Variantenchaos, Long Covid und das Ende der Solidarität |
Laura Rudolph |
20.01.2023 16:30 Uhr |
Beim Pharmacon in Schladming erklärte Professor Dr. Theo Dingermann, warum SARS-CoV-2 ein enormes Mutationspotenzial hat und warum FFP2-Masken so effektiv vor einer Infektion schützen. / Foto: PZ/Alois Müller
»Ob wir wirklich am Ende sind, wird sich noch zeigen«, sagte Dingermann über die Pandemie, die er als »biologisches Experiment wider Willen« bezeichnete. Der Senior-Editor der Pharmazeutischen Zeitung nahm die Kongressteilnehmerinnen und Kongressteilnehmer mit auf eine Reise durch die Mutationsentwicklung von SARS-CoV-2.
Die Delta-Variante, die früh in der Pandemie auftrat, sei bislang die pathologischste Variante gewesen, informierte Dingermann. Weniger tödlich, dafür deutlich infektiöser sei die Omikron-Variante. »Omikron war eine Immunfluchtvariante von einer Qualität, die wir bis dahin nicht kannten.« Sie sei etwa viermal so ansteckend wie die Urspungsvariante von SARS-CoV-2. Omikron breitete sich massiv aus, die Inzidenzzahlen schossen durch die Decke.
Durch konvergente Mutation im Gen, das für das Spike-Protein codiert, entstünden immer neue Varianten, die hinsichtlich Infektiosität und Immunflucht optimiert seien, so der Experte. »In Deutschland dominiert zurzeit mehrheitlich die Omikron-Subvariante BQ1.1. Experten gehen jedoch davon aus, dass zukünftig XBB.1.5 dominieren wird«, sagte Dingermann.
Welches Ausmaß das »Variantenchaos« durch konvergente Mutation annehmen könnte, verdeutlichte Dingermann anhand eines Rechenbeispiels: »Jedes der 201 Basentriplets, die jeweils für eine Aminosäure des Spike-Proteins codieren, könnte durch Mutationen theoretisch für 19 anderen Aminosäuren codieren.« Berücksichtigt man, dass das mutierte Virus noch immer eine ausreichende Bindungsaffinität zum ACE2-Rezeptor aufweisen muss, um Zellen zu infizieren, blieben noch mehr als 2000 Mutationsmöglichkeiten.
Während die Inzidenzzahlen der Infektionswellen im Laufe der Pandemie durch immer infektiösere Varianten tendenziell stiegen, nahm die Covid-19-bezogene Sterblichkeit beträchtlich ab. »Das ist Impfeffizienz, nichts anderes«, betonte Dingermann.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.