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Miktionsbeschwerden

Tabuthema Blasenprobleme

Über unwillkürlichen Urinabgang, Schmerzen beim Wasserlassen oder ständigen Harndrang sprechen die meisten Menschen nicht gerne. Betroffen von Miktionsstörungen sind aber sehr viele – aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Clara Wildenrath
10.04.2019  09:00 Uhr

Eine gesunde Blase hat im Wesentlichen zwei Aufgaben: den von den Nieren produzierten Harn zu speichern und ihn dann über die Harnröhre abzugeben.

Normalerweise beträgt ihr Füllungsvolumen etwa 300 bis 500 ml. Bei einer durchschnittlichen Harnproduktion von 1,5 Litern pro Tag muss man also drei bis fünf Mal täglich zur Toilette – was natürlich auch von der Trinkmenge abhängt. Trotz Harndrang und einer entsprechend vollen Blase kann ein gesunder Mensch den Zeitpunkt der Blasenentleerung (Miktion) selbst bestimmen.

Häufiges Problem

Mindestens jede achte Frau und jeder zehnte Mann haben chronische Probleme beim Wasserlassen. Das kann sich zum Beispiel in häufigen Toilettengängen mit geringer Urinmenge (Pollakisurie) äußern. Besonders störend ist das, wenn dadurch nachts der Schlaf mehrfach unterbrochen wird (Nykturie). Einige leiden an imperativem, also kaum zu beherrschendem Harndrang, der auch zu unwillkürlichem Urinabgang (Dranginkontinenz) führen kann.

Von diesen Harnspeicherstörungen unterscheidet man die Blasenentleerungsstörungen. Dazu zählen Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), eine erschwerte oder schmerzhafte Miktion (Dysurie) oder ein schwächerer Harnstrahl. Manche Betroffene können die Blase nicht mehr komplett entleeren – es kommt zur Restharnbildung. Oftmals vermischen sich die Symptome von Harnspeicher- und Entleerungsstörungen.

Mit zunehmendem Alter steigt bei beiden Geschlechtern sowohl der Anteil der Betroffenen als auch das Ausmaß der Beschwerden (1, 2). So leidet bereits etwa jeder Dritte der Über-70-Jährigen unter Harninkontinenz. Miktionsprobleme können nicht nur die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zur sozialen Isolation, sondern auch zu gesundheitlichen Problemen wie Hautirritationen und Infektionen führen. Doch nur etwa ein Fünftel spricht mit einem Arzt über die Beschwerden – obwohl den meisten mit der richtigen Therapie geholfen werden könnte.

Neurogene, mechanische und infektiöse Ursachen

Wie gut die Miktion funktioniert, hängt vonseiten der Blase von zwei Faktoren ab: zum einen von der Austreibungskraft und dem Dehnungsvermögen der glatten Blasenmuskulatur und zum anderen von der Haltekraft ihres Abflussventils, des Sphinkters.

Die Kontraktion des Blasenmuskels (Detrusor) geschieht reflexartig durch das vegetative Nervensystem, kann also willentlich nicht gesteuert werden. Hauptverantwortlicher Neurotransmitter ist Acetylcholin. Ist die Nervenübertragung gestört, zum Beispiel durch einen Schlaganfall, eine Rückenmarksverletzung oder Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose, kommt es zu einer sogenannten neurogenen Blasenfunktionsstörung. Die Folge ist entweder eine schlaffe Blase, die sich nicht mehr vollständig entleert, oder eine spastische überaktive Blase, die zu spontanen Kontraktionen neigt.

Die Steuerung des äußeren Sphinkters unterliegt beim gesunden Erwachsenen dagegen der willkürlichen Kontrolle. Da der ringförmige Schließmuskel Teil des Beckenbodens ist, hängt seine Funktion unter anderem davon ab, wie gut diese Muskelplatte trainiert ist.

Ausgelöst wird der Harndrang durch einen Dehnungsreiz, der durch die zunehmende Füllung der Blase entsteht. Dieser wird von den Nervenendigungen in der Blasenwand registriert und an das Rückenmark weitergeleitet.

Damit die Miktion ordnungsgemäß ablaufen kann, muss das Nervensystem die Kontraktion der Blase mit der Entspannung des Schließmuskels koordinieren. Auch auf dieser Ebene kann es zu neurogenen Störungen kommen.

Manchmal ist aber auch der Urinabfluss durch die Harnröhre gestört. Das hat in der Regel mechanische Ursachen, zum Beispiel eine vergrößerte Prostata oder Blasensteine, die den Blasenauslass oder die Harnröhre blockieren. Typische obstruktive Miktionsbeschwerden sind Startschwierigkeiten beim Wasserlassen, ein schwacher, manchmal auch unterbrochener Harnstrahl und Nachtröpfeln.

Auf Dauer kann die Abflussbehinderung zu einer chronischen Überdehnung der Blase führen, die deren Kontraktionsfähigkeit immer weiter schwächt.

Schmerzen beim Wasserlassen sind meist infektiös bedingt. Entzündete Schleimhäute in der Harnröhre und/oder Blase reagieren auf den Kontakt mit Urin mit Schmerzen. In der Regel kommen irritative Symptome wie Pollakisurie und häufiger Harndrang dazu. Auslöser einer Infektion der unteren Harnwege sind in den meisten Fällen Escherichia-coli-Bakterien, die bis in die Nieren aufsteigen können. Mädchen und Frauen sind aufgrund ihrer kürzeren Harnröhre häufiger betroffen als Männer.

Eine Entzündung ohne nachweisbare Erreger liegt bei der interstitiellen Zystitis vor (Kasten).

Benigne Prostata-Hyperplasie

Die weitaus häufigste Ursache für Miktionsprobleme beim Mann ist eine vergrößerte Prostata (benigne Prostata-Hyperplasie, BPH). Die Vorsteherdrüse umschließt die männliche Harnröhre direkt unterhalb der Blase wie ein Ring. Mit zunehmendem Alter wächst ihr Volumen. Das kann die Entleerung der Blase behindern: Der Harnstrahl wird schwächer, das Wasserlassen dauert länger. Oft vergeht auch etwas Zeit, bis die ersten Tropfen kommen, und nach dem Urinieren tropft es noch nach. Manchmal hat der Mann nach dem Urinieren das Gefühl, dass noch Restharn in der Blase vorhanden ist. Das kann bei einer deutlich vergrößerten Prostata und der dadurch gebildeten »Balkenblase« auch tatsächlich der Fall sein.

Zu den obstruktiven Symptomen kommen oft noch irritative Beschwerden wie Pollakisurie und Nykturie hinzu. Gelegentlich entwickelt sich zusätzlich eine Inkontinenz. Zwischen der Größe der Prostata und dem Ausmaß der Beschwerden besteht allerdings kein direkter Zusammenhang, wie Studien zeigten.

Ein Prostatakarzinom bewirkt ebenfalls eine Vergrößerung der Vorsteherdrüse. Da ein maligner Tumor im Gegensatz zur gutartigen Wucherung aber eher in den Randbereichen wächst, führt er in der Regel erst sehr spät zu Miktionsproblemen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass jeder zweite Mann über 50 Jahren eine BPH hat, von den über 80-Jährigen sogar praktisch jeder. Bei etwa einem Drittel bis der Hälfte der Betroffenen verursacht sie die typischen Symptome, die heute als benignes Prostatasyndrom (BPS) zusammengefasst werden.

Nach einer Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) erhalten jedoch 70 Prozent der Männer mit Harnwegsbeschwerden keine Therapie – weil sie sich scheuen, mit dem Arzt darüber zu sprechen. Das Problem: Unbehandelt schreitet die BPH immer weiter fort, und das Komplikationsrisiko steigt. Die Restharnbildung begünstigt Harnwegsinfekte bis hin zur Nierenbeckenentzündung. Wenn sich der Urin längere Zeit anstaut, kann daraus eine Niereninsuffizienz und schließlich ein Nierenversagen entstehen. Ablagerungen von Urinbestandteilen, die nicht ausgespült werden, fördern zudem die Entstehung von Harnsteinen.

Ein urologischer Notfall ist der akute Harnverhalt – die Unfähigkeit, die volle Blase zu entleeren. Er ist meist sehr schmerzhaft und muss sofort ärztlich behandelt werden. In der Regel wird die übervolle Blase mittels Katheter entleert.

Medikamente gegen BPS und BPH

Viele Männer vertrauen auf Phytopharmaka, um ihre Prostatabeschwerden zu lindern. Häufig zum Einsatz – vor allem bei mildem BPS – kommen beispielsweise Präparate mit Inhaltsstoffen aus den Früchten der Sägezahnpalme (Serenoa repens oder Sabal serrulatum), aus Brennnesselwurzel (Urtica dioica), Roggenpollen (Secale cereale), Kürbissamen (Cucurbita pepo) oder mit Phytosterolen (β-Sitosterol). Allerdings gibt es bislang nur wenige aussagekräftige und ausreichend große Studien, die klar belegen, dass sich die Symptome dadurch stärker verbessern als durch Placebo (4). Als am besten untersucht gelten Präparate mit Extrakten aus der Sägezahnpalme und Brennnesselwurzel, insbesondere in Kombination.

Die Progression der Hyperplasie kann jedoch keiner der Pflanzenextrakte verhindern. Wichtig ist daher, dass auch eine Phytotherapie ärztlich begleitet wird.

Sogenannte Alphablocker (genauer: Alpha-1-Rezeptor-Antagonisten) zählen zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten gegen Prostatabeschwerden. Sie reduzieren die Muskelspannung in der Prostata und im unteren Bereich der Blase. Meist verbessern sich dadurch Symptome wie Nykturie, Dysurie und Pollakisurie innerhalb weniger Tage. Auf das Prostatawachstum und das Komplikationsrisiko haben Alphablocker jedoch keinen Einfluss.

Die meisten Präparate bewirken eine mehr oder weniger starke Blutdrucksenkung, die durch andere Antihypertensiva verstärkt werden kann. Als typische Nebenwirkungen gelten vor allem Schwindel und Abgeschlagenheit, aber auch Störungen beim Samenerguss und eine laufende Nase. Häufig wird in Deutschland Tamsulosin zur Therapie des BPS eingesetzt; zugelassen sind außerdem Alfuzosin, Doxazosin, Silodosin und Terazosin.

Im Gegensatz zu Alphablockern können die 5-alpha-Reduktase-Hemmer auch das Prostatavolumen verringern und somit das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Sie blockieren das Enzym, das Testosteron in seine gewebeaktive Form, das Dihydrotestosteron (DHT), umwandelt. DHT ist hauptverantwortlich für die Vergrößerung der Vorsteherdrüse. Allerdings setzt der volle Effekt der Enzymblockade erst nach bis zu sechs Monaten ein. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Erektionsstörungen, verringertes sexuelles Verlangen, Störungen beim Samenerguss und Schwellungen der Brustdrüsen.

In Deutschland erhältlich sind Finasterid (auch Generika) und Dutasterid. 5-alpha-Reduktase-Hemmer und Alphablocker werden wegen ihrer sich ergänzenden Wirkung auch zusammen verordnet.

Seit 2013 ist der Phosphodiesterase-5-Hemmer Tadalafil, der bei erektiler Dysfunktion eingesetzt wird, auch zur Behandlung des BPS zugelassen (Tagesdosis 5 mg als Dauertherapie). Er bewirkt eine Muskelentspannung im Bereich des Harntrakts und kann so den Harnabfluss erleichtern.

Wenn sich die Beschwerden medikamentös nicht ausreichend lindern lassen, kann der Urologe die Prostata chirurgisch verkleinern. Bei den meisten Verfahren geschieht dies durch die Harnröhre (transurethral). Offene Operationen mit einem Bauchschnitt sind heute nur noch selten erforderlich.

Die überaktive Blase

Die Reizblase, wie man sie früher nannte, galt lange als typisches Frauenleiden. Inzwischen belegen Studien, dass die überaktive Blase (overactive bladder, OAB) mit einer Prävalenz von etwa 12 Prozent bei Männern und Frauen gleich weit verbreitet ist (5). Auch hier steigt mit zunehmendem Alter der Anteil der Betroffenen.

Zu den Hauptsymptomen der OAB gehören häufiger, oft sehr plötzlich auftretender und kaum/nicht beherrschbarer Harndrang, Pollakisurie und Nykturie. In etwa einem Drittel der Fälle ist sie mit Inkontinenz verbunden (»nasse« im Gegensatz zur »trockenen« Form). Es gilt als erwiesen, dass die OAB auch beim BPS für einen Teil der Symptome verantwortlich ist.

Wie es zur Überaktivität des Detrusormuskels kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Offensichtlich besteht ein Ungleichgewicht zwischen den erregenden und hemmenden Reizen, die auf die Blasenwand und den Blasenausgang einwirken. Eine erkennbare medizinische Ursache dafür, zum Beispiel eine neurologische Erkrankung wie Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose, findet sich nur selten. Relativ häufig leiden Patienten mit Diabetes mellitus infolge einer diabetischen Neuropathie unter einer OAB.

Neueren Erkenntnissen zufolge spielen Veränderungen des Urothels eine Rolle in der Pathogenese (6). Diese innere Grenzschicht der Blasenwand enthält zahlreiche Zellen mit Muskarin-Rezeptoren und produziert auch selbst Neurotransmitter wie Acetylcholin und Stickstoffmonoxid. Bei der OAB kommt es durch die Blasendehnung zu einer übermäßigen Ausschüttung von Acetylcholin im Urothel, während gleichzeitig die Empfindlichkeit der sensorischen Rezeptoren steigt. Das kann zu einem verstärkten Harndrang beitragen.

OAB-Therapie: konservativ bis operativ

Patienten mit einer mild ausgeprägten OAB-Symptomatik profitieren oft schon von einer Verhaltens- und/oder Physiotherapie. Dabei lernen sie unter professioneller Anleitung, den Toilettengang schrittweise länger hinauszuzögern und den Beckenboden durch gezielte Übungen zu stärken – eventuell intensiviert durch Biofeedback-Training oder Elektrostimulation. Diese Maßnahmen konnten die Drangsymptomatik in Studien signifikant verbessern. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse erwies sich die Verhaltenstherapie zur Heilung oder Verbesserung der Dranginkontinenz sogar als wirksamer als pharmakologische Interventionen (7).

Mittel der ersten Wahl zur medikamentösen Therapie sind Anticholinergika wie Darifenacin, Fesoterodin, Oxybutynin, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin und Trospiumchlorid. Sie blockieren die Muskarin-Rezeptoren und bremsen so die Aktivierung des Detrusors durch Acetylcholin. Allerdings führen sie wegen der universellen Verbreitung von Muskarin-Rezeptoren im Organismus häufig zu Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Akkomodationsschwierigkeiten und Herzrhythmusstörungen. Oft sind diese unerwünschten Wirkungen der Grund für mangelnde Therapietreue. Gerade bei älteren Patienten sind auch Langzeiteffekte auf die Kognition zu befürchten; bei Demenz-Patienten können kognitive Störungen verstärkt werden.

Besser tolerabel scheint der seit 2017 nach dreijähriger Pause wieder erhältliche beta-3-Rezeptoragonist Mirabegron zu sein.

Wenn konservative Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht fortgesetzt werden können, kann man die Acetylcholin-Ausschüttung durch direkte Injektionen von Botulinum-A-Toxin in die Blasenwand blockieren. Die Wirkung hält etwa sechs bis neun Monate an, die Erfolgsquote liegt bei etwa 75 Prozent.

Noch einen Schritt weiter geht die sakrale Neuromodulation, bei der ein kleiner Beckenboden-Schrittmacher in das Nervengeflecht hinter dem Kreuzbein implantiert wird. Ob der Patient auf die Elektrostimulation reagiert, wird zunächst mithilfe eines externen Schrittmachers getestet. Die Erfolgsrate beträgt nach einer erfolgreichen Testphase 80 bis 90 Prozent.

Beckenbodeninsuffizienz

Tatsächlich ein »Frauenthema« ist die Beckenbodeninsuffizienz. Mit zunehmendem Alter kommt es bei vielen Frauen zu einer Schwächung des Beckenbodens. Verantwortlich dafür ist unter anderem der Mangel an Estrogenen nach der Menopause, der die Durchblutung und die Elastizität des Gewebes verringert. Auch Schwangerschaften, vaginale Geburten, Übergewicht, chronische Verstopfung und häufiges schweres Heben belasten den Beckenboden.

Im Lauf der Zeit kann die Muskelplatte nachgeben, die normalerweise die Unterleibsorgane in der richtigen Lage hält. Dadurch kommt es zu einer Senkung von Harnblase, Gebärmutter oder Scheide. Weil der Harnröhrenausgang seine Lage am Schambein nicht verändert, verstärkt sich die Krümmung der Harnröhre. Das kann die Funktion des Blasenverschlusses beeinträchtigen, der durch die Beckenbodenschwäche ohnehin an Haltekraft verloren hat. Steigt nun der Druck im Bauchraum, ist unwillkürlicher Urinverlust die Folge – anfangs vor allem beim Husten oder Lachen, später auch beim Aufstehen oder Laufen.

Bei leichteren Formen der Stressinkontinenz (Kasten) hat sich das Beckenbodentraining als effektive Maßnahme erwiesen. Die Kosten für entsprechende Kurse übernimmt in der Regel die Krankenkasse. Optimiert werden kann das Muskeltraining durch Biofeedback, Vaginalkonen oder Elektrostimulation. Eine Gewichtsreduktion kann die Inkontinenz bei adipösen Frauen oft deutlich lindern.

In mittelschweren bis schweren Fällen kann zusätzlich der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Duloxetin verordnet werden. Er erhöht den Muskeltonus des Blasensphinkters und verbessert so die Kontinenz. Allerdings löst die Therapie häufig gastrointestinale und zentralnervöse Nebenwirkungen wie Übelkeit, Mundtrockenheit, Obstipation, Schwindel, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit aus, die oft zum Therapieabbruch führen. Mit einer einschleichenden Duloxetin-Dosierung können Nebenwirkungen gemildert werden.

Wegen der Gefahr eines Serotonin-Syndroms sollte Duloxetin nicht gleichzeitig mit anderen Medikamenten eingesetzt werden, die den Serotonin-Haushalt beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Triptane, MAO-Hemmer oder trizyklische Antidepressiva.

Auch die lokale Anwendung von Estrogen-haltigen Salben oder Suppositorien bringt vielen postmenopausalen Frauen Linderung. Eine systemische Estrogensubstitution kann die Inkontinenz hingegen verschlimmern.

Pessare haben sich in verschiedenen Studien ebenfalls als wirksam zur Besserung einer Belastungsinkontinenz erwiesen. Die scheiben-, ring- oder würfelförmigen Silikongebilde werden in die Scheide eingeführt und unterstützen dort die Harnröhren- und Blasenwand. Wichtig ist eine sorgfältige Anpassung durch den Gynäkologen, damit das Pessar in seiner korrekten Lage bleibt und keine Schmerzen oder Druckgefühl verursacht.

Harnröhre operativ anheben

Bringt die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg, bleibt als letztes Mittel ein operativer Eingriff. Als Goldstandard gilt bei der Stressinkontinenz der Einsatz von spannungsfreien Schlingen unter der Harnröhre (tension-free vaginal tape, TVT). Sie werden minimal-invasiv von der Scheide aus eingelegt und entweder nach oben zur Bauchdecke geführt (retropubisch) oder nach außen in Richtung der Oberschenkelbeuge (transobturatorische Technik, TOT). Die Zehnjahres-Erfolgsquoten lagen in Studien bei bis zu 90 Prozent.

Eine neuere Entwicklung ist das »Unterpolstern« der Harnröhre im Bereich des äußeren Sphinkters durch die Injektion von sogenannten »Bulking Agents« wie Kollagen oder Silikon. Deren Wirkung hält jedoch teilweise nur kurz an; Langzeit-Ergebnisse fehlen bislang.

Die moderne Medizin kann heute den meisten Inkontinenzpatienten helfen, aber leider nicht immer vollständig. Bei Bedarf tragen Inkontinenzprodukte aus der Apotheke dazu bei, dass die Betroffenen wieder am gesellschaftlichen Leben und an körperlichen Aktivitäten teilnehmen können. Der Arzt kann sie auf einem Hilfsmittel-Rezept unter bestimmten Voraussetzungen auch zulasten der Krankenkasse verordnen.

Wenn Apotheker Zweifel haben, ob ein Kunde wegen der Miktionsbeschwerden überhaupt schon einmal beim Arzt war, können sie ihn – natürlich mit der gebotenen Diskretion – mit dem Hinweis auf die zahlreichen Behandlungsmöglichkeiten dazu ermutigen, seine Scheu zu überwinden. Auch damit helfen sie, die Lebensqualität der Betroffenen langfristig zu verbessern. /

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