Steckbrief Fosfomycin |
Annette Rößler |
27.07.2022 18:00 Uhr |
Escherichia coli, ein häufiger Erreger von unkomplizierten Harnwegsinfekten, ist laut Fachinformation »üblicherweise empfindlich« gegen Fosfomycin. / Foto: Getty Images/Science Photo Library/Steve Gschmeissner
Wie wirkt Fosfomycin?
Als einziges Epoxid-Antibiotikum unterscheidet sich Fosfomycin sowohl strukturell als auch bezüglich seines Wirkmechanismus von allen anderen Antibiotika. Es hemmt irreversibel das Enzym MurA, das für die bakterielle Zellwandsynthese essenziell ist, und wirkt so bakterizid. Das Wirkspektrum umfasst neben gramnegativen Bakterien auch grampositive Erreger wie Staphylokokken und Streptokokken.
Was sind die Einsatzgebiete von Fosfomycin?
Als kleines Molekül ist Fosfomycin gut gewebe- und ZNS-gängig und penetriert auch gut in Knochen. Es wird intravenös als Reserveantibiotikum angewendet etwa bei Infektionen innerer Organe, Knochen oder Gelenke sowie bei komplizierten Infektionen des Bauchraums, der Harnwege, der Haut oder des Weichteilgewebes.
Oral wird Fosfomycin in Form seines Trometamol-Salzes gegeben, und zwar zur Behandlung von unkomplizierten Blasenentzündungen bei Patienten ab zwölf Jahren. Da Blasenentzündungen bei Männern per se immer als kompliziert gelten, ist die Anwendung in dieser Indikation auf Frauen beschränkt. Bei Männern kann Fosfomycin oral prophylaktisch vor einer transrektalen Prostatabiopsie gegeben werden, allerdings stellt dies in Deutschland einen Off-Label-Einsatz dar.
Wie wird Fosfomycin dosiert?
Bei intravenöser Gabe richten sich die Tagesdosis und die Dauer der Behandlung nach der Indikation, dem Schweregrad und dem Ort der Infektion sowie der Nierenfunktion. Bei Kindern sind außerdem Alter und Körpergewicht zu berücksichtigen.
Zur oralen Anwendung bei Blasenentzündung sind Granulate zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen im Handel. Sie enthalten 3 g Fosfomycin (entsprechend 5,631 g Fosfomycin-Trometamol) und werden als Einzeldosis angewendet. Die Einnahme sollte auf leeren Magen (jeweils etwa zwei bis drei Stunden vor oder nach einer Mahlzeit) erfolgen, vorzugsweise vor dem Zubettgehen und nach dem Entleeren der Harnblase.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Nach oraler Gabe von Fosfomycin sind gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit, Dyspepsie und Bauchschmerzen, aber auch Vulvovaginitis, Kopfschmerzen und Schwindel häufige unerwünschte Wirkungen. Bei intravenöser Anwendung kommt es darüber hinaus häufig zu erythematösem Ausschlag, Elektrolytungleichgewichten (wegen der hohen Natriummenge in der Infusion), Reaktionen an der Injektionsstelle und Geschmacksstörungen. Allergische Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie sind möglich, aber selten.
Welche Wechselwirkungen kann Fosfomycin haben?
Die gleichzeitige Anwendung von oral verabreichtem Fosfomycin und Metoclopramid (beziehungsweise anderen Prokinetika) kann zu niedrigeren Fosfomycin-Konzentrationen in Serum und Harn führen und sollte daher vermieden werden. Bei gleichzeitiger Anwendung mit oralen Antikoagulanzien ist erhöhte Vorsicht geboten.
Können Schwangere und Stillende Fosfomycin anwenden?
Laut Fachinformation sollte Fosfomycin in der Schwangerschaft »nur angewendet werden, wenn dies eindeutig notwendig ist«. Eine detailliertere Bewertung hält das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité (Embryotox) bereit. Dort heißt es: »Fosfomycin ist ein Antibiotikum der zweiten Wahl in der Schwangerschaft. Von einigen Autoren wird die orale Einmalgabe von Fosfomycin-Trometamol bei unkomplizierten Harnwegsinfekten in der Schwangerschaft auch als Mittel der Wahl empfohlen. Die intravenöse Anwendung sollte nur nach Prüfung besser geeigneter Alternativen erfolgen.«
Auch in der Stillzeit gibt Embryotox anderen Antibiotika gegenüber Fosfomycin den Vorzug, schreibt aber auch: »Nach einer oralen Einmalgabe darf uneingeschränkt gestillt werden. Bei einer längerfristigen intravenösen Anwendung sollte im Einzelfall nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung über das Stillen entschieden werden.«
Wie groß ist die Resistenzproblematik bei Fosfomycin?
Fosfomycin wird von Bakterien über zwei verschiedene Transporter aktiv in die Zelle aufgenommen. Resistenzen entstehen in der Hauptsache dadurch, dass dieser Transport gestört ist. Wegen des spezifischen Wirkmechanismus gibt es keine Kreuzresistenzen mit anderen Antibiotika.
Als Naturstoff, der aus Streptomyces-Arten isoliert wird, ist Fosfomycin schon seit 1969 in Gebrauch, wurde aber nur zurückhaltend eingesetzt. Daher ist die Resistenzlage noch weniger angespannt als bei anderen Antibiotika. Damit das so bleibt, strengte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 2018 eine Überprüfung und Neubewertung von Fosfomycin durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) an, die 2020 abgeschlossen wurde. Um die Wirksamkeit von Fosfomycin zu erhalten, schränkte die EMA die intravenöse Anwendung noch weiter ein, sodass der Wirkstoff jetzt als Reserveantibiotikum erst beim Versagen anderer Antiinfektiva eingesetzt werden darf.
Strukturformel Fosfomycin / Foto: Wurglics