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RNA als Arzneistoff

Sirane auf dem Vormarsch

Sirane sind eine moderne, noch kleine Wirkstoffgruppe. Ihre Wirkweise basiert auf der RNA-Interferenz. Damit wird die Bildung unerwünschter Proteine effektiv gehemmt. Doch wie immer liegt die Tücke im Detail.
Theo Dingermann
Ilse Zündorf
05.02.2023  08:00 Uhr

Neues Interventionskonzept

Warum ist das siRNA-Konzept als Interventionsoption so interessant? Die meisten etablierten Therapieansätze zielen darauf ab, die Funktion eines bestimmten Proteins zu inhibieren. Das gelingt mal besser und mal schlechter. Man geht davon aus, dass nur ungefähr 1,5 Prozent unseres Genoms für etwa 20.000 Proteine codieren, von denen nur 10 bis 14 Prozent aktive Bindungsstellen haben, die durch kleine Moleküle angesteuert werden können (4, 5). Es bleiben also noch sehr viele Zielstrukturen übrig, die (bisher) nicht durch klassische Wirkstoffe adressiert werden können. Zudem ist es aufwendig und langwierig, ein geeignetes Molekül zu entwickeln, das die gewünschte Wirkung und möglichst wenige Nebenwirkungen hat.

Über siRNA beziehungsweise Sirane könnten theoretisch alle 20.000 Proteine relativ einfach und sehr spezifisch adressiert werden. Der Vorteil ist, dass diese Moleküle ziemlich einfach herstellbar sind – man braucht letztlich nur die richtige Sequenz, die zur zu stoppenden mRNA komplementär ist.

Herausforderungen der siRNA

Wie immer, so liegen auch bei Design und Verwendung von siRNA die Probleme in den Details.

Beispielsweise müssen beim Design einer siRNA besondere Anforderungen an die Länge und die Sequenz beachtet werden. Ist die RNA kürzer als 15 Basenpaare, funktioniert sie nicht als RNAi-Molekül. Ist sie länger als 30 Basenpaare, kann sie als vermeintlich virale Infektion interpretiert werden, die die zelluläre Abwehr in Form des angeborenen Immunsystems mobilisiert (6). Außerdem muss es für den RISC eindeutig klar sein, welcher der beiden RNA-Stränge als komplementärer Strang zu einer zellulären RNA fungiert (der Antisense-Strang) und den Abbauprozess der zu blockierenden mRNA steuert. Um dieses Problem zu lösen, werden die Basen möglichst ungleichmäßig verteilt: Der Antisense-Strang der siRNA sollte am 5'-Ende vor allem aus Adenosin- und Uridin-Bausteinen bestehen, während am 3'-Ende Guanosin- und Cytidin-Moleküle vorherrschen sollten (3).

Mittlerweile kennt man etliche Eigenschaften, die eine ideale siRNA haben muss beziehungsweise nicht haben darf, damit die RNA-Interferenz gut funktioniert (Kasten). Diese Optionen lassen sich nicht mehr per Augenschein berücksichtigen, weshalb verschiedene Firmen über Online-Plattformen ein gezieltes Design (mit direkter Bestelloption) für maßgeschneiderte siRNA-Moleküle anbieten.

Doch wie stabilisiert man eine therapeutische RNA, um akzeptable pharmakokinetische Eigenschaften zu erreichen? Denn das ganz große Problem der siRNA sind die Instabilität und Polarität von RNA-Molekülen mit ihren Ribose-Phosphat-Rückgraten. So schätzt man, dass »nackte«, also unmodifizierte und nicht verpackte siRNA-Moleküle im Blut eine Halbwertszeit von gerade einmal fünf Minuten haben (3).

Dieses und andere pharmakokinetische Probleme werden heute durch chemische Modifikationen bestimmter Bausteine innerhalb der siRNA gelöst. Dadurch wird nicht nur sichergestellt, dass die Moleküle nicht mehr so leicht von Nukleasen abgebaut werden, sondern auch, dass die Reaktion des angeborenen Immunsystems auf das fremde Molekül deutlich milder verläuft.

Im Prinzip lassen sich in einer RNA alle drei Grundbausteine – Ribose, Base und Phosphatgruppe – verändern. Allerdings kristallisierten sich gerade die 2'-Modifikation der Ribose und die Verwendung von Phosphorothioaten als besonders geeignet heraus. Ein Blick auf die Struktur der zugelassenen siRNA-Therapeutika zeigt, dass – außer bei Patisiran – alle Nukleotidpositionen chemisch verändert sind (Abbildung 2, Seite 38). Die vermeintlich natürlichen Wirkstoffe sind also »Kunstmoleküle«.

Bleibt noch das Problem der Aufnahme in die Zellen. Aus den Erfahrungen mit zugelassenen Formulierungen, zum Beispiel für die Zytostatika Doxorubicin oder Vincristin, boten sich Lipidnanopartikel (LNP) für die Verpackung der siRNA-Moleküle an. Diese LNP bestehen primär aus Phospholipiden und Cholesterol und ahmen Biomembranen nach. Durch Einlagerung weiterer Bestandteile erhalten die LNP spezielle Eigenschaften. Entsprechend modifizierte LNP können beispielsweise mit dem Apolipoprotein E3 interagieren und werden dadurch zu Hepatozyten transportiert.

Als Alternative zu LNP lassen sich Konjugate herstellen, die aus siRNA und beispielsweise einem Antikörper, Cholesterol oder N-Acetyl-Galactosamin (GalNAc) bestehen. Gerade die Modifikation mit GalNAc hat sich bewährt, um siRNA in Hepatozyten einzuschleusen, da auf der Oberfläche dieser Zellen passende Asialoglycoprotein-Rezeptoren (ASGPR) exprimiert werden. Dazu werden über ein Linkermolekül triantennäre GalNAc-Einheiten kovalent an den Sense-Strang der siRNA gekoppelt. Sehr effizient finden derartige Moleküle nach subkutaner Applikation ihren Weg in die Leber (3).

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