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Omikron

Variantenübergreifender Immunschutz nach Durchbruchinfektion

Infizieren sich Personen mit der Omikron-Variante, die mit Comirnaty® grundimmunisiert oder geboostert sind, können sie mit einer starken neutralisierenden Aktivität nicht nur gegen Omikron, sondern auch gegen andere besorgniserregende SARS-CoV-2-Varianten und sogar gegen SARS-CoV-1 rechnen. Die Infektion induziert eine robuste B-Gedächtniszell-Antwort und erweitert das durch die Impfung präformierte B-Zellen-Gedächtnis.
Theo Dingermann
05.04.2022  18:00 Uhr

Das hoch-infektiöse Omikron-Virus weist unter den SARS-CoV-2-Varianten die bisher meisten Mutationen auf, die auch relevante Positionen für die Bindung neutralisierender Antikörper am Spike-Protein (S-Protein) betreffen. Da stellt sich die Frage, wie sich eine Omikron-Durchbruchinfektion von Personen, die mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty geimpft wurden, auf das durch die Impfung gebildete B-Zell-Gedächtnis auswirkt.

Wissenschaftler um Dr. Jasmin Quandt von Biontech konnten in einer Arbeit, die jetzt auf dem Preprint-Server »BioRxiv« publiziert wurde, zeigen, dass durch die Infektion eine robuste B-Gedächtniszell-Antwort vermittelt wird, die in erster Linie das durch die Impfung präformierte B-Zell-Gedächtnis, also die Immunität gegen das Wuhan-Wildtypvirus, erweitert. Primär werden Epitope erkannt, die bei verschiedenen Virusvarianten vorkommen, und weniger neue B-Zellen gegen streng Omikron-spezifische Epitope induziert.

Für ihre Studien verwendeten die Wissenschaftler Blutproben aus der Bioprobensammlung der Comirnaty-Impfstoffstudien sowie aus einer Biobank mit prospektiv gesammelten Proben von geimpften Personen mit anschließender Omikron-Durchbruchinfektion. Es wurden Proben von vier Probandengruppen ausgewählt: (i) Doppelt oder (ii) dreifach mit Comirnaty geimpfte Probanden, die zum Zeitpunkt der Probenahme keine Vorinfektion oder Durchbruchinfektion hatten, und Personen, die (iii) doppelt oder (iv) dreifach geimpft waren und bei denen nach etwa fünf Monaten beziehungsweise vier Wochen eine Omikron-Durchbruchinfektion aufgetreten war.

Im Einklang mit früheren Beobachtungen waren bei Omikron-naiven, doppelt geimpften Personen die mittleren Titer der Pseudovirusneutralisation (pVN50) gegen die Beta- und Delta-Variante um 50 Prozent reduziert, und Titer für die Omikron-Variante praktisch nicht nachweisbar. Bei Omikron-naiven, dreifach geimpften Personen waren die pVN50-Titer gegen alle getesteten Varianten deutlich höher. Titer gegen Omikron waren jedoch auch bei diesen Personen kaum nachweisbar.

Das Bild änderte sich, wenn Seren von Probanden analysiert wurden, die von einer Omikron-Durchbruchinfektion genesen waren. Sowohl bei doppelt als auch bei dreifach geimpften Personen wurden spezifische pVN50-Titer gegen alle getesteten Varianten inklusive der beiden Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2 gemessen, wobei bei den dreifach geimpften Personen etwas höhere Werte beobachtet wurden. Anders als bei den Omikron-naiven Geimpften wiesen die Probanden mit Durchbruchinfektion robuste Neutralisationstiter gegen SARS-CoV-1 auf. 

Langlebige Gedächtniszellen

Die anschließende Charakterisierung der B-Zellen ergab, dass alle gegen das S-Protein- und deren Rezeptorbindedomäne (RBD) gerichteten B-Zellen im peripheren Blut einen Phänotyp aufwiesen, der langlebigen B-Gedächtniszellen (BMEM für memory B-Cells) entspricht. Wie erwartet, variierte die Gesamthäufigkeit der antigenspezifischen BMEM-Zellen in den verschiedenen Gruppen.

Bei Omikron-naiven Doppeltgeimpften war die Zahl der S-Protein-spezifischen BMEM-Zellen zunächst gering, sie  vervierfachte sich aber im Laufe von fünf Monaten nach der zweiten Impfdosis fast. Die RBD-spezifischen BMEM-Zellen verdreifachten sich und erreichten ähnliche Größenordnungen wie bei Omikron-naiven dreifach geimpften Personen. Zweifach oder dreifach Geimpfte mit einer Omikron-Durchbruchinfektion wiesen eine stark erhöhte Konzentration von BMEM-Zellen auf, die höher war als die von Omikron-naiven, dreifach geimpften Personen.

In allen Gruppen, einschließlich der der Omikron-naiven und Omikron-infizierten Personen, waren BMEM-Zellen gegen das Omikron-BA.1-S-Protein in einer Häufigkeit nachweisbar, die mit der gegen das Wuhan-Wildtypvirus und gegen andere getestete besorgniserregende Varianten (VOC) vergleichbar war, während die Häufigkeit von BMEM-Zellen gegen Omikron BA.1-RBD im Vergleich zu den anderen Varianten etwas geringer war.

Konservierte Epitope werden bevorzugt erkannt

Ferner konnten die Autoren zeigen, dass Omikron-Durchbruchinfektion bei doppelt oder dreifach Immunisierten vor allem die BMEM-Zellen induzierten, die gegen konservierte Epitope gerichtet sind, also S-Protein-Epitope, die sowohl bei dem Wuhan-Virus als auch bei den VOC vorhanden sind, und nicht BMEM-Zellen, die streng Omikron-S-Protein-spezifische Epitope erkennen.

Zusammenfassend zeigen die Daten, dass eine Omikron-Durchbruchinfektion bei geimpften Personen nicht nur die neutralisierende Aktivität und die BMEM-Zellen gegen Omikron erhöht, sondern auch die Immunität gegen verschiedene VOC. Somit beantwortet die Arbeit die wichtige Frage, ob trotz der Prägung der Immunantwort durch eine vorangegangene Impfung der vorgeformte B-Zell-Gedächtnis-Pool noch so plastisch ist, dass eine Exposition mit neuen Epitopen auch eine wirksame Neutralisierung von Varianten ermöglicht, die sich einer zuvor etablierten neutralisierenden Antikörperantwort entziehen.

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