Von der Glaubens- zur Gerichtssache |
Daniela Hüttemann |
07.06.2019 14:56 Uhr |
Wirken Globuli oder nicht? Das ist nicht nur eine naturwissenschaftliche, sondern auch eine juristische Frage. / Foto: Imago/Imagebroker
Bereits im Juni vergangenen Jahres hat die Organisation »Center for Inquiry«, die sich nach eigenen Angaben der Verbreitung von Vernunft und Wissenschaft verschrieben hat, Amerikas größte Apothekenkette CVS wegen Betrugs verklagt. Der Grund: Die Homöopathika stehen dort direkt neben anderen Arzneimitteln, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte. Auch auf der Website wurden Homöopathika und Arzneimittel gleichwertig präsentiert. Dabei wisse der Konzern, dass Homöopathika keinen Wirknachweis vorweisen können, lautet der Vorwurf der Organisation. Der Verbraucher könne den Unterschied zu Arzneimitteln mit Wirksamkeitsnachweis jedoch nicht erkennen.
Aus demselben Grund hat die Organisation nun auch Walmart, eines der umsatzstärksten Unternehmen der Welt, verklagt. In seinen Supermarktfilialen in den USA verkauft Walmart ebenfalls homöopathische und klassische Arzneimittel direkt nebeneinander, genau wie in seinem Online-Shop. Dadurch werde eine nicht vorhandene Wirksamkeit und Sicherheit der Homöopathika suggeriert, so das Center of Inquiry. Falle die Wahl des Verbrauchers auf ein Homöopathikum zu Ungunsten einer evidenzbasierten Behandlung, könne dies zu einer Verschlimmerung oder Verlängerung der Symptome führen bis hin zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, warnt die Organisation in einer Pressemitteilung.
Wie die Fälle ausgehen und ob daraus Konsequenzen erwachsen, bleibt abzuwarten. Das Center of Inquiry hat in beiden Fällen im Namen der Öffentlichkeit im District of Columbia geklagt mit Berufung auf den »District of Columbia's Consumer Protections Procedures Act« (CPPA). Eine Entscheidung zugunsten der Klägerin würde sich nur auf drei Walmart-Filialen im District of Columbia (rund um die Hauptstadt Washington) auswirken, schreibt die Anwältin Jann Bellamy von der Society for Science-Based Medicine, bezüglich des Online-Shops könnte sie jedoch größere Wellen schlagen.
Dr. Edzard Ernst, Ex-Homöopath, Emeritus-Professor für Komplementärmedizin an der Universität Exeter und einer der bekanntesten Homöopathie-Kritiker, begrüßte die Klagen in einem Kommentar auf seiner Website. Die Gefahren dieser Heilmethoden sowie anderer sogenannter alternativer Arzneien (von Ernst als SCAM abgekürzt) sollten am besten über den Rechtsweg angegangen werden, schreibt Ernst. Die tausendfachen wissenschaftlichen Publikationen zu Ungunsten der Homöopathie hätten nur wenig Fortschritte in der Praxis gebracht.
In Deutschland äußern sich unter anderem auch die Ärztin und Ex-Homöopathin Dr. Natalie Grams und der Apotheker und Gesundheitswissenschaftler Professor Dr. Gerd Glaeske regelmäßig kritisch zur Homöopathie. Das hat ihnen vor Kurzem Abmahnungen durch den Homöopathie-Hersteller Hevert eingebracht. Am 26. Mai postete das Unternehmen auf seiner Facebook-Seite:
»Mit Sorge sieht Hevert, dass in anderen Ländern wie England erst Lobbygruppen mit Diskreditierungen und danach die Politik mit gesetzlichen Einschränkungen gegen Homöopathie vorgehen.« Damit dies nicht auch in Deutschland, dem Mutterland der Homöopathie, geschehe, gehe Hevert nun auch auf juristischem Weg gegen aus seiner Sicht ungerechtfertigte Diskreditierungen von Homöopathie durch Lobbygruppen vor, die auch dem eigenen Unternehmen schaden könnten.
Grams hatte zuvor aufgrund einer Aussage in einem Interview mit der Zeitung »Die Rheinland-Pfalz« eine Unterlassungserklärung von Hevert bekommen. Dabei geht es um ihre Antwort auf die Frage: »Machen wir es kurz: Wirken Homöopathika?« Grams: »Nicht über den Placebo-Effekt hinaus.« Grams soll sich jetzt verpflichten, diese Aussage in der Öffentlichkeit nicht mehr zu treffen. Sollte sie die Unterlassungserklärung unterzeichnen, müsste sie sonst bei jeder Zuwiderhandlung 5.100 Euro an Hevert zahlen. Grams hatte den Vorfall in den sozialen Medien öffentlich gemacht und auf Twitter kommentiert: »Was sagen wir, wenn die #Homöopathie-Pharma versucht uns mundtot zu machen? Not today.«
Auch Glaeske erhielt ein Schreiben von Hevert. Er soll laut »Spiegel«-Bericht in einer ARD-Sendung gesagt haben »bei homöopathischen Mitteln fehlt bisher grundsätzlich bei allen Mitteln, die homöopathisch daherkommen, ein Wirksamkeitsnachweis«. Außerdem habe er gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« betont, dass ein Zirkelschluss als Wirksamkeitsnachweis wissenschaftlich gesehen nicht akzeptabel sei.
Damit bezieht er sich auf eine regulatorische Finesse: Bei den Homöopathika reicht ein sogenannter Binnenkonsens aus, um als Homöopathikum für eine bestimmte Indikation zugelassen zu werden. Das bedeutet, die Homöopathen müssen sich einig sein und der Hersteller kann sich auf das Homöopathische Arzneibuch berufen. Klinische Studien mit Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wie herkömmliche Arzneimittel sie durchlaufen müssen, müssen Homöopathika für eine Zulassung nicht nachweisen – und damit auch keine wissenschaftliche Evidenz. Juristisch betrachtet können sich die Hersteller jedoch durch Berufung auf das Homöopathische Arzneibuch den Wirksamkeitsnachweis selbst attestieren. Und da dies derzeit geltendes Recht ist, hat Glaeske laut »Spiegel« die Unterlassungserklärung unterzeichnet. Die regulatorischen Aspekte waren auch am 24. Mai beim Thüringer Apothekertag in Weimar diskutiert worden.