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Paul Klee in Ingelheim

Tierisch gut

Fünf Monate später als geplant öffneten die Internationalen Tage Ingelheim am Samstag vergangener Woche ihre Pforten. Die Ausstellung »Paul Klee. Tierisches« musste aufgrund der Covid-19-Pandemie vom Frühjahr auf den Herbst 2020 verschoben werden. Nun präsentieren sich die genialen Tier-Zeichnungen des großartigen Künstlers im Alten Ingelheimer Rathaus.
Ulrike Abel-Wanek
15.09.2020  10:00 Uhr

Paul Klee, Bauhaus-Meister und einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Moderne (1879 bis 1940), war selber nicht nur ein Katzennarr und großer Naturfreund, sondern vor allem auch ein scharfer Beobachter. Sein analytisch-kritischer Blick richtete sich auf die Phänomene und Gegenstände seiner Zeit, aber auch auf Mensch und Tier und ihr Verhältnis zueinander. Wieviel Menschlichkeit steckt in Tieren und wie tierisch verhalten sich die Menschen? Damals wie heute ist das Verhältnis zwischen diesen beiden Spezies kompliziert. Hund und Katze werden als verhätschelte Haustiere zu geliebten Familienmitgliedern, während sogenannte Nutztiere zum Zweck des Konsums der industriellen Verarbeitung ausgeliefert werden. Klees facettenreiche, vielschichtigen Werke reflektieren diese Widersprüche und halten dem Betrachter dabei den Spiegel vor.

Begeisterter Zoobesucher

Das greise Dromedar, der verliebte Affe oder der Hundslöwe im ersten Raum der Ausstellung mit dem Titel »Tiergarten« zeigen den Maler als begeisterten Zoobesucher. Manche seiner Werke wirken wie Kinderzeichnungen, entwickeln auf den zweiten Blick aber viel Dramatik und Witz und hauchen den Tieren Menschliches und den Menschen Tierisches ein. Zuweilen vertauscht Klee die Rollen von Mensch und Tier, woraus eine groteske Komik resultiert.

 

In seinen Tierdarstellungen sind die unterschiedlichsten Arten vertreten. Vögel und Fische, die sich in Wasser und Luft frei bewegen, faszinierten den Künstler ebenso wie exotische Großtiere oder frei kombinierte Neuschöpfungen wie das »Doppelschwanz-Dreiohr« oder Sphinxen. Klee war sehr belesen und vertraut mit der kulturellen Bedeutsamkeit einzelner Tiere sowie den Misch- und Fabelwesen der Mythologie. Und mit offensichtlich großer Freude schaffte der virtuose Maler in seiner Bildwelt neue, hybride Kreaturen, denen er eigene Charaktere, Verhaltensweisen und Emotionen zuwies. In Tierfabeln kommentiert er politisches Geschehen oder führt in zoologischen Szenen menschliches Verhalten vor Augen.

Eine Serie von Zeichnungen, die Klee in seinen beiden letzten Lebensjahren geschaffen hat, sind die tollpatschig und gutmütig daher kommenden »Urchs«, archaische Wesen im naiv-kindlichen Zeichenstil, die wohl jedem Betrachter zumindest ein Schmunzeln entlocken. »Es ist unübersehbar, dass die Urchse nach dem Besuch von Pablo Picasso Ende 1937 bei Klee in Bern entstanden. Sie sind ein menschenähnlicher Gegenentwurf zu den kraftstrotzenden Minotauren und Tieren des Spaniers«, erklärte die Schweizer Kuratorin Myriam Dössegger von der Paul-Klee-Stiftung im Kunstmuseum Bern beim Rundgang durch die Ingelheimer Schau. Die meisten der hier präsentierten Werke sind Leihgaben der Schweizer Stiftung. In Deutschland ist die thematische Präsentation von Klees tierischen Werken erstmals zu sehen.

Untrennbar verbunden mit Klees Zeichnungen sind die humorvollen bis satirischen Bildtitel, die der Künstler seinen Bildern und Zeichnungen nachträglich gab. Sie zu lesen macht Erwachsenen wie auch Kindern Spaß und hilft, die oft skurril wirkenden Wesen des Künstlers zu deuten. Dass die tierische Schau nicht nur Kunst- und Tierfreunde, sondern speziell auch Familien mit Kindern im Fokus hat, zeigt die etwas andere Hängung der Werke in diesem Jahr. »Für die kleinen Besucher sind die Exponate der Ausstellung diesmal einige Zentimeter tiefer angebracht als sonst«, so der Leiter der Internationalen Tage Ingelheim, Dr. Ulrich Luckhardt. Ein Kinderquiz, mit dem man sich spielerisch und kreativ durch die Ausstellung bewegen kann, steht zudem im Internet zur Verfügung.

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