Teenager entwickelt Typ-1-Diabetes nach Corona-Infektion |
Greift das SARS-CoV-2-Virus auch Betazellen des Pankreas an? Ein Fallbericht lässt dies vermuten. / Foto: Getty Images/Mehau Kulyk/Science Photo Library
Das SARS-CoV-2 Virus kann auch in die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse eindringen und diese schädigen. Das berichten heute Forscher aus Kiel, München und Dresden unter Leitung von Professor Dr. Matthias Laudes von der Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel in der renommierten Fachzeitschrift »Nature Metabolism«.
»Ein 19-jähriger Patient kam mit neu entwickeltem schweren Diabetes mit Insulinmangel zu uns in die Klinik. Es zeigte sich, dass er ein paar Wochen vorher offenbar eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht hatte«, berichtet Laudes. »Ein Insulinmangel-Diabetes, also Typ-1-Diabetes, wird gewöhnlich durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst, bei der das Immunsystem die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse fälschlicherweise für fremd hält und angreift. Doch bei diesem Patienten gab es diese Autoimmunreaktion nicht. Wir gehen davon aus, dass das SARS-CoV-2-Virus hier selbst die Betazellen angegriffen hat.«
Zu dieser Theorie passt, dass der ACE2-Rezeptor, über den das Virus in die menschlichen Zellen gelangt, auch auf Betazellen vorkommt. Zwar beweise dieser Fall keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Covid-19 und der Diabetes-Erkrankung, betonen die Wissenschaftler. Auch könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Patient eine vorbestehende seltene Form der Autoimmunerkrankung gehabt haben könnte – ohne die normalerweise typischen Auto-Antikörper. Sie halten Schäden an den Betazellen durch SARS-CoV-2 jedoch für wahrscheinlich. Es ließ sich nicht abschließend klären, ob die Blutzuckerwerte des Patienten bereits vor oder erst nach der Infektion angestiegen waren.
Der Patient kam aufgrund typischer Diabetes-Symptome wie Fatigue, exzessivem Durst, übermäßigem Trinken und starkem Gewichtsverlust in die Klinik. Der Typ-1-Diabetes wurde schnell diagnostiziert. Bei einem Antikörpertest fanden die Ärzte Immunglobulin-G-, nicht aber Immunglobulin-M-Antikörper gegen das Coronavirus. Sie schließen daraus, dass der junge Mann etwa fünf bis sieben Wochen vor dem Klinikbesuch eine Coronavirus-Infektion durchgemacht hat. Zur selben Zeit waren seine Eltern aus dem Skiurlaub in Österreich zurückgekehrt und hatten typische Covid-19-Symptome gezeigt.
»Wir sind sicher, dass als Folge dieser Erkrankung weitere gesundheitlich relevante Stoffwechselprobleme entstehen können«, sagt Professor Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, und Leiter der COVIDOM-Studie, zu der alle in Schleswig-Holstein als infiziert gemeldeten Personen eingeladen werden. Hier sollen Langzeitfolgen der Infektion untersucht werden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.