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Astra-Zeneca-Vakzine

Thrombosen auch erst nach zweiter Dosis möglich

In sehr seltenen Fällen kann eine Covid-19-Impfung mit Vaxzevria® von Astra-Zeneca zu Thrombosen mit Thrombozytopenie führen. Eine gut überstandene erste Impfung ist dabei keine Garantie für eine komplikationsfreie zweite Dosis.
Christina Hohmann-Jeddi
12.05.2021  15:00 Uhr

Der Covid-19-Impfstoff Vaxzevria® von Astra-Zeneca kann äußerst selten ungewöhnliche Gerinnungsstörungen, sogenannte Thrombosen mit Thrombozytopenie (TTS), verursachen. Aufgrund dieser Impfkomplikation ist das Präparat vor allem für Menschen über 60 Jahren empfohlen. Denn bei ihnen fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung aufgrund ihres hohen Risikos für schwere Covid-19-Verläufe deutlicher positiv aus als bei Jüngeren.

Personen unter 60, die bereits eine Dosis Vaxzevria erhalten haben, stehen jetzt vor der Entscheidung, welchen Impfstoff sie als zweite Dosis erhalten sollen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt einen mRNA-Impfstoff, obwohl für dieses Impfregime noch keine Daten vorliegen. Viele Geimpfte, die die erste Astra-Zeneca-Dosis gut und mit wenig Impfreaktionen überstanden haben, könnten sich aber auch diesen Impfstoff für die zweite Dosis wünschen, weil sie davon ausgehen, dass sie die zweite Dosis ebenso gut vertragen werden. Das ist aber eine Fehleinschätzung.

»Eine gut überstandene erste Impfung schließt Komplikationen bei der zweiten Impfung nicht sicher aus«, sagte Professor Dr. Andreas Greinacher vom Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald am Dienstag bei einer Veranstaltung des »Science Media Center Deutschland«. Aus Deutschland gebe es bislang wenige Daten; ihm sei nur ein Fall bekannt, bei dem die Gerinnungsstörung nach der zweiten Dosis aufgetreten sei. Die Blutprobe der betroffenen Person werde noch zur genaueren Abklärung untersucht. Aus Großbritannien sei aber bekannt, dass bei einigen Personen TTS auch nach der zweiten Dosis aufgetreten sei. Wie häufig dies sei, könne aber noch nicht abgeschätzt werden, berichtete Greinacher.

Sein Team hatte frühzeitig eine Hypothese für den der TTS zugrundeliegenden Pathomechanismus geliefert. Bei der Nebenwirkung handelt es sich um Blutgerinnsel an ungewöhnlichen Orten bei gleichzeitigem Mangel an Blutplättchen. Diese Störung werde durch einen evolutionär alten Teil des Immunsystems verursacht, der außer Kontrolle gerate, lautet die Hypothese. Greinacher verglich dies mit einem schlafenden Drachen in einer Höhle, der durch die Impfung geärgert und aufgeweckt werde. Dann laufe eine Immunreaktion »quasi auf Autopilot« ab, die zu einer starken Aktivierung der Gerinnung führe.

Nach der zweiten Dosis falle die Antwort des angeborenen Immunsystems Studiendaten zufolge geringer aus. Somit sei, um im Bild zu bleiben, der Stein, der auf den Drachen geworfen werde, bei der zweiten Dosis kleiner, so Greinacher. Daher sei es plausibel, bei der zweiten Dosis von einem geringeren TTS-Risiko auszugehen.

Was genau im Impfstoff den Drachen aufwecke und die fatale Immunreaktion anstoße, sei noch unklar, sagte Greinacher. Fakt ist, dass die Impfkomplikation bei zwei Vektorimpfstoffen beobachtet wurde, die beide auf einem Adenovirus als Vektor basieren. Neben dem Präparat von Astra-Zeneca ist dies auch der Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson). Naheliegend ist daher, dass das Adenovirus ein Problem darstellt.

»Das Adenovirus ist zwar replikationsunfähig, aber immerhin vollständig. Daher verursacht es eine stärkere Immunreaktion als die in den mRNA-Impfstoffen enthaltene mRNA«, erklärte Professor Dr. Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen.

Greinacher ergänzte, es sei nicht ausgeschlossen, dass auch natürliche Adenovirus-Infektionen die spezielle Gerinnungsstörung in seltenen Fällen auslösen könnten. Er habe vor einigen Jahren einen Fallbericht über eine Frau veröffentlicht, die zehn Tage nach respiratorischer Virusinfektion eine Sinusthrombose mit PF4-Antikörpern und Gerinnungsaktivierung entwickelt habe. »Das muss ziemlich genau das Gleiche gewesen sein«, sagte Greinacher. Eventuell sei die Assoziation bislang nicht erkannt worden, weil solche ausgesprochen seltenen Folgen nur auffielen, wenn viele Menschen betroffen seien. So habe man die Impfkomplikation mit einer Inzidenz von etwa 1 zu 40.000 auch nur entdecken können, weil so viele Menschen in so kurzer Zeit den gleichen Impfstoff erhalten hätten.

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