Sollten auch Kinder geimpft werden? |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.02.2021 16:30 Uhr |
Kinder mit schweren Grunderkrankungen können auch off Label gegen Covid-19 geimpft werden. / Foto: Adobe Stock/luiscarceller
Drei Impfstoffe sind inzwischen gegen das SARS-Coronavirus-2 in der EU zugelassen – allerdings erst ab 16 beziehungsweise 18 Jahren. Kinder können somit in absehbarer Zeit nicht geimpft werden. Dabei stellen sie einen signifikanten Anteil der Bevölkerung: 13,7 Millionen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre leben laut Informationen des Statistischen Bundesamts derzeit in Deutschland. Das sind etwa 16,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wenn diese Gruppe nicht geimpft wird, was bedeutet das für das Konzept der Herdenimmunität?
Kinder seien bei der Entwicklung der Pandemieimpfstoffe nicht vergessen worden, erklärte Professor Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité im NDR-Podcast »Coronavirus Update« am 2. Februar. Die Herstellerunternehmen müssten aber in der Entwicklung der Impfstoffe Prioritäten setzen und vor allem die Hauptzielgruppe abdecken. Das sind bei Covid-19 Ältere und Vorerkrankte, Kinder gehören nicht dazu. Um eine Zulassung für Kinder zu erreichen, sind zusätzliche klinische Studien mit Probanden dieser Altersgruppe nötig, was aus verschiedenen Gründen schwieriger ist als bei Erwachsenen. Bisher sei nur eine kleine Zahl an Studien mit Kindern gestartet, berichtete Drosten.
Bereits Anfang Dezember hat das US-Unternehmen Moderna ins Studienregister ClinicalTrials.gov eine Studie eingetragen, in der die Immunogenität, Wirksamkeit und Sicherheit seiner für Erwachsene bereits zugelassenen mRNA-Vakzine an 12- bis 17-Jährigen untersucht werden soll. Insgesamt 3000 Probanden sollen an der Phase-II/III-Studie teilnehmen. Dabei erhält ein Teil der Probanden zwei Impfungen mit je 100 µg der Vakzine im Abstand von vier Wochen – die gleiche Dosis wie Erwachsene – und ein Teil Placebo.
Das Konsortium Biontech und Pfizer, das ebenfalls eine mRNA-Vakzine in der EU zur Zulassung gebracht hat, plant Studien zur Wirksamkeit des Impfstoffs in pädiatrischen Kohorten. »Es werden Studien mit Kindern im Laufe des Sommers 2021 beginnen, um die Sicherheit sowie Wirksamkeit des Impfstoffes in Kindern im Alter von 12 bis 15 Jahren zu untersuchen«, teilte Biontech der Pharmazeutischen Zeitung auf Nachfrage mit. Genauere Details könne das Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen.
Auch Astra-Zeneca, das einen Vektorimpfstoff gegen Covid-19 produziert, hat noch nicht mit pädiatrischen Studien begonnen. Man plane aber, »die Studien in einem neuen Protokoll für die Altersgruppe der 6- bis 18-Jährigen fortzusetzen«, heißt es von dem britisch-schwedischen Hersteller. »Diese sollen in den kommenden Monaten beginnen.« Studien mit Kindern unter zwölf Jahren gehören laut Aussage des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) sowohl für Biontech/Pfizer als auch für Moderna zu den Auflagen der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, die an die bedingte Zulassung für Erwachsene geknüpft sind.
In China und Vietnam sind einige Studien mit Covid-19-Impfstoffen gestartet. Frühestens im Sommer sei bei allen genannten Studien mit Ergebnissen zu rechnen, sagte Drosten im Podcast. Vor dem Herbst werde man keine zugelassenen Impfstoffe für Kinder haben. Diese Ansicht bestätigt auch der Pädiater Professor Dr. Fred Zepp gegenüber der Deutschen Presseagentur: Er rechnet »frühestens Ende des Jahres, eher Anfang nächsten Jahres damit«, dass Kinder in Deutschland geimpft werden könnten. »Der Prüfaufwand ist viel höher als bei Erwachsenen«, sagte der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Mainz, der Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) ist. »Vor der klinischen Prüfung an Kindern muss sichergestellt sein, dass in den Studien bei Erwachsenen keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgetreten sind«, heißt es beim Robert-Koch-Institut (RKI). »Kinder sind schon allein aus ethischen Gründen nicht für frühe Tests vorgesehen.«