Sotrovimab ist nun offiziell auf dem Markt |
Annette Rößler |
29.11.2022 07:00 Uhr |
Bereits seit einem Jahr verfügbar, jetzt offiziell auf den Markt gebracht, aber derzeit nicht empfohlen ist der therapeutische Antikörper Sotrovimab. / Foto: GSK
Sotrovimab (Xevudy® 500 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Glaxo-Smith-Kline) ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der sich gegen ein hochkonserviertes Epitop auf der Rezeptorbindedomäne (RBD) des Coronavirus SARS-CoV-2 richtet. Durch die Bindung an Sotrovimab wird die RBD blockiert und das Virus so daran gehindert, in Zellen einzudringen. Der Antikörper ist in Deutschland bereits seit Ende 2021 verfügbar, als die Bundesregierung ihn zentral beschafft hatte. Offiziell in den Markt eingeführt wurde er von GSK aber erst jetzt.
Bei der derzeit dominanten Omikron-Subvariante BA.5 ist die Neutralisationskapazität von Sotrovimab 22,6-fach geringer als beim Wildtyp von SARS-CoV-2. Dies lässt sich einer Tabelle in der Fachinformation entnehmen, die die Wirksamkeit des Antikörpers gegen die verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten und -Subvarianten auflistet. Wegen der schwachen Wirksamkeit gegen die derzeit dominante Variante wird in der aktuellen Fassung der S3-Leitlinie »Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit Covid-19« vom Einsatz von Sotrovimab abgeraten.
Nichtsdestotrotz ist Sotrovimab zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, wenn sie mindestens 40 kg wiegen, an Covid-19 erkrankt sind und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, aber noch keine Sauerstoff-Supplementierung brauchen.
Die Gabe der empfohlenen Einmaldosis von 500 mg Sotrovimab soll innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der Covid-19-Symptome erfolgen. Xevudy wird nach Verdünnung mit 50 oder 100 ml 0,9-prozentiger Kochsalzlösung oder 5-prozentiger Glucoselösung als intravenöse Infusion über 30 Minuten in einer medizinischen Einrichtung verabreicht, in der der Patient während und mindestens eine Stunde nach der Anwendung überwacht werden kann.
Hintergrund dieser Vorsichtsmaßnahme ist, dass Überempfindlichkeitsreaktionen mit 2 Prozent der behandelten Patienten und infusionsbedingte Reaktionen mit 1 Prozent die häufigsten Nebenwirkungen von Sotrovimab sind. Überempfindlichkeitsreaktionen wie Anaphylaxie erfordern den sofortigen Abbruch der Infusion und die Einleitung einer Supportivtherapie. Kommt es zu infusionsbedingten Reaktionen wie Fieber, Kopfschmerzen oder auch Schwierigkeiten beim Atmen oder Herzrhythmusstörungen, hängt es von der Schwere der Reaktion ab, ob die Infusion unterbrochen, verlangsamt oder gestoppt werden soll.
Bei schwangeren Frauen soll Sotrovimab nur dann angewendet werden, wenn der zu erwartende Nutzen für die Mutter das potenzielle Risiko für das Kind rechtfertigt. In der Stillzeit kann die Anwendung in Betracht gezogen werden, wenn sie klinisch indiziert ist.
Basis der Zulassung von Sotrovimab war die randomisierte, doppelblinde Phase-II/III-Studie COMET-ICE, an der 1057 ungeimpfte, nicht hospitalisierte, erwachsene Covid-19-Patienten teilnahmen. Die Probanden waren zu Studienbeginn nicht sauerstoffpflichtig, wiesen aber mindestens einen der folgenden Risikofaktoren für einen schweren Verlauf auf: Diabetes, Fettleibigkeit, chronische Nierenerkrankung, Stauungsherzinsuffizienz, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, moderates bis schweres Asthma oder Alter ab 55 Jahren. Im Studienzeitraum war das Wildtypvirus dominant, häufigste Varianten waren Alpha und Epsilon (gegen die Sotrovimab laut Tabelle in der Fachinformation genauso gut wirksam ist wie gegen den Wildtyp).
528 Patienten erhielten innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn (59 Prozent) beziehungsweise innerhalb von vier bis fünf Tagen nach Symptombeginn (41 Prozent) je eine Einzeldosis à 500 mg Sotrovimab und 529 erhielten Placebo. Daraufhin kam es bei 30 Patienten in der Placebogruppe (6 Prozent) bis Tag 29 zu einem Fortschreiten von Covid-19 mit Hospitalisierung oder Tod jeglicher Ursache, während dies im Sotrovimab-Arm nur bei sechs Patienten (1 Prozent) der Fall war. Die Risikoreduktion betrug somit 79 Prozent. Von den Patienten, die Sotrovimab erhalten hatten, starb keiner und es benötigte auch keiner bis Tag 29 eine High-Flow-Sauerstofftherapie oder mechanische Beatmung. Dagegen starben von den mit Placebo behandelten Patienten zwei und es mussten im weiteren Verlauf 14 mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden.
Xevudy ist in der Originalverpackung bei 2 bis 8 °C im Kühlschrank zu lagern. Die verdünnte Lösung ist zum sofortigen Gebrauch bestimmt, sie kann aber auch bei Raumtemperatur bis zu sechs Stunden beziehungsweise im Kühlschrank bis zu 24 Stunden gelagert und dann erst verbraucht werden.
Der gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichtete Antikörper Sotrovimab ist nicht wirklich ein Neuling. Er wurde bereits im vergangenen Winter häufig und erfolgreich eingesetzt. Damals wäre die Einstufung als Sprung- oder mindestens Schrittinnovation absolut berechtigt gewesen. Jetzt, da der Hersteller das Präparat erst offiziell in den Markt einführt, hat sich die Situation geändert.
Gegen die aktuell dominierende Omikron-Variante BA.5 ist Sotrovimab nicht besonders gut wirksam. Der Einsatz des Antikörpers wird daher in der entsprechenden S3-Leitlinie seit September 2022 nicht mehr empfohlen. Die im Präparat Evusheld® enthaltene Antikörper-Kombination aus Cilgavimab und Tixagevimab schneidet gegen BA.5 besser ab. Zudem ist sie – anders als Sotrovimab – auch für die Präexpositionsprophylaxe zugelassen. Somit ist Xevudy derzeit alles in allem als Analogpräparat zu sehen.
Dennoch ist es gut, dass das Mittel zur Verfügung steht. Zum einen können weitere Effekte, wie Komplementaktivierung und Antikörper-abhängige Zytotoxizität, zur Bekämpfung des Virus beitragen. Zum anderen lehrt die Pandemie, dass es immer wieder neue dominierende Virusvarianten gibt. Der Hersteller wird sicher die Wirksamkeit seines Antikörpers gegen entsprechend neue kursierende Virusvarianten prüfen, sodass ein Comeback von Sotrovimab nicht ausgeschlossen ist.
Sven Siebenand, Chefredakteur
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.