Toxischer Stoff in Glucose-Mittel aus Apotheke gefunden |
Orale Glucosetoleranztests (oGTT) werden zur Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt. / Foto: Adobe Stock/Mediteraneo
Polizei und Stadt Köln warnen die Bevölkerung vor der Einnahme eines lebensbedrohlichen Glucosegemischs. Bereits in der vergangenen Woche sind eine junge Frau und ihr per Notkaiserschnitt geborenes Kind an den Folgen der Einnahme gestorben. Die Frau starb laut Obduktion an multiplem Organversagen, wie die Polizei heute auf einer Pressekonferenz in Köln bekannt gab. Die Glucoselösung war nach Angaben der Polizei für einen standardmäßigen Test bei Schwangerschaftsdiabetes, einen oralen Glucosetoleranztest (oGTT), verkauft worden.
Ein Arzt meldete diesen und einen weiteren Vorfall am vergangenen Donnerstag der Polizei. Bei der anderen Patientin, die sich auf Rezept ihres Arztes das gleiche Präparat aushändigen ließ, traten ebenfalls Komplikationen auf. Sie fühlte sich unwohl und brach die Einnahme ab, bevor sie die gesamte Menge des Stoffes zu sich genommen hatte. Ihr war zudem der nicht süße Geschmack der eigentlich nach Traubenzucker schmeckenden Lösung aufgefallen. Die Ermittler können nach Angaben eines Sprechers nicht ausschließen, dass weiteres giftiges Material im Umlauf ist. Bis zum Dienstag habe sich aber noch niemand gemeldet, der Glucose aus der betroffenen Apotheke zu Hause habe, sagte Polizeisprecher Ralf Remmert.
Das Heilig-Geist-Krankenhaus, auf dessen Gelände sich die Apotheke befindet, ist nach eigenen Angaben nicht betroffen. Man beziehe keine Medikamente aus der Apotheke, sagte eine Sprecherin. Die Apotheke sei
eigenständig und gehöre nicht zum Krankenhaus.
Die Behörden warnen ausdrücklich davor, Glucose-Präparate, die in der Heilig-Geist-Apotheke in der Kölner Graseggerstraße 105 im Stadtteil Longerich hergestellt und ausgehändigt worden sind, einzunehmen. Wer noch entsprechende Präparate in seinem Besitz hat, wird dringend aufgefordert, diese bei der nächsten Polizeiwache abzugeben. Es sind nach derzeitigem Ermittlungsstand ausschließlich Arzneimittel betroffen, die in dieser Apotheke hergestellt worden sind. Die Ermittlungsbehörden sprechen derzeit von einem »mit hoher Wahrscheinlichkeit lokalen Ereignis.«
Die Polizei hat bei Durchsuchungsmaßnahmen Beweismittel sichergestellt, die Stadt Köln hat dem Apotheker bis zur Klärung des Sachverhalts untersagt, eigenproduzierte Medikamente zu vertreiben. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen aufgenommen. Laut Polizei wurde eine toxische Substanz in dem Glucosegemisch gefunden, die es zwar in Apotheken gebe, aber in dem Präparat nichts zu suchen habe. Die Polizei machte keine Angaben, um welche toxische Substanz es sich handelt. Die Staatsanwaltschaft habe ab 20. September ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Die Ermittlungsbehörden prüften derzeit, ob es sich um Fahrlässigkeit oder um Vorsatz handelt. Es habe am Montag Durchsuchungen in der Apotheke gegeben, am heutigen Dienstag werde der Säugling obduziert. Erste Zeugen seien vernommen worden.
Der Apotheker hat keine Erklärung für Todesfälle nach Mitteleinnahme »Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären«, sagte der Apothekeninhaber Till Fuxius heute der Deutschen Presse-Agentur. Er vertraue auf die Ermittlungen der Polizei. »Dabei bin ich Zeuge nicht Beschuldigter«, betonte der Apotheker. Seine Apotheke bleibe geöffnet. Selbst hergestellte Arzneimittel würden aber vorerst nicht mehr angeboten. »Das ist eine unvorstellbare persönliche Tragödie«, sagte der Inhaber.
ABDA-Vize Mathias Arnold sagte in Düsseldorf, bislang hätten sie keine weiteren Erkenntnisse als die allgemein bekannten. »Was hier stattgefunden hat, können wir bislang nicht sagen, wir haben auch nur die aus der Presse bekannten Angaben. Er verwies auf die am Vormittag in Köln stattfindende Pressekonferenz der Polizei.
»Es ist ausgesprochen fatal, was da passiert ist. Wir müssen genau die Fakten aufklären, das tun wir jetzt. Wir müssen beobachten, was da wirklich stattgefunden hat und wo das Versagen liegt.« Gleichzeitig warnte er vor einer Verallgemeinerung. »Eine Verallgemeinerung von einer einzelnen Rezeptur, einer einzelnen Apotheke, auf den Gesamtkomplex Rezepturen in Apotheken, sollte man vermeiden. Wir stellen jeden Tag eine große Zahl an Rezepturen her. Kriminelle Energie, menschliches Versagen, das kommt in allen solchen Hochrisiko-Prozessen vor. Wir werden die Luftfahrt nicht verbieten, weil ein Flugzeug abstürzt, das ein kranker Mensch in den Tod gelenkt hat. Das ist alles unglaublich bedauerlich. Und es gilt, ein Null-Fehler-Ziel zu erreichen. Aber wir wissen: Überall wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht.«