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Neue Versorgungsleitlinie

Update zur unipolaren Depression

Vor Kurzem ist eine neue nationale Versorgungsleitlinie zur unipolaren Depression erschienen. Sie definiert erstmals die Rolle der Apotheker bei der Versorgung und enthält neue Empfehlungen zum Einsatz von Antidepressiva und digitalen Gesundheitsanwendungen. Ein Update.
AutorKatja Renner
Datum 23.02.2023  11:00 Uhr

Die unipolare Depression ist eine Volkskrankheit, die in Deutschland innerhalb eines Jahres etwa sechs Millionen Menschen betrifft. Sie ist damit hierzulande die häufigste psychische Erkrankung, geht mit einem hohen Leidensdruck einher und beeinflusst neben Selbstwertgefühl und Wohlbefinden auch das gesellschaftliche Leben und die Arbeitsfähigkeit. Frauen erkranken in jungen Jahren häufiger als Männer, im höheren Lebensalter ist die Prävalenz etwa gleich. Die Erkrankung basiert auf einem multifaktoriellen Geschehen, bei dem die genetische Disposition, äußere Belastungsfaktoren wie eine schwierige Lebenssituation, aber auch die persönliche Resilienz zusammenspielen.

Typische Hauptsymptome einer unipolaren Depression sind depressive Stimmung und Traurigkeit sowie Interessenverlust und Freudlosigkeit. Häufig berichten Betroffene zunächst von unspezifischen Symptomen wie Schlafstörungen, Appetitminderung, allgemeine Kraft- und Antriebslosigkeit oder verminderte Konzentration. Diese Beschwerden werden bei der Erstmanifestation oft nicht mit einer depressiven Episode assoziiert, sodass die Apotheke häufig als Anlaufstelle zur Selbstbehandlung, etwa mit einem Schlafmittel oder Vitaminpräparat, dient.

Apothekenpersonal kommt an dieser Stelle bereits eine wichtige Rolle zu: Im Beratungsgespräch kann es Patienten mit Verdacht auf eine depressive Störung identifizieren und an einen Arzt verweisen. Später kommen etwa das Nebenwirkungs- und Interaktionsmanagement oder die Adhärenzförderung als Verantwortlichkeiten hinzu.

Diagnose der unipolaren Depression

Bei Verdacht auf eine Depression sieht die Leitlinie zunächst eine ärztliche Befunderhebung vor, bei der Haupt- und Nebensymptome erfasst sowie der Schweregrad und Aspekte zum Verlauf der Erkrankung bestimmt werden sollen.

Für die Diagnose einer depressiven Episode müssen gemäß ICD-11 (International Classification of Diseases) mindestens fünf Symptome vorliegen; nach ICD-10 waren es nur vier. Mindestens eines der Symptome muss dem affektiven Cluster angehören. Dazu zählen eine gedrückte, depressive Stimmung sowie Interessenverlust und Freudlosigkeit. Weitere Symptome, etwa aus dem kognitiven Cluster, sind eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, ein reduziertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühle von Schuld, Wert- und Hoffnungslosigkeit sowie suizidale Gedanken. Symptome des neurovegetativen Clusters umfassen Schlafstörungen, einen signifikant verminderten oder erhöhten Appetit, psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung sowie Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit.

Die Einstufung der Episodenschwere in leicht, mittelgradig oder schwer erfolgt – anders als in der ICD-10 – nicht allein anhand der Summe der Symptome, sondern berücksichtigt darüber hinaus auch deren Intensität sowie den Grad der Funktionseinschränkung.

In die Diagnose sollen darüber hinaus auch die Kriterien der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) einbezogen werden. Dabei geht es um die Berücksichtigung von funktionalen Beeinträchtigungen, psychosozialen Folgen und Teilhabeeinschränkungen des Betroffenen beispielsweise im Arbeitsleben sowie deren Einfluss auf die psychische Gesundheit. Die Autorinnen und Autoren der Leitlinie erachten diese Kriterien als in der Versorgungspraxis bisher zu wenig berücksichtigt, obwohl sie grundlegend für zielgerichtete rehabilitatorische Maßnahmen zum Wiedereinstieg in das Arbeits- und Sozialleben sind.

Für die weitere Therapieentscheidung ist es außerdem wichtig, zu evaluieren, ob es sich um eine akute, rezidivierende – also wiederkehrende – oder chronische unipolare Depression handelt. Typischerweise verlaufen Depressionen episodisch, das heißt, die Krankheitsphasen sind zeitlich begrenzt. Eine depressive Episode kann vollständig oder unvollständig remittieren. Bei unvollständiger Remission bleibt eine Residualsymptomatik bestehen, die das Risiko für ein Rezidiv erhöht. Etwa 10 bis 15 Prozent der Betroffenen erleiden eine Chronifizierung der Erkrankung. Dabei hält eine depressive Episode länger als zwei Jahre ohne Besserung beziehungsweise Remission an. Akute Episoden sollten frühzeitig erkannt und behandelt werden, um einer späteren Chronifizierung vorzubeugen.

Therapie von Depressionen gemeinsam planen

Zentrales Element des Therapiebeginns ist die Aufklärung und Information des Patienten über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten. Hierzu stehen in der NVL Patientenblätter als Arbeitshilfen zur Verfügung, die in laiengerechter Sprache verfasst sind. Die Autorinnen und Autoren legen Wert darauf, dass Arzt und Patient die Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen gemeinsam und individuell nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung festlegen. Hintergrund ist, dass diese Vorgehensweise die Adhärenz der Patienten steigert und sich unter der aktiven Mitarbeit ein besserer Therapieerfolg erreichen lässt.

Auf Wunsch des Patienten sollen die Gründe für die Behandlungsentscheidung dokumentiert werden, um sie bei Bedarf anderen Heilberuflern zur Verfügung stellen zu können. Dies ist wichtig, um an den Schnittstellen zwischen Fach- und Hausärzten sowie Psychotherapeuten mehr Transparenz zu erreichen. Die gemeinsam festgelegten individuellen Therapieziele sollen regelmäßig und je nach Bedarf evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden.

Leichte depressive Episoden

Wird nach dem Behandlungsalgorithmus eine erstmalige, leichtgradige und akute Episode diagnostiziert, sind zunächst niedrigschwellige Versorgungsangebote wie eine angeleitete Selbsthilfe, eine hausärztliche Grundversorgung oder eine psychotherapeutische Basisbehandlung, zum Beispiel durch Beratungsgespräche, angezeigt.

Neu ist die Empfehlung zu internet- und mobilbasierten Interventionen (IMI) für Patienten mit leichten depressiven Episoden – eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept, wie die Leitlinienkommission betont. Die Anwendungen können am Computer beziehungsweise Smartphone oder Tablet im Rahmen von Selbsthilfe, Selbstmanagement, (Selbst-)Monitoring und zur Unterstützung von Behandlungen eingesetzt werden.

Zu den IMI gehören die sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Der Begriff beschreibt in Deutschland ausschließlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zertifizierte Apps oder browserbasierte Anwendungen, die spezifische Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität und Datensicherheit erfüllen. Sie sind im sogenannten DiGA-Verzeichnis unter https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis gelistet und können zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Für eine dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis müssen positive Versorgungseffekte in klinischen Studien nachgewiesen sein.

Zurzeit (Stand Februar 2023) finden sich hier zur Anwendung bei leichten bis schweren depressiven Episoden dauerhaft aufgenommen die Applikationen »deprexis« und »Selfapys Online-Kurs bei Depression« sowie vorläufig »edupression.com®«, »elona therapy Depression« und »Novego: Depressionen bewältigen«. Die Webanwendungen bieten Psychoedukation, dienen als Stimmungstagebücher oder basieren auf Elementen der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei werden die Betroffenen beispielsweise bei »edupression.com« von einem Therapie-Avatar begleitet. »elona therapy Depression« verzahnt die ambulante Psychotherapie mit digitalen Interventionen, um die Zeit zwischen den Therapiesitzungen vor Ort mit Übungen und Vertiefungen bestmöglich zu nutzen.

Bei der Anwendung von IMI sollte immer ein regelmäßiges Monitoring auf Adhärenz und Wirksamkeit durch einen Therapeuten erfolgen. Laut Leitlinie bietet das DiGA-Verzeichnis eine erste Orientierung für die Auswahl von IMI. Produkte, die nur vorläufig aufgenommen sind, sollten demnach kritisch geprüft werden. Den »Informationen für Fachkreise« im DiGA-Verzeichnis kann entnommen werden, welche Evidenzbasis vorliegt, also ob die Wirksamkeit in randomisiert-kontrollierten Studien belegt wurde. Nicht empfohlen werden IMI, wenn sie allein auf Eigeninitiative und ohne Prüfung der Qualität angewendet werden.

Antidepressiva sollten bei leichtgradigen depressiven Episoden nicht zur Erstbehandlung vor einer niedrigintensiven Intervention eingesetzt werden. Hintergrund ist, dass die mittleren Effekte auf die Symptome und die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten mit leichtem Beschwerdebild profitieren, eher gering sind. Zu berücksichtigen sind im Gegenzug Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Antidepressiva.

Therapieeskalation

So sollen Antidepressiva unter Nutzen-Risiko-Abwägung eher bei rezidivierenden depressiven Episoden und Nichtansprechen auf niedrigschwellige Angebote angewendet werden. Der Einsatz soll im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes, das auch psychoedukative Elemente und andere Unterstützungsmaßnahmen enthält, erfolgen.

Hält die Symptomatik also trotz niedrigintensiver Interventionen an oder verschlechtert sich gar hin zu einem mittleren Schweregrad, kommen mit hohem Empfehlungsgrad eine Psychotherapie und mit mittlerem Empfehlungsgrad eine medikamentöse Behandlung infrage. Bei schweren Depressionen sollen beide Ansätze kombiniert werden. Zusätzlich rät die Leitlinienkommission zu begleitenden Maßnahmen wie Bewegungs- und Sport- oder Lichttherapie sowie zur Unterstützung durch Angehörige.

Unabhängig vom Schwergrad und der Therapie soll ein engmaschiges Monitoring erfolgen: Am besten in den ersten vier Behandlungswochen eine wöchentliche Kontrolle, im zweiten bis vierten Monat eine Kontrolle alle zwei bis vier Wochen und anschließend ein Monitoring in längeren Intervallen.

Stellenwert der medikamentösen Therapie

Insgesamt wird die Evidenz zum Einsatz von Antidepressiva in der Leitlinie als geringer eingestuft als die der Psychotherapie. Die Leitliniengruppe sieht die klinische Relevanz der Antidepressiva aber als gegeben, wenn auch ein Teil der Wirkung auf den Placeboeffekt zurückzuführen und die Wirkungsdifferenz zu Placebo eher klein sei.

Die großen Substanzklassen der trizyklischen Antidepressiva (TZA), der selektiven Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSNRI) sowie die α2-Rezeptor-Antagonisten wirken dual verstärkend auf die Neurotransmission von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt. Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt, während Monoaminooxidase-Inhibitoren den Abbau von Monoaminen blockieren.

Heute wird vermutet, dass die Wirkung von Antidepressiva nicht nur auf die Erhöhung von Transmittern im synaptischen Spalt, sondern auch auf die Beeinflussung der neuronalen Plastizität zurückgeführt werden kann.

Wirkstoffgruppe Wirkstoffbeispiele Wichtige Nebenwirkungen
SSRI: Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren Citalopram,
Escitalopram,
Fluoxetin,
Fluvoxamin,
Paroxetin,
Sertralin
Schlafstörungen, Unruhe, gastrointestinale Störungen, erhöhte Blutungsneigung, Hyponatriämie, QT-Zeit-Verlängerung (bei einigen Substanzen), sexuelle Dysfunktion, Schwitzen
SSNRI: Selektive Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren Venlafaxin,
Duloxetin,
Milnacipran
Schlafstörungen, Unruhe, gastrointestinale Störungen, erhöhte Blutungsneigung, Hyponatriämie, QT-Zeit-Verlängerung (bei einigen Substanzen), sexuelle Dysfunktion, Schwitzen, Hypertonie
α2-Rezeptor-Antagonisten Mirtazapin,
Mianserin
Sedierung, Appetit- und Gewichtszunahme, Orthostase, Schwindel
TZA: Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin,
Clomipramin,
Doxepin,
Imipramin,
Nortriptylin,
Trimipramin
Anticholinerge Effekte (Mundtrockenheit, Tachykardie, Akkomodationsstörungen, Delir), Sedierung, Appetit- und Gewichtszunahme, kardiale Überleitungsstörungen/ Herzrhythmusstörungen
MAO-Hemmer: Monoaminooxidase-Inhibitoren Moclobemid,
Tranylcypromin
Schlafstörungen, Mundtrockenheit, Orthostase, Tranylcypromin: hypertensive Krisen
Andere
Trazodon Müdigkeit, orthostatische Dysregulation
Tianeptin Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial
Bupropion Schlafstörungen, Unruhe, Hypertonie, Mundtrockenheit, Appetitlosigkeit, Tremor, Herabsetzung der Krampfschwelle (Cave: Epileptiker)
Agomelatin Leberfunktionsstörungen, Sedierung
Lithiumsalze Kognitive Störungen, Polyurie, Polydipsie, TSH-Anstieg, Strumabildung, Nierenfunktionsstörung, Ödembildung, Lithium-Akne
Esketamin Schwindel, Sehstörungen, Tachykardie, Hypertonie, Übelkeit, gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen
Tabelle: Verschreibungspflichtige Antidepressiva modifiziert nach NVL »Unipolare Depression«

Neu enthält die Leitlinie Esketamin mit einem anderen Wirkmechanismus als die klassischen Antidepressiva. Es blockiert den N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDA-Rezeptor) und hemmt letztlich die Glutamatfreisetzung, greift also in die Funktion der Stressachse ein. Es ist als Nasenspray zugelassen und zeigt einen raschen Wirkungseintritt, ist aber aufgrund der Nebenwirkungen und des Suchtpotenzials nur für therapieresistente und suizidale Patienten im stationären Bereich vorgesehen.

Explizit abgeraten wird von Benzodiazepinen oder Z-Substanzen bei leichtgradigen depressiven Episoden. Bei mittelgradiger oder schwerer Symptomatik – etwa bei akuter Suizidalität, stark belastenden Schlafstörungen oder starker Unruhe – ist nur mit enger Indikationsstellung eine kurzfristige Anwendung möglich. Bezüglich der Anwendung von Johanniskraut wurden die Empfehlungen leicht angepasst: So sollen nur für die Indikation zugelassene Arzneimittel bei leichter oder mittelgradiger depressiver Episode angeboten werden.

Welches Antidepressivum für wen?

Die Leitlinie gewichtet die verfügbaren Antidepressiva nicht in ihrer therapeutischen Wirksamkeit. Vielmehr soll die Auswahl des Antidepressivums individuell anhand des Sicherheits- und Interaktionsprofils, der Präferenz des Patienten, der Erfahrung des Behandelnden, möglicher Komorbiditäten, der Handhabbarkeit und den Vorerfahrungen des Patienten erfolgen.

Die Entscheidung für oder gegen einen Arzneistoff soll gemeinsam mit dem Patienten getroffen werden. Dazu müssen ihm die Vor- und Nachteile des jeweiligen Antidepressivums sowie Wechselwirkungen mit der sonstigen Medikation und mögliche Nebenwirkungen bekannt sein. Nur so kann er die Entscheidung mittragen. Zur Information des Patienten können folgende laienverständliche Patientenblätter der NVL nützlich sein:

  • Antidepressiva – Was sollte ich wissen?
  • Antidepressiva – Was tun, wenn ein Antidepressivum nicht wirkt?
  • Antidepressiva – Was ist beim Absetzen zu beachten?
  • Antidepressiva – Hilft ein genetischer Test das richtige Mittel zu finden?
  • Psychotherapie und Antidepressiva: Was sind Vor- und Nachteile?

Die Dosis des ausgewählten Antidepressivums wird zügig bis zur angestrebten Zieldosis eintitriert. Eine Ausnahme sind geriatrische Patienten: Hier sollte langsamer eindosiert und mögliche Nebenwirkungen gründlich überwacht werden. Üblicherweise sollte drei bis vier Wochen nach Erreichen der Zieldosis ein Wirkungseintritt spürbar sein.

Bei Ansprechen soll die Behandlung in gleicher Dosierung über sechs bis zwölf Monate über die Remission des depressiven Beschwerdebildes hinaus fortgeführt werden. Danach soll das Medikament langsam über zwei bis drei Monate ausgeschlichen werden, sofern nicht die Notwendigkeit für eine Rezidivprophylaxe besteht. Wird ein Absetzen eingeleitet, sollte der Patient auf mögliche Absetzphänomene hingewiesen werden. Parallel zur medikamentösen Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe kann eine Psychotherapie stattfinden.

Wenn das Antidepressivum nicht wirkt

Dass Patienten nicht immer auf das erste Antidepressivum ansprechen, ist hinreichend bekannt. Die Leitlinienkommission hat daher einen evidenzbasierten Algorithmus zum Vorgehen bei Nichtansprechen erstellt. Dieser sieht vor, zunächst mögliche Ursachen wie Fehldiagnose, Komorbiditäten, depressionsauslösende Komedikation, niedrige Serumspiegel des Antidepressivums und Non-Adhärenz zu evaluieren.

Bei der Identifikation von Adhärenzproblemen können sich Apotheker zum Beispiel im Rahmen einer erweiterten Medikationsberatung einbringen. Hierbei wird der Patient standardmäßig nach Bedenken und Vorbehalten bezüglich seiner Medikamente gefragt. Insbesondere gegenüber Psychopharmaka bestehen oftmals Ängste vor Abhängigkeit oder Wesensveränderungen. Apotheker können bei bewusster oder aber auch unbewusster Nonadhärenz im Gespräch mit dem Patienten gemeinsam Lösungen finden. Möglicherweise lassen sich durch Informationen zur Wirkweise und zum Nutzen des Medikamentes Ängste reduzieren oder die Einhaltung von Einnahmeschemata mit Dosetten oder Reminder-Systemen unterstützen.

Bei Nichtansprechen der medikamentösen Therapie sollte mit höchster Empfehlungsstärke die Kombination mit der Psychotherapie erfolgen. Weitere Optionen sind der Wechsel des Antidepressivums auf eine andere Substanzklasse sowie die Augmentation mit Lithium, einem weiteren Antidepressivum, einem Antipsychotikum oder die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). Die umgesetzten Maßnahmen sollen dann nach vier Wochen überprüft und gegebenenfalls weitere Eskalationen beschlossen werden.

Die Rolle der Apotheker

Apotheker haben bei der Versorgung von Menschen mit depressiven Episoden im ambulanten Bereich zahlreiche Verantwortlichkeiten, die in der Leitlinie im Kapitel »Apothekerische Versorgung« beschrieben werden. Dazu gehört das Erkennen von Risikopatienten und Krisensituationen und gegebenenfalls die Zuweisung in ärztliche Behandlung. Da Apotheken als niederschwellige Anlaufstelle verstanden werden, sollen sie bei Anzeichen für depressive Symptome oder Suizidalität aktiv das Gespräch mit den betroffenen Menschen suchen, ihnen Möglichkeiten der Unterstützung aufzeigen und sie in ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung lotsen (mehr zur Suizidprävention in der Apotheke lesen im PZ-Titelbeitrag 34/2022). Anzeichen, die hellhörig machen sollen, sind zum Beispiel wiederholte Selbstmedikationswünsche, die Hypnotika, Johanniskraut oder Stärkungsmittel bei Konzentrationsschwäche betreffen. Hier sollten Apotheker und PTA nachfragen und auch die Hauptsymptome der Depression ansprechen.

Auch für die Arzneimitteltherapiesicherheit spielen Offizinapotheker eine wichtige Rolle: Die zugeschriebenen Aufgaben umfassen die übliche Information und Beratung sowie das Interaktions- und Nebenwirkungsmanagement im Bereich der Selbstmedikation und bei der Abgabe von Arzneimitteln auf Verordnung. Dabei können sie die Adhärenz der Patienten stärken und ihnen die richtige Einnahme vermitteln.

Im Kontext der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen wird in der NVL die Kompetenz der Apotheker zur Durchführung der erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation bestärkt. Systematische Prüfungen auf relevante Interaktionen, Nebenwirkungen oder mangelnde Adhärenz sind fester Bestandteil dieser Dienstleistung. Wird eine Medikationsberatung bei einem Patienten mit Depressionen vorgenommen, sollte sehr sensibel vorgegangen werden, um die Therapieentscheidung des Arztes nicht zu gefährden. Offensichtliche arzneimittelbezogene Probleme sollen im interprofessionellen Austausch kommuniziert werden, ohne den Patienten zu verunsichern. Die Patientenmaterialien der NVL können hervorragend für das patientenzentrierte Gespräch im Rahmen der erweiterten Medikationsberatung genutzt werden.

Im stationären Bereich werden Apotheker als Unterstützung des multiprofessionellen Teams in der Klinik aufgrund ihrer Kompetenz bezüglich des therapeutischen Medikamenten-Monitorings, pharmakogenetischer Testungen und Psychoedukation gesehen.

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