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E-Zigaretten in den USA

Vitamin-E-Acetat vermutlich schädlicher Inhaltsstoff

Die zahlreichen Lungenerkrankungen und bislang fast 40 Todesfälle infolge von E-Zigarettenkonsum in den USA sind höchstwahrscheinlich durch Vitamin-E-Acetat verursacht worden. Die US-Gesundheitsbehörde CDC fand den Inhaltsstoff in sämtlichen Proben von 29 Patienten aus zehn US-Bundesstaaten.
Annette Mende
11.11.2019  13:38 Uhr

Die Ursache der derzeit in den USA grassierenden mysteriösen Lungenerkrankungen bei Nutzern von E-Zigaretten ist vermutlich gefunden. Wie die Gesundheitsbehörde CDC am Freitag mitteilte, erhärtet sich der Verdacht gegen Vitamin-E-Acetat. Dieser war bereits vor einigen Wochen aufgekommen, als die Substanz in Liquids gefunden worden war, die Erkrankte zuvor geraucht hatten. Nun hat die CDC Proben von Erkrankten analysiert und darin Vitamin-E-Acetat in allen Fällen nachgewiesen.

Bei den Proben handelt es sich um Flüssigkeiten, die bei 29 Patienten mit Lungensymptomen nach E-Zigarettenkonsum durch bronchoalveoläre Lavage gewonnen wurden. Zwei der Patienten, die aus zehn verschiedenen US-Bundesstaaten stammten, verstarben im weiteren Verlauf. In der Mehrzahl der Proben wurde neben Vitamin-E-Acetat der Cannabis-Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) nachgewiesen, auch bei Patienten, die angegeben hatten, kein THC-haltiges Produkt konsumiert zu haben. Nicotin-Metabolite fanden sich in 16 von 26 Proben. Alle anderen getesteten Inhaltsstoffe – lang- und mittelkettige Triglyceride, Petroleumdestillate und Terpene – waren lediglich in Konzentrationen unter der Nachweisgrenze enthalten.

Mit Vitamin-E-Acetat habe man erstmals einen potenziellen Giftstoff identifiziert, der für die Lungenerkrankungen verantwortlich sein könnte, so die CDC. Die Ergebnisse belegten, dass die Substanz »am Ort der Schädigung« vorgelegen habe. Momentan sehe es so aus, als ob Vitamin-E-Acetat die Schäden verursacht habe. Ob dies tatsächlich der Fall ist, müsse nun aber in weiteren Studien untersucht werden.

Mechanismus noch unbekannt

Über einen möglichen toxikologischen Mechanismus stellte weder die CDC noch zuvor die US-Arzneimittelaufsicht FDA Mutmaßungen an. Vitamin-E-Acetat ist ein synthetisches Derivat von Vitamin E, das im Körper zu Vitamin E umgewandelt wird. Von Letzterem ist bekannt, dass es thermisch zu sehr reaktiven Verbindungen mit Epoxid- und Chinon-Struktur zersetzt wird (»Lipids« 2001, DOI: 10.1007/s11745-001-0777-6). Solche Substanzen könnten lokal toxische Effekte in der Lunge verursachen.

Lungenerkrankungen infolge E-Zigarettenkonsums werden von der CDC unter dem Begriff EVALI subsummiert (E-Cigarette, or Vaping, Product Use-Associated Lung Injury). Bislang sind in den USA laut Nachrichtenagentur dpa mehr als 2000 Personen an EVALI erkrankt und davon 39 gestorben. Die Symptome sind unspezifisch und reichen von Atembeschwerden, Atemnot und Brustschmerzen bis hin zu Fällen von Magen-Darm-Erkrankungen mit Erbrechen und Durchfall.

Aus Deutschland sind bislang keine Fälle von EVALI bekannt geworden. Dies liegt vermutlich an den deutlich strengeren Vorschriften, die hierzulande gemäß Tabakerzeugnisgesetz für die Zusammensetzung von nicotinhaltigen Liquids gelten. Vitamine und andere Stoffe, die »einen gesundheitlichen Nutzen suggerieren« sind ebenso verboten wie bestimmte Aromastoffe und beispielsweise Coffein. Erlaubt sind neben Nicotin lediglich »Inhaltsstoffe, die in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen«. Eine Auflistung verbotener Inhaltsstoffe ist in der Anlage 2 zur Tabakerzeugnisverordnung zu finden.

Vorsicht bei nicotinfreien Liquids

Gegenüber der Zeitung »Die Welt« wies jedoch Dr. Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aktuell auf eine Regelungslücke hin, die besonders für Jugendliche bedeutsam sein könnte: Nicotinfreie Liquids unterlägen nicht dem Tabakrecht. Daher dürften sie Vitamine enthalten und auch an Minderjährige verkauft werden.

Angesichts der neuen Erkenntnisse bekräftigte die CDC ihre Warnung vor THC-haltigen Liquids, insbesondere solchen aus nicht offiziellen oder illegalen Quellen. Vitamin-E-Acetat solle bis zur Klärung eines möglichen Zusammenhangs keinen Liquids zugesetzt werden. In Deutschland hatte das BfR kürzlich in einer Einschätzung keine erhöhten Risiken bei der Nutzung von Produkten, die den europäischen und deutschen Regelungen entsprechen, gesehen. Vor dem Selbstmischen von Liquids hatte das BfR allerdings gewarnt.

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