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Impfkomplikation

Mortalität bei Sinusthrombosen sinkt

Hirnvenenthrombosen sind eine seltene, aber gefährliche Komplikation bei Impfungen mit Vektor-basierten Coronaimpfstoffen. Die Sterblichkeit sank nach Aufklärung des Pathomechanismus deutlich, zeigt eine aktuelle Studie.
Christina Hohmann-Jeddi
30.09.2021  15:00 Uhr

Nach Gabe der Vektorimpfstoffe gegen das Coronavirus von Astra-Zeneca und von Janssen (Johnson & Johnson) können in sehr seltenen Fällen Hirnvenenthrombosen entstehen, die zum Teil mit einem Blutplättchenmangel einhergehen. Eine weltweite, von der Universität Amsterdam und vom Stroke Center am Universitätsspital Bern geleitete Studie ging nun der Frage nach, welche Eigenschaften und welche Sterblichkeit verschiedene Untergruppen von Patienten aufwiesen, die nach der Covid-19-Impfung eine solche Komplikation erlitten. Die Ergebnisse präsentiert das Team um Mayte Sánchez van Kammen aktuell im Fachjournal »JAMA Neurology«.

Es konnte für die Kohortenstudie auf Daten von 81 Kliniken aus 19 Ländern zurückgegriffen werden. Identifiziert wurden 116 Patientinnen und Patienten, die wegen Sinusthrombosen, die innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung aufgetreten waren, in einem Krankenhaus behandelt worden waren. Von den 116 Betroffenen hatten 78 (67,2 Prozent) ein Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS). Als Kontrollgruppe verwendeten die Forschenden eine Gruppe von 207 Patienten mit Sinusthrombosen, die vor der Pandemie aufgetreten waren.

Die TTS-Gruppe unterschied sich deutlich von der Nicht-TTS- und der Kontrollgruppe: Die Patienten waren häufig komatös bei Aufnahme ins Krankenhaus (24 Prozent), wiesen Hirnblutungen (68 Prozent) und begleitende Thrombosen (36 Prozent) auf. Die Sterblichkeit war in der TTS-Gruppe mit 47 Prozent deutlich höher als in der Gruppe mit alleiniger Sinusthrombose (5 Prozent) und der Kontrollgruppe (4 Prozent). Nachdem der Pathomechanismus der TTS aufgeklärt worden war, sank die Mortalität betroffener Patienten allerdings von 61 Prozent auf 42 Prozent, heißt es in der Publikation.

Schon früh nach Bekanntwerden der Impfkomplikation hatte eine Greifswalder Forschergruppe um Professor Dr. Andreas Greinacher eine Hypothese zum Pathomechanismus geliefert. Demnach spielen Antikörper gegen den Blutplättchenfaktor PF4 eine wichtige Rolle bei der Verklumpung von Thrombozyten mit der Folge einer Thrombozytopenie. Seither kamen gezielte Therapien zum Einsatz wie Immunglobuline und Plasmaaustausch (therapeutische Plasmapherese). Diese Therapieanpassung könnte ein Grund sein, warum die Sterblichkeit nach Hirnvenenthrombose bei Blutplättchenarmut gefallen ist. Neuere noch unveröffentlichte Daten und eine bereits publizierte britische Studie wiesen in die gleiche Richtung und zeigten eine nochmals deutlich reduzierte Sterblichkeit, heißt es in einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern.

Die Forschenden hoffen, dass ihre Erkenntnisse zu den Patientencharakteristika dazu beitragen, besonders gefährdete Patientengruppen in Zukunft noch früher zu erkennen und so die Sterblichkeit durch eine gezielte Therapie weiter zu senken. Erst vor Kurzem hatte eine Untersuchung gezeigt, dass sich wohl ein Teil der Sinusthrombosen bei konsequenter rechtzeitiger Therapie sogar verhindern lasse. Man muss bei starken Kopfschmerzen nur rasch genug handeln. Denn die Kopfschmerzen sind der Publikation zufolge offenbar keine Begleiterscheinung der thrombotischen Komplikation, sondern deren Vorbote. 

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