Update zur unipolaren Depression |
Katja Renner |
23.02.2023 11:00 Uhr |
Die Leitlinie gewichtet die verfügbaren Antidepressiva nicht in ihrer therapeutischen Wirksamkeit. Vielmehr soll die Auswahl des Antidepressivums individuell anhand des Sicherheits- und Interaktionsprofils, der Präferenz des Patienten, der Erfahrung des Behandelnden, möglicher Komorbiditäten, der Handhabbarkeit und den Vorerfahrungen des Patienten erfolgen.
Die Entscheidung für oder gegen einen Arzneistoff soll gemeinsam mit dem Patienten getroffen werden. Dazu müssen ihm die Vor- und Nachteile des jeweiligen Antidepressivums sowie Wechselwirkungen mit der sonstigen Medikation und mögliche Nebenwirkungen bekannt sein. Nur so kann er die Entscheidung mittragen. Zur Information des Patienten können folgende laienverständliche Patientenblätter der NVL nützlich sein:
Zur Therapie der unipolaren Depression kommen viele Wirkstoffe infrage. Die Wahl sollte individuell erfolgen. / Foto: Adobe Stock/megaflopp
Die Dosis des ausgewählten Antidepressivums wird zügig bis zur angestrebten Zieldosis eintitriert. Eine Ausnahme sind geriatrische Patienten: Hier sollte langsamer eindosiert und mögliche Nebenwirkungen gründlich überwacht werden. Üblicherweise sollte drei bis vier Wochen nach Erreichen der Zieldosis ein Wirkungseintritt spürbar sein.
Bei Ansprechen soll die Behandlung in gleicher Dosierung über sechs bis zwölf Monate über die Remission des depressiven Beschwerdebildes hinaus fortgeführt werden. Danach soll das Medikament langsam über zwei bis drei Monate ausgeschlichen werden, sofern nicht die Notwendigkeit für eine Rezidivprophylaxe besteht. Wird ein Absetzen eingeleitet, sollte der Patient auf mögliche Absetzphänomene hingewiesen werden. Parallel zur medikamentösen Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe kann eine Psychotherapie stattfinden.
Foto: Adobe Stock/Andrea Danti
Im Apothekenalltag sind Interaktionschecks übliche Praxis. Die Relevanz des Serotoninsyndroms bei der Kombination mehrerer serotonerger Arzneistoffe wird dabei häufig überschätzt. Laut der Leitliniengruppe sind schwere Formen des Serotoninsyndroms extrem selten und leichte Ausprägungen können gut behandelt werden beziehungsweise sind selbstlimitierend. Die Autorinnen und Autoren warnen vor einer Verunsicherung der Patienten durch Apothekenpersonal, die zu Therapieabbrüchen oder Nonadhärenz führen könnte. Wirklich relevant ist eine Intervention nur, wenn mehrere stark serotonerge Substanzen in hohen Dosierungen von verschiedenen Ärzten verordnet werden. Kontraindiziert ist zum Beispiel Tranylcypromin als irreversibler MAO-Hemmer kombiniert mit anderen serotonergen Arzneistoffen wie Linezolid oder Tramadol.
Andere Nebenwirkungen oder pharmakodynamische Interaktionen, die etwa zu einer erhöhten Blutungsneigung oder Hyponatriämie unter SSRI oder SSNRI führen können, sind zwar auch selten, zeigen aber eine höhere klinische Relevanz als das Serotoninsyndrom. Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und neue orale Antikoagulanzien (NOAK) etwa können mit SSRI und SSNRI das Risiko für gastrointestinale Blutungen erhöhen, bei gleichzeitiger Einnahme von Diuretika sind regelmäßige Elektrolytkontrollen sinnvoll. Diese Risiken können durch eine gute Anamnese der Komedikation und Komorbiditäten vermieden werden. Mit einem hohen Empfehlungsgrad sollen beim Monitoring Wirkungen und typische Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie aktiv erfragt werden. Auch bei erweiterten Medikationsberatungen in Apotheken können diese Aspekte bezüglich der antidepressiven Therapie abgefragt werden. (Mehr zu den wichtigsten Interaktionen bei Antidepressiva lesen Sie im PZ-Titelbeitrag 20/2022.)