Verhütung und Kinderwunsch |
Hurra: schwanger! Frauen und Männer mit chronischen Erkrankungen müssen dies besonders gut planen. / Foto: Adobe Stock/Andrii Zastrozhnov
Eine erfüllte Sexualität ist unmittelbar mit Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität verknüpft (1) und umfasst auch die wichtigen Themenbereiche Familienplanung und Verhütung sowie Schwangerschaft und Geburt (2). In gleichem Maß wie für Gesunde gilt dies für Menschen mit chronischen Erkrankungen. Diese Gruppe ist groß: In der GEDA-(Gesundheit in Deutschland Aktuell-)Studie des Robert-Koch-Instituts gaben im Jahr 2012 in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre 20,8 Prozent der Frauen und 17,5 Prozent der Männer an, von mindestens einer chronischen Krankheit betroffen zu sein. In der Altersgruppe 30 bis 44 Jahre waren es 29,7 sowie 27,6 Prozent (3).
Nicht jede chronische Erkrankung wirkt sich auf Schwangerschaftsverhütung oder Familienplanung aus. Dennoch gilt es in einigen Fällen, Besonderheiten zu berücksichtigen und/oder Therapien entsprechend zu planen. Die wichtigsten Aspekte werden im Folgenden diskutiert.
Für viele chronisch erkrankte Männer und Frauen im reproduktionsfähigen Alter spielen die Familienplanung und der Erhalt der Fruchtbarkeit bei Therapieentscheidungen eine wichtige Rolle. Diese Themen sollte der behandelnde Arzt idealerweise bereits zu Beginn der Behandlung ansprechen.
Andererseits kann die Empfängnisverhütung unter bestimmten Therapien zwingend erforderlich oder aber dadurch in ihrer Wirkung beeinträchtigt sein. Auch hier besteht ein hoher Beratungsbedarf in der Apotheke und beim Arzt.
Schwangerschaften sollten insbesondere bei chronisch erkrankten Frauen möglichst nicht spontan auftreten, sondern in Rücksprache mit dem Arzt geplant werden. Dann ist es möglich, die Therapie – falls erforderlich – vorab anzupassen.
Die meisten chronischen Erkrankungen müssen in der Schwangerschaft weiterbehandelt werden. In manchen Fällen beeinflusst die Schwangerschaft den Krankheitsverlauf aufgrund von Veränderungen des Hormonhaushalts, des Immunsystems oder der metabolischen Situation. Hierbei sind sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen möglich. Dies kann eine Umstellung der Therapie erforderlich machen und muss spätestens ab dem Auftreten eines Kinderwunschs beachtet werden.
Da Apotheker regelmäßigen Kontakt mit chronisch Erkrankten haben, wissen sie oftmals, ob ein Kinderwunsch besteht. Dann sollten sie in der Beratung auf die genannten Aspekte vorsorglich hinweisen.
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Ist bei einem Elternteil oder einem nahen Verwandten eine Erbkrankheit (chromosomale, monogene oder polygene Erkrankung) aufgetreten, besteht oft die Sorge, dass diese Erkrankung an das Kind weitergegeben wird. Ob das tatsächlich der Fall sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ist der Erbgang dominant, beispielsweise bei Chorea Huntington oder bestimmten Formen der Neurofibromatose, wird das Kind das krank machende Gen mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit erben. Ist er dagegen rezessiv, müsste das defekte Gen für einen Ausbruch der Erkrankung bei beiden Elternteilen vorliegen.
Liegt die entsprechende Anlage auf dem X-Chromosom und ist der Erbgang rezessiv, erkranken vorrangig männliche Nachkommen, während Frauen lediglich als Überträgerinnen fungieren. Bekanntestes Beispiel sind die Hämophilien.
In vielen Fällen lässt sich die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Erbkrankheit auftritt, durch Spezialisten für Humangenetik näher bestimmen. Betroffene Paare sollten daher diese Möglichkeit zur Beratung wahrnehmen.
Mit den verbesserten Heilungschancen bei Krebs überleben immer mehr Kinder und junge Erwachsene diese schwere Erkrankung. Umso wichtiger wird der Erhalt der Fruchtbarkeit bei der Therapie von onkologischen Erkrankungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (4).
Tumoren, bei denen die Geschlechtsorgane direkt betroffen sind und daher ganz oder teilweise entfernt werden müssen, treten bei Frauen größtenteils erst im höheren Lebensalter auf (Ovarial-, Endometrium- und Zervixkarzinom). Das Hodenkarzinom dagegen ist bei Männern zwischen dem 14. und 44. Lebensjahr der häufigste maligne Tumor (5). Es ist aber meist nur ein Hoden betroffen, sodass die Fruchtbarkeit normalerweise nicht beeinträchtigt ist. Jedoch können Bestrahlung und Chemotherapie die Keimzellen nachhaltig schädigen.
Erkranken junge Menschen an Krebs, muss bei jeglicher Therapie an den Fertilitätserhalt gedacht werden. Ärzte sollten dies frühzeitig mit dem Patienten besprechen. / Foto: Fotolia/Alexander Raths
Bis zu ein Drittel der Kinder mit Tumoren erleidet therapiebedingte Einschränkungen der Fertilität (6). Nach Stammzelltransplantation mit vorausgehender Hochdosis-Chemotherapie sind es sogar bis zu zwei Drittel (7). Männliche Keimzellen sind stärker gefährdet als weibliche, da Letztere bereits vollständig angelegt sind und sich nicht mehr teilen (4). Allgemein ist das Risiko von Spätschäden vor Eintritt der Pubertät geringer als postpubertär (8). Besonders risikoreich sind Bestrahlungen des Beckenbereichs, ein mittleres Risiko besteht bei den meisten Alkylanzien sowie Topoisomerase-II-Hemmstoffen und einigen Mitosehemmern (4, 9). Darüber hinaus kann eine Schädelbestrahlung auch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse so sehr schädigen, dass ein hypogonadotroper Hypogonadismus resultiert (10).
Präpubertär sind bisher kaum präventive Maßnahmen zum Fertilitätserhalt verfügbar. Es sind experimentelle Methoden der Kryokonservierung sowohl für präpubertäres Ovar- (11) als auch immatures Hodengewebe beschrieben (12). Nach Einsetzen der Pubertät sowie im Erwachsenenalter besteht bei Mädchen und Frauen die Möglichkeit der Kryokonservierung von unbefruchteten oder befruchteten Eizellen, die nach hormoneller Stimulation entnommen wurden, oder von Ovarialgewebe, das später retransplantiert wird (9). Bei Jungen und Männern erfolgt die Gewinnung von Spermien mittels Ejakulation oder Hodenbiopsie als Fertilitätsreserve für spätere Verfahren der assistierten Reproduktion (13).
Zur hormonellen Verhütung nach hormonabhängigen Tumoren gibt es kaum sichere Daten. Keine Kontraindikation besteht dagegen bei der Notfallkontrazeption mit Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. / Foto: Adobe Stock/Prostock-studio
Immer wieder tritt die Frage auf, welche Verhütungsmethoden Frauen mit hormonabhängigen Tumoren, vor allem Mammakarzinom, in der Anamnese anwenden können. Leider gibt es kaum aussagekräftige Daten, inwieweit hormonelle Verhütungsmethoden das Rezidivrisiko tatsächlich beeinflussen. Aus Vorsichtsgründen empfehlen die Autoren der S3-Leitlinie zum Mammakarzinom, die Risiken einer hormonellen Kontrazeption sorgfältig abzuwägen und, falls möglich, andere Methoden zu verwenden (14). Empfehlenswert sind zum Beispiel Barrieremethoden wie Kondom und Diaphragma oder hormonfreie Intrauterinpessare (Kupferspirale).
Bei der hormonellen Notfallkontrazeption besteht bei Frauen nach hormonabhängigen Tumoren dagegen weder für Levonorgestrel noch für Ulipristalacetat eine Kontraindikation, da die einmalige Hormonbelastung als weniger risikoreich eingestuft wird. Für Frauen, die sichergehen wollen, kommt auch hier die Kupferspirale als Alternative in Betracht.
Bei Multipler Sklerose (MS), Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Asthma sowie Diabetes mellitus gibt es bezüglich der Wahl einer geeigneten Kontrazeptionsmethode keine grundsätzlichen Einschränkungen. Haben die Frauen Risikofaktoren für Thrombosen, zum Beispiel starkes Übergewicht, sollte bei hormonellen Kontrazeptiva aber eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen.
Für Frauen mit Asthma ist die Datenlage nicht eindeutig. Obwohl Fallberichte über eine Verschlechterung der Erkrankung durch hormonelle Kontrazeptiva vorliegen (15), deuten neuere Studiendaten aus einer Querschnittsstudie eher auf eine Besserung hin (16).
Bei einem systemischen Lupus erythematosus (SLE) sollten gemäß Empfehlung der EULAR (European League against Rheumatism) Estrogen-haltige Kontrazeptiva nur verwendet werden, wenn die Erkrankung gut kontrolliert ist. Außerdem sollte der Arzt ausschließen, dass im Blut der Frau Antiphospholipid-Antikörper vorhanden sind. Diese sind häufig mit SLE assoziiert und erhöhen das Thromboserisiko (17).
Frauen mit Multipler Sklerose (MS) sind in ihrer Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigt. Eine Schwangerschaft wirkt sich für deren Dauer oft sogar positiv auf die Schubrate aus (18). Einige MS-Therapeutika sind jedoch während der Schwangerschaft ungeeignet, sodass ein Pausieren beziehungsweise, falls dies aufgrund einer hohen Krankheitsaktivität nicht vertretbar ist, vorab eine Umstellung erfolgen sollte. Dies gilt für die häufig eingesetzten Beta-Interferone, Glatirameracetat sowie Dimethylfumarat.
Sphingosin-1-Rezeptor-Modulatoren wie Fingolimod erhöhen das Fehlbildungsrisiko, sind in der Schwangerschaft daher kontraindiziert und sollten etwa drei Monate vor geplantem Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt werden. Für therapeutisch wirksame Antikörper wie Rituximab (off Label) und Ocrelizumab sowie Mitoxantron beträgt dieser Zeitraum vier Monate. Bei hoher Krankheitsaktivität kann die Therapie mit Interferonen, Glatirameracetat und in Einzelfällen auch mit Natalizumab fortgeführt werden (19).
Männer sollten unter Behandlung mit Teriflunomid, Cladribin und Mitoxantron aufgrund der Teratogenität sowie bis zu sechs Monate danach kein Kind zeugen. Cladribin und Mitoxantron beeinflussen darüber hinaus die Spermatogenese; daher sollten Patienten mit Kinderwunsch vor Beginn der Therapie gegebenenfalls die Möglichkeit der Kryokonservierung nutzen (19).
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Eine optimierte Krankheitseinstellung vor und während der gesamten Schwangerschaft ist auch bei Frauen mit Diabetes ganz entscheidend. Denn eine schlecht kontrollierte Stoffwechsellage mit häufigen Hypo- und/oder Hyperglykämien (insbesondere postprandial) führt nicht nur zu einer gegenüber nicht-diabetischen Frauen erhöhten Rate an Fehlbildungen, insbesondere Neuralrohrdefekten und Herzfehlern, sowie Spontanaborten (26). Sie birgt zudem ein erhöhtes Risiko für uteroplazentare Versorgungsprobleme, Harnwegs- und Scheideninfektionen, Hypertonie und Frühgeburten. Ein hohes Geburtsgewicht kann die Entbindung per Kaiserschnitt notwendig machen und sich langfristig auf die Gesundheit von Mutter und Kind auswirken: Die Wahrscheinlichkeit, dass im späteren Leben Übergewicht und/oder Diabetes auftreten, steigt deutlich.
Nach Möglichkeit sollte bereits vor, spätestens aber mit Eintritt der Schwangerschaft auf eine Therapie mit Humaninsulin umgestellt werden. Ist eine Patientin stabil auf kurzwirksame Insulinanaloga oder das Langzeitinsulin detemir eingestellt, so ist keine Umstellung erforderlich. Dagegen fehlen verlässliche Daten zu anderen Langzeitinsulinen sowie oralen Antidiabetika einschließlich Metformin (27). Optimal ist eine intensivierte Insulintherapie (ICT) oder eine Insulinpumpe (26).
Die hormonelle Umstellung während der Schwangerschaft kann die Einstellung eines konstanten Blutzuckerspiegels erschweren. Im ersten Trimenon besteht eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Insulin, weshalb insbesondere in der 8. bis 15. Schwangerschaftswoche verstärkt auf Hypoglykämien geachtet werden muss. Danach steigt der Insulinbedarf durch die dann auftretende Insulinresistenz stark an (um 50 bis 100 Prozent), fällt aber nach der Geburt schlagartig wieder ab (26). Die Frau sollte ihren Blutzuckerspiegel sehr häufig bestimmen (vor und nach den Mahlzeiten und sportlichen Aktivitäten, vor dem Schlafengehen und hin und wieder auch nachts) und die Insulindosis entsprechend anpassen. Eine engmaschige Kontrolle durch den Gynäkologen und den Diabetologen ist in jedem Fall empfehlenswert.
Rheumatische Erkrankungen beeinflussen die Fruchtbarkeit per se nicht, unter Umständen jedoch die verwendeten Arzneimittel. Bei einigen rheumatischen Erkrankungen, unter anderem dem SLE, besteht ein höheres Risiko sowohl für die Mutter (vermehrtes Auftreten von Schüben) als auch den Feten (Fehl- und Frühgeburten, Herzfehler) (20). Bei der Rheumatoiden Arthritis (RA) hingegen ist die Erkrankungsaktivität in der Schwangerschaft tendenziell vermindert, verschlechtert sich aber nach der Geburt (21). In jedem Fall sollte eine Schwangerschaft möglichst in einer gut kontrollierten Erkrankungsphase eintreten.
Manche Dauermedikationen erfordern einen hohen kontrazeptiven Schutz. Dann sollte das Paar auf zwei Verhütungsmethoden setzen. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Während der Schwangerschaft wird die Therapie fortgesetzt. Ein im Auftrag der EULAR erstellter systematischer Review ergab, dass zahlreiche antirheumatische Arzneimittel weiterhin zum Einsatz kommen können. Dazu gehören unter anderem Glucocorticoide (aufgrund der geringeren Plazentagängigkeit vorzugsweise Prednison/Prednisolon), Sulfasalazin, Hydroxychloroquin und Azathioprin. Tumornekrosefaktor-(TNF-)Inhibitoren können zumindest in der ersten Hälfte der Schwangerschaft sicher verwendet werden. Dagegen wirken Cyclophosphamid, Methotrexat (MTX) und Mycophenolat teratogen und müssen vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden (22). Frauen sollten nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) nach der 28. Schwangerschaftswoche aufgrund der Gefahr eines vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus botalli ebenfalls nicht mehr einnehmen.
Daten zur Beeinflussung der Spermatogenese durch Antirheumatika sind nur spärlich vorhanden. Eine reversible Beeinträchtigung ist für Sulfasalazin und selten auch für MTX beschrieben. Cyclophosphamid kann in hohen Dosen sogar eine irreversible Infertilität verursachen, deren Wahrscheinlichkeit und Dauer sich aber leider nicht voraussagen lässt (23).
Die meisten asthmakranken Frauen bemerken während der Schwangerschaft keine Veränderung ihrer Erkrankung. Auch die Komplikationsrate ist nicht höher als bei lungengesunden Schwangeren. Lediglich die Kaiserschnittrate ist bei Frauen mit schwerem Asthma etwas erhöht.
Die Frau sollte ihre Therapie wie gewohnt fortsetzen, um eine gute Asthmakontrolle aufrechtzuerhalten, sowie Faktoren, die eine Exazerbation begünstigen (wie extreme körperliche Anstrengung oder Infektionen), möglichst vermeiden. Grundsätzlich entsprechen die Therapieempfehlungen den allgemeinen Empfehlungen des Stufenplans (24). Laut Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité, sollten bevorzugt Wirkstoffe zum Einsatz kommen, für die eine langjährige Erfahrung besteht (25).
Spezielles Augenmerk erfordert die antiepileptische Therapie bei Frauen im gebärfähigen Alter. Einerseits wirken einige Antiepileptika nachgewiesen teratogen, was eine sichere Verhütung nötig macht. Das betrifft in erster Linie Valproat, das eine dosisabhängige Fehlbildungsrate von 6 bis 10 Prozent aufweist (28) und daher möglichst vermieden oder zumindest auf Tagesdosen unter 1000 mg beschränkt werden sollte (29). In geringerem Maß sind auch die meisten anderen Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon und Phenytoin betroffen.
Mit Beginn der Pubertät sollte man daher versuchen, auf neuere Antiepileptika umzustellen, wenn möglich als Monotherapie (30). Deren Risiko für den Fetus ist geringer, wenn auch, vor allem als Bestandteil von Kombinationstherapien, nicht gleich null (31). Mittel der Wahl sind Lamotrigin und Levetiracetam (30).
Viele Frauen sorgen sich wegen ihrer antiepileptischen Medikation. Das pharmazeutische Personal kann die Adhärenz mit dem Hinweis fördern, dass Anfälle in der Schwangerschaft ein deutlich größeres Risiko für das ungeborene Kind bergen und die Arzneimittel keinesfalls ohne Rücksprache abgesetzt werden dürfen. Besonders wichtig ist eine Folsäuresubstitution (32).
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist das Interaktionspotenzial zwischen Antiepileptika und hormonellen Kontrazeptiva. Insbesondere ältere Arzneistoffe fungieren als starke Enzyminduktoren, können dadurch die Wirkung der Kontrazeptiva deutlich vermindern und so ungewollte Schwangerschaften provozieren (Tabelle). Das gilt nicht nur für die klassische »Pille«, sondern auch für andere systemisch wirkende Darreichungsformen wie Pflaster, Ring oder Implantat (33). Auch die manchmal propagierte Verordnung von oralen Kontrazeptiva mit höherer Estrogen-Dosis und/oder höherem Gestagen-Anteil bietet oft keine ausreichende Sicherheit. Daher sollte der Gynäkologe andere Verhütungsmethoden empfehlen, beispielsweise ein Intrauterinpessar mit lokaler Gestagen-Abgabe. Kommt dies nicht in Betracht, kann auf die doppelte Dosis eines niedrig dosierten Präparats ausgewichen werden. Die Einnahme erfolgt bevorzugt im Langzyklus (ohne Einnahmepause) (30).
Interaktion | Arzneistoffe |
---|---|
starke Enzyminduktion (hoher Wirkungsverlust der Kontrazeptiva) | CarbamazepinPhenytoinPhenobarbitalPrimidonFelbamatTopiramat (Dosen über 200 mg) |
schwache Enzyminduktion (geringer Wirkungsverlust) | EtosuximidOxcarbazepinLamotriginCenobamat |
kein Wirkungsverlust | ValproinsäureClonazepamClobazamEthosuximidGabapentin, TiagabinVigabatrinLacosamidTopiramat (Dosen bis 200 mg) |
Eine weitere Interaktion muss bei Lamotrigin beachtet werden: Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva steigern die Glucuronidierung und damit die Clearance dieses Arzneistoffs, sodass eine höhere Dosis für eine gesicherte Anfallsfreiheit erforderlich ist. In der Einnahmepause des Kontrazeptivums kann dagegen der Wirkspiegel sprunghaft ansteigen und Nebenwirkungen verursachen. Die Frau sollte unter Lamotrigin daher eine andere Verhütungsmethode nutzen (35) oder das hormonelle Kontrazeptivum im Langzyklus einnehmen (30).
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa können mit Resorptionsstörungen verbunden sein. Bei gut kontrollierter Erkrankung ist die orale Einnahme hormoneller Kontrazeptiva meist möglich, da die Resorption der Wirkstoffe innerhalb von zwei bis drei Stunden in den proximalen Dünndarmabschnitten erfolgt. Entzündungen treten dagegen meist in weiter distal liegenden Abschnitten auf. Im akuten Schub oder bei schweren Verläufen kann jedoch die Magen-Darm-Passage so weit beschleunigt sein, dass eine sichere Kontrazeption nicht gewährleistet ist. Daher sollten Arzt und Patientin individuell entscheiden.
Alternativen zur »Pille« sind beispielsweise ein Verhütungsring oder Gestagen-Implantat. Die Einlage einer Spirale, besonders einer Kupferspirale, sollte aufgrund der entzündlichen Prozesse im Bauchraum nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen (34).
Die Frau sollte, wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch, nach Möglichkeit während einer Remissionsphase schwanger werden (36). Die Aktivität der Erkrankung bei Eintritt der Schwangerschaft bleibt nämlich oft über deren Verlauf konstant (37). Zudem erhöht eine starke Krankheitsaktivität das Risiko für Frühgeburt, Fehlbildungen oder intrauterinen Kindstod.
Die Fertilität ist bei Männern und Frauen, die sich in Remission befinden, nicht vermindert. Eine aktive Erkrankung und Operationen im kleinen Becken können sie aber beeinträchtigen (36).
Die remissionserhaltende Therapie muss während der Schwangerschaft fortgeführt werden. Die Patientin sollte wissen, dass ein Krankheitsschub ein größeres Risiko für das ungeborene Kind darstellt (36). 5-Aminosalicylate (Mesalazin, Sulfasalazin) sind Mittel der Wahl. Unter den Immunmodulatoren sind Azathioprin und Ciclosporin am besten untersucht; auch TNF-α-Inhibitoren können eingesetzt werden – in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft aber nur in Ausnahmefällen (37). Bei Frauen sollte lediglich eine Therapie mit Methotrexat bei Kinderwunsch umgestellt werden. Tritt bei der Frau dennoch ein Schub auf, sollte dieser während der gesamten Schwangerschaft mit Glucocorticoiden therapiert werden (36, 37).
Bei betroffenen Männern sollte dagegen Sulfasalazin gemieden werden, da es die Spermienqualität reversibel beeinträchtigen kann (36).
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Adipositas schränkt die weibliche Fertilität ein. Unter anderem treten häufiger Zyklusstörungen sowie das polyzystische Ovarialsyndrom auf (38). Andererseits bergen Adipositas-assoziierte Erkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes mellitus in der Schwangerschaft ein erhebliches Risiko. Metabolisch-chirurgische Maßnahmen bieten bei ausgeprägter Adipositas eine Option, um eine starke nachhaltige Gewichtsabnahme und eine Normalisierung der Fertilität zu ermöglichen (39).
Postoperativ ist eine Schwangerschaft während der Phase der starken Gewichtsabnahme unbedingt zu vermeiden. Durch die veränderten Gegebenheiten im Magen-Darm-Trakt ist die Resorption von Makro- und Mikronährstoffen beeinträchtigt, sodass eine Mangelversorgung des ungeborenen Kindes droht. Ideal ist ein Abstand von mindestens zwei Jahren, mindestens jedoch von zwölf Monaten (39).
Veränderungen der Stimmungslage sind für Frauen ein häufiger Grund, die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva zu beenden (41). Die Datenlage bezüglich eines Zusammenhangs mit dem Auftreten depressiver Störungen ist bisher aber sehr unzureichend. Während frühere Studien keinen Zusammenhang ergaben (42, 43), fanden zwei neuere Studien eine positive Assoziation zwischen der Verordnung eines Antidepressivums und dem Auftreten von suizidalen Handlungen und Suizidversuchen (44, 45). Sicherheitshalber sollte das pharmazeutische Personal eine Frau vor Beginn einer hormonellen Kontrazeption darauf hinweisen, bei einer plötzlichen Veränderung der Stimmung, gerade zu Beginn, den Arzt aufzusuchen.
Bei bestehenden Depressionen ist dagegen keine Verschlechterung zu befürchten. Einige Studien weisen sogar auf eine Besserung der Symptome hin. Auch eine bipolare Störung wird offenbar nicht negativ beeinflusst (35).
Während es keine Hinweise darauf gibt, dass Psychopharmaka die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva beeinflussen, kann dies umgekehrt durchaus der Fall sein. Vermutlich inhibieren kombinierte orale Kontrazeptiva die Enzymaktivität von Cytochrom (CYP) 1A2 und führen so zu erhöhten Plasmaspiegeln. Dies kann in verstärkten unerwünschten Effekten, zum Beispiel von Imipramin, Amitriptylin, Clozapin und atypischen Antipsychotika, resultieren (35).
Verhütung und Familienplanung bei Männern und insbesondere Frauen mit chronischen Erkrankungen stellen besondere Herausforderungen für die Beratung dar. Der Apotheker kann über geeignete Verhütungsmethoden informieren sowie dazu raten, einen bestehenden Kinderwunsch mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. So kann die Therapie bei Bedarf rechtzeitig auf eine besser geeignete Option umgestellt werden. Ist die Schwangerschaft eingetreten, sollte die Frau zu einer konsequenten Fortsetzung der Therapie ermutigt werden, denn in fast allen Fällen stellt eine Verschlechterung der Erkrankung selbst das deutlich größere Risiko für das ungeborene Kind dar.
Dr. Katharina Holl studierte Pharmazie in Münster und wurde dort 2013 am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie promoviert. Seitdem ist sie im Bereich der Arzneimittelzulassung in der pharmazeutischen Industrie tätig, erwarb einen Mastertitel in Drug Regulatory Affairs an der Universität Bonn und ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation.