Update zur unipolaren Depression |
Katja Renner |
23.02.2023 11:00 Uhr |
Zentrales Element des Therapiebeginns ist die Aufklärung und Information des Patienten über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten. Hierzu stehen in der NVL Patientenblätter als Arbeitshilfen zur Verfügung, die in laiengerechter Sprache verfasst sind. Die Autorinnen und Autoren legen Wert darauf, dass Arzt und Patient die Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen gemeinsam und individuell nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung festlegen. Hintergrund ist, dass diese Vorgehensweise die Adhärenz der Patienten steigert und sich unter der aktiven Mitarbeit ein besserer Therapieerfolg erreichen lässt.
Auf Wunsch des Patienten sollen die Gründe für die Behandlungsentscheidung dokumentiert werden, um sie bei Bedarf anderen Heilberuflern zur Verfügung stellen zu können. Dies ist wichtig, um an den Schnittstellen zwischen Fach- und Hausärzten sowie Psychotherapeuten mehr Transparenz zu erreichen. Die gemeinsam festgelegten individuellen Therapieziele sollen regelmäßig und je nach Bedarf evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden.
Wird nach dem Behandlungsalgorithmus eine erstmalige, leichtgradige und akute Episode diagnostiziert, sind zunächst niedrigschwellige Versorgungsangebote wie eine angeleitete Selbsthilfe, eine hausärztliche Grundversorgung oder eine psychotherapeutische Basisbehandlung, zum Beispiel durch Beratungsgespräche, angezeigt.
Legen Arzt und Patient gemeinsam Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen fest, kann dies die Adhärenz steigern. / Foto: Getty Images/Morsa Images
Neu ist die Empfehlung zu internet- und mobilbasierten Interventionen (IMI) für Patienten mit leichten depressiven Episoden – eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept, wie die Leitlinienkommission betont. Die Anwendungen können am Computer beziehungsweise Smartphone oder Tablet im Rahmen von Selbsthilfe, Selbstmanagement, (Selbst-)Monitoring und zur Unterstützung von Behandlungen eingesetzt werden.
Zu den IMI gehören die sogenannten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Der Begriff beschreibt in Deutschland ausschließlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zertifizierte Apps oder browserbasierte Anwendungen, die spezifische Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität und Datensicherheit erfüllen. Sie sind im sogenannten DiGA-Verzeichnis unter https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis gelistet und können zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Für eine dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis müssen positive Versorgungseffekte in klinischen Studien nachgewiesen sein.
Zurzeit (Stand Februar 2023) finden sich hier zur Anwendung bei leichten bis schweren depressiven Episoden dauerhaft aufgenommen die Applikationen »deprexis« und »Selfapys Online-Kurs bei Depression« sowie vorläufig »edupression.com®«, »elona therapy Depression« und »Novego: Depressionen bewältigen«. Die Webanwendungen bieten Psychoedukation, dienen als Stimmungstagebücher oder basieren auf Elementen der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei werden die Betroffenen beispielsweise bei »edupression.com« von einem Therapie-Avatar begleitet. »elona therapy Depression« verzahnt die ambulante Psychotherapie mit digitalen Interventionen, um die Zeit zwischen den Therapiesitzungen vor Ort mit Übungen und Vertiefungen bestmöglich zu nutzen.
Internet- und mobilbasierte Interventionen eignen sich, eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept, für Menschen mit leichten depressiven Episoden. / Foto: Getty Images/Guido Mieth
Bei der Anwendung von IMI sollte immer ein regelmäßiges Monitoring auf Adhärenz und Wirksamkeit durch einen Therapeuten erfolgen. Laut Leitlinie bietet das DiGA-Verzeichnis eine erste Orientierung für die Auswahl von IMI. Produkte, die nur vorläufig aufgenommen sind, sollten demnach kritisch geprüft werden. Den »Informationen für Fachkreise« im DiGA-Verzeichnis kann entnommen werden, welche Evidenzbasis vorliegt, also ob die Wirksamkeit in randomisiert-kontrollierten Studien belegt wurde. Nicht empfohlen werden IMI, wenn sie allein auf Eigeninitiative und ohne Prüfung der Qualität angewendet werden.
Antidepressiva sollten bei leichtgradigen depressiven Episoden nicht zur Erstbehandlung vor einer niedrigintensiven Intervention eingesetzt werden. Hintergrund ist, dass die mittleren Effekte auf die Symptome und die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten mit leichtem Beschwerdebild profitieren, eher gering sind. Zu berücksichtigen sind im Gegenzug Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Antidepressiva.