika

Grundsätzlich ist die Gabe eines Antiarrhythmikums eine symptomatische Therapie und behandelt nicht die Grunderkrankung. Alle Antiarrhythmika können arrhythmogen wirken, also selbst Arrhythmien auslösen. Daher ist die Indikation streng zu stellen und der Einsatz, gerade der Klasse-I-Antiarrhythmika, zurückgegangen.

Die Klasse-I-Antiarrhythmika sind Natriumkanalblocker. Durch die Blockade der spannungsabhängigen schnellen Natriumkanäle stabilisiert sich das Membranpotenzial und dies »verlangsamt« die Erregungsleitung.

Bei Ia-Wirkstoffen wie Ajmalin (Rauwolfia-Alkaloid) sind die Natriumkanäle länger refraktär. Eine erneute Erregung kann nur verzögert einsetzen, der Kaliumausstrom wird gehemmt und das Aktionspotenzial verlängert sich. Das führt im EKG zu einer QRS-Verbreiterung und QT-Zeit-Verlängerung. Der QRS-Komplex spiegelt die Erregung des Herzens wider und sollte die Dauer von etwa 80 msec nicht überschreiten. Eine Verbreiterung des QRS-Komplexes steht für eine Verlängerung der Erregungsleitung. Die QT-Zeit umfasst im EKG den QRS-Komplex bis zur T-Welle und beschreibt damit die komplette Erregung des Herzens bei einem Herzschlag; eine zu kurze QT-Zeit führt zur Tachykardie, eine QT-Zeit-Verlängerung zur Bradykardie. Die Klasse-Ib-Antiarrhythmika verkürzen die Refraktärzeit der Natriumkanäle und damit die QT-Zeit. Klasse-Ia- und -Ib-Antiarrhythmika werden selten und eher stationär eingesetzt.

Die Klasse Ic ist vergleichbar zur Klasse Ia; allerdings wird der Kaliumausstrom nicht beeinträchtigt, wodurch die QT-Zeit unverändert bleibt. Hierzu zählt der Wirkstoff Flecainid, der in der ambulanten Praxis eine Bedeutung hat (Tabelle 1).

Als Natriumkanalblocker dämpft Flecainid die Herzmuskelaktivität und verlangsamt die Herzfrequenz. Die Metabolisierung findet über das Cytochrom-P450-System und insbesondere über das Isoenzym CYP2D6 statt. Metaboliten werden renal eliminiert. Deshalb ist besonders auf potenzielle Interaktionen mit Arzneistoffen zu achten, die über das gleiche Isoenzym verstoffwechselt werden. Typische Nebenwirkungen sind Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Sehstörungen und Mundtrockenheit. Der Arzneistoff darf nach einem »frischen« Herzinfarkt und bei Störungen des Elektrolythaushalts nicht angewendet werden. Diese zweite Kontraindikation ist unbedingt zu beachten und wichtig für Medikationsanalysen in der Apotheke.

Betablocker bilden die Klasse-II-Antiarrhythmika. Sie verringern die adrenerge Erregbarkeit am Herzen und wirken somit negativ chronotrop (Verringerung der Herzfrequenz), negativ dromotrop (Verlangsamung der Erregungsleitung) und negativ inotrop (Senkung der Kontraktionskraft). Da diese Arzneistoffgruppe gut bekannt ist, wird sie hier nicht weiter beschrieben.

Zu den Klasse-III-Wirkstoffen zählt der häufig verwendete Kaliumkanalblocker Amiodaron. Er hemmt den Kaliumausstrom während der Repolarisation, wodurch sich das Aktionspotenzial verlängert. Weitere Wirkungen sind die Hemmung von muskarinergen Rezeptoren und Natriumkanälen. Die komplexen Wirkmechanismen von Amiodaron sind noch nicht vollständig geklärt.

Amiodaron hat eine schlechte Bioverfügbarkeit, die variabel zwischen 20 und 80 Prozent liegt und eine Einstellung schwierig und langwierig macht. Die sehr regelmäßige Einnahme zu oder nach einer Mahlzeit ist essenziell. Die Elimination findet über die Leber vorwiegend über CYP 3A4 und CYP 2C8 statt; die Eliminationshalbwertzeit beträgt einen bis zwei Monate (!). Besonders wichtig ist die Prüfung von potenziellen Interaktionen mit vorhandener Dauermedikation, bevor Amiodaron über sieben bis 21 Tage auf die gewünschte Wirkung »auftitriert« wird. Interaktionen können aufgrund der langen Eliminationszeit lange anhalten.

Besondere Nebenwirkungen sind mögliche Ablagerungen an der Hornhaut, die das Sehvermögen aber nicht beeinflussen und nach Absetzen reversibel sind. Das Apothekenteam sollte unbedingt auf die erhöhte Sonnenbrandgefahr hinweisen, die bei hellhäutigen Menschen besonders ausgeprägt ist. Amiodaron kann schwere Lungenschäden hervorrufen und beeinflusst die Schilddrüsenwerte, da es zu etwa 35 Prozent an Iod gebunden ist. Amiodaron hat also viele Anwendungsgebiete, aber auch viele teils schwere Nebenwirkungen, die zu einer schlechten Akzeptanz des Arzneistoffs führen.

In der Klasse IV (Calciumantagonisten) hat als Antiarrhythmikum nur noch Verapamil eine Bedeutung. Es wird bei supraventrikulären Tachykardien eingesetzt und hat als weitere Indikationen das chronische Koronarsyndrom und Angina pectoris. Verapamil wird zu 90 Prozent resorbiert, unterliegt jedoch einem hohen First-pass-Effekt, was zu Therapiebeginn nur zu einer Bioverfügbarkeit von 10 bis 20 Prozent führt; diese steigt bei Dauertherapie auf etwa 40 Prozent. Das ist bei der Dosisfindung zu beachten.

Verapamil wirkt negativ auf die Erregungsbildung im Herzen (negativ chronotrop), senkt stark die Erregungsleitung (stark negativ dromotrop), senkt die Kontraktion des Herzmuskels (negativ inotrop) und bewirkt außerdem eine geringe arterielle Gefäßerweiterung. Diese pharmakologischen Eigenschaften können aber zur Nebenwirkung einer Bradykardie (bis hin zu einem AV-Block 3. Grades) führen. Typische Nebenwirkungen wie Hypotension, Obstipation, Kopfschmerz und Schwindel sind gerade zu Beginn der Therapie recht häufig.

Im Rahmen der Interaktionsprüfung ist die Hemmung des Cytochrom-P450-Isoenzyms 3A4 durch Verapamil zu berücksichtigen, da hierdurch auch schwerwiegende Interaktionen mit anderen Arzneistoffen zu erwarten sind.

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