Tabuthema mit hohem Leidensdruck |
Die gezielte Anamnese beim Hausarzt oder besser noch beim Proktologen umfasst die genauen Symptome, zum Beispiel Farbe und Intensität von Blutungen, das Ausmaß einer Vorwölbung durch digital-rektales Austasten, Fragen zu Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, Stuhlgewohnheiten und familiärer Belastung durch Kolonkarzinome. Die Untersuchung des unteren Rektums (Proktoskopie) dient dem Ausschluss anderer analer Erkrankungen sowie der Differenzialdiagnostik (Tabelle 2).
Das vertrauensvolle Gespräch mit dem Arzt ist unerlässlich für die Abklärung von Analbeschwerden. / Foto: AOK-Mediendienst
Erkranken Patienten ab dem 40. Lebensjahr an Hämorrhoidalleiden, so empfiehlt die Leitlinie zusätzlich die Spiegelung des Mastdarms (Rektoskopie). Nur bei Verdacht auf weitere Erkrankungen des Darms trägt die Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie) zur Diagnostik bei. Studien lassen den Schluss zu, dass Patienten mit Hämorrhoidalleiden kein erhöhtes kolorektales Karzinomrisiko haben.
Ultraschalluntersuchungen oder ein Test auf okkultes Blut im Stuhl sind nicht sinnvoll zur Diagnose von Hämorrhoidalleiden.
→ Anamnese und Proktoskopie sind die Basis der Differenzialdiagnose.
Wissenschaftliche Studien ergeben positive Wirkungen von Flavonoiden wie Citrusbioflavonoiden, Hesperidin, Diosmin, Rutin oder Hydroxymethylrutinosiden. Einige dieser Arzneistoffe werden peroral als Venenmittel eingesetzt und wegen ihrer gefäß- und ödemprotektiven Wirkung auch bei Hämorrhoidalleiden verordnet.
Die Leitlinie spricht vor allem bei Diosmin und Hesperidin von »Interna« mit evidenzbasierter Empfehlung bei akuten Hämorrhoidalleiden und zur Besserung des postoperativen Verlaufs. Diosmin ist ein mikronisierter Flavonoid-Auszug; Hesperidin ist das Hauptflavonoid der Schalen von Orangen und Zitronen. Das Präparat Daflon® (weitere Handelsnamen: Venalex®, Detralex®) enthält ein Flavonoid-Gemisch aus Diosmin (meist 450 mg) und Hesperidin (meist 50 mg). Alle genannten Präparate sind in Deutschland nicht, aber in anderen europäischen Ländern erhältlich.
Bei hydroxilierten Flavonoid-Mischungen nennt die Leitlinie Rutoside und ß-Hydroxyethylrutoside, die als Gemisch (Oxerutin) oder als Einzelsubstanz (Troxerutin, Trihydroxyethylrutosid) verfügbar sind. Es gibt auch Kombinationen mit Quercetin und Hesperidin.
Zur symptomatischen Therapie ohne ausreichende Evidenz gibt es eine Reihe von topischen Produkten in Form von Salben, Cremes, Suppositorien und Analtampons. Die Leitlinie fasst diese Medikamente unter dem Begriff »Hämorrhoidalia« zur Behandlung akuter Beschwerden zusammen. Diese werden perianal oder rektal angewandt und lindern Juckreiz, Brennen und Schmerzen. Salben oder Cremes für den äußeren Analbereich werden mehrmals täglich idealerweise nach dem Stuhlgang mit dem Finger auf die gereinigte und trockene Haut aufgetragen. Applikatoren unterstützen die Anwendung der Arzneimittel im inneren Afterbereich.
Für blutende oder nässende Hämorrhoiden gibt es sogenannte Analtampons. Das sind Zäpfchen mit eingeschmolzenen Mullstreifen oder auch spezielle Vlieskompressen (Analvorlagen), die die Haut um den After trocken und die Suppositorien in der richtigen Position halten. Damit wird der Arzneistoff direkt am Wirkort abgegeben.
Ein Analdehner mit Rückholband ist als Medizinprodukt im Handel. Dieser wird mehrmals am Tag für jeweils 60 Minuten in den Analkanal eingeführt; dies führt zur Entspannung des Schließmuskels und zur Rückbildung von Hämorrhoiden.
Lokalanästhetika wie Lidocain, Quinisocain oder Cinchocain (Rp) blockieren die Weiterleitung von Nervenreizen. Juckreiz und leichtere Schmerzen werden gelindert. Quinisocain und Cinchocain sind maximal zweimal täglich über eine Woche anzuwenden. Dagegen können Lidocain-haltige Arzneimittel bis zu sechs Wochen genutzt werden. Rektalsalben mit Lidocain werden eine halbe Stunde vor dem Stuhlgang oder unmittelbar danach aufgebracht und lindern starke Schmerzen. Das Apothekenteam sollte auf mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen auf die Lokalanästhetika hinweisen.
Antiphlogistika wie Corticosteroide (Flucortolon, Hydrocortison, Prednisolon) werden bei heftigeren Beschwerden ärztlich verordnet.
Linderung versprechen auch weitere Externa, wobei die Evidenz gemäß Leitlinie oft dünn ist. Gerbstoffe aus Blattextrakten von Hamamelis und Eichenrinde sowie synthetische Gerbstoffe dichten Hautirritationen ab. Basisches Bismutgallat fördert die Wundheilung. Salben mit Kamillenblütenextrakt sind zur Behandlung von Hämorrhoidalleiden indiziert; Zinkoxid wirkt austrocknend. Sitzbäder mit Gerbstoffen oder Kamille, zwei- bis dreimal wöchentlich für 10 bis 15 Minuten, verschaffen ebenfalls Linderung.
Bei heftigeren Schmerzen können die Patienten Analgetika oral einnehmen. In der Apotheke sind wichtige Kontraindikationen, Wechselwirkungen und Tagesmaximaldosen zu erklären. Acetylsalicylsäure hemmt die Thrombozytenaggregation und ist wenig geeignet, da hämorrhoidale Blutungen länger andauern können.
Kräuter aus der Traditionellen Chinesischen Medizin können, so die Leitlinie, Hämorrhoidal-Blutungen stillen, aufgrund der schwachen wissenschaftlichen Evidenz allerdings ohne Empfehlung. Zusätzlich kann das Apothekenteam Pflegesalben mit Jojobaöl oder Bienenwachs, Zinkoxid oder ätherischen Ölen empfehlen, die einen Schutzfilm auf der irritierten Haut im Analbereich bilden.
Da es bei allen topischen Arzneiformen zur Verschmutzung der Wäsche kommen kann, ist die Verwendung von Slipeinlagen oder Ähnlichem empfehlenswert. Bessert sich die Symptomatik innerhalb von längstens sechs Wochen nicht, ist die Differenzialdiagnose beim Arzt notwendig.
→ Zur symptomatischen Behandlung von Hämorrhoidalleiden gibt es eine Fülle von Hämorrhoidalia mit und ohne ausreichende Evidenz, die bei akuten Beschwerden über maximal sechs Wochen angewandt werden können.
Foto: iStock/sturti
Eine ältere Dame steht etwas abseits in der Apotheke und schaut sich die Kosmetikprodukte an. Nachdem der letzte Kunde die Offizin verlassen hat, wendet Sie sich an die Apothekerin und sagt ganz leise: »Ich möchte bitte eine Hämorrhoiden-Salbe!«
Auf Nachfrage antwortet die Kundin, sie benötige dieses Arzneimittel selbst. Sie sehe Blut auf dem Toilettenpapier und leide an Juckreiz in der Analregion und leichten Schmerzen bei der Stuhlentleerung. Die Apothekerin bemerkt, dass die Dame unruhig wird, als ein weiterer Kunde die Apotheke betritt, und bittet sie in den Beratungsraum für das weitere Gespräch. Die Kundin erzählt, dass sie immer wieder ähnliche Beschwerden habe, diesmal jedoch eine stärkere Blutung bei der Stuhlentleerung. Die Apothekerin rät, das Problem unbedingt ärztlich abklären zu lassen, und gibt ihr ein Informationsblatt mit Beschreibung der diagnostischen Untersuchungen bei Hämorrhoidalbeschwerden mit. Dies verringert die Sorge der Kundin vor den notwendigen Untersuchungen. Zur Überbrückung bis zum Arztbesuch empfiehlt sie eine Salbe zur Linderung der Symptome und erklärt die genaue Anwendung. Abschließend gibt die Apothekerin der Kundin Empfehlungen für eine gesunde Ernährung mit ausreichender Menge an Ballaststoffen und genügender Flüssigkeitsaufnahme. Mit diesem Rundum-Paket verlässt die Seniorin deutlich erleichtert die Apotheke.