Spahn zieht gesetzliche Konsequenzen |
Ev Tebroke |
16.11.2018 13:28 Uhr |
Für die Herstellung und Abgabe von Zytostatika in Apotheken verschärft die Politik die Regeln. Die Preise für die zur Herstellung benötigten Wirkstoffe sollen künftig die Kassen verhandeln, nicht mehr die Apotheken. Foto: dpa
Mit dem Referentenentwurf zum sogenannten »Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung« (GSAV) stellte Spahn heute in Berlin ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, die die Arzneimittelversorgung künftig sicherer machen sollen. Eine davon betrifft die Zytostatika-Versorgung.
Künftig sollen Herstellung und Preisverhandlungen voneinander getrennt werden. Bislang erhalten Apotheken den tatsächlichen Einkaufspreis, den sie zuvor selbst verhandelt haben. Dies führt aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu enormen ökonomischen Anreizen und häufig, wie etwa im Fall Bottrop, zu Missbrauch. Dort hatte ein Apotheker aus Gewinnsucht im großen Stil Krebsarzneimittel gepanscht.
Um solch kriminellem Gebaren entgegenzuwirken, sind die Apotheker laut Entwurf raus aus den Preisverhandlungen. In Zukunft sollen die Krankenkassen mit der Pharmaindustrie die Wirkstoffpreise verhandeln. Die Apotheken sollen für die Herstellung von Krebsarzneimitteln künftig einen festen Arbeitspreis von 110 Euro erhalten.
Spahn rechnet dabei zwar mit geschätzten Mehrausgaben von rund 120 Millionen Euro. Gleichzeitig sollen die Preisverhandlungen auf Kassenebene wiederum schätzungsweise rund 300 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Denn die Apotheker erhalten dann von den Kassen den tatsächlichen Einkaufspreis. Unterm Strich soll die Neuregelung also insgesamt 180 Millionen Euro an Kosten sparen. Darüber hinaus will Spahn die Kontrollen der Zytostatika herstellenden Apotheken verschärfen und dazu die Häufigkeit der unangemeldeten Inspektionen erhöhen.
Um in Zukunft Fälle wie Lunapharm besser verhindern zu können, soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) respektive das Paul-Ehrlich-Institut künftig Rückrufe auf Landesebene besser koordinieren können. Generell soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gestärkt werden. Auch sollen die Bundesoberbehörden bei nationalen und zentralen europäischen Zulassungen Rückrufe starten können, wenn Qualitätsmängel bestehen oder ein Verdacht auf Arzneimittelfälschung vorliegt.
Was den Fall Valsartan betrifft, wo die Umstellung des Herstellungsprozesses zu einer Wirkstoff-Verunreinigung geführt hat und zahlreiche Valsartane unterschiedlicher Hersteller aus dem Verkehr gezogen werden mussten, so will Spahn den Kassen in Fällen von Produktmängeln einen Regressanspruch gegenüber den Herstellern einräumen. Versicherte sollen zudem bei Neuverordnung eines Medikaments in Folge eines Rückrufs von der Rezept-Zuzahlung befreit werden.
Zudem sollen die Kassen bei ihren Rabattverträgen künftig die Lieferfähigkeit mit berücksichtigen müssen und sind dann mitverantwortlich, dass Arzneimittel unterbrechungsfrei und bedarfsgerecht zur Verfügung stehen.
Das GSAV regelt darüber hinaus auch den Einsatz des elektronischen Rezepts. Die Selbstverwaltung soll bis 2020 die notwendigen Regelungen für die Verwendung des E-Rezepts schaffen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen sie 7 Monate zur Umsetzung haben. Die bisherigen Regelungen, die ausschließlich die Verordnung auf Papier vorsehen, sollen ebenfalls entsprechend angepasst werden. Das Verbot der Fernverschreibung soll fallen.
Auch beim Arzneimittelimport gibt es Änderungen. So will Spahn die bislang vorgeschriebenen 15 Euro Preisabstand, den ein importiertes Medikament haben muss, kippen. Künftig sollen Arzneimittelimporte generell wieder mindestens 15 Prozent günstiger sein als inländische Bezugsarzneimittel. Ob die Importquote fällt, soll sich im parlamentarischen Verfahren klären. Zuletzt hat sich die Landesregierung in Brandenburg im Nachgang der Lunapharm-Affäre für ein solches Verbot ausgesprochen und einen Antrag im Bundesrat angeregt.