Sinnvolles Symptom oder nur lästig? |
Etwa 3 bis 5 Prozent aller Arzneimittelbehandlungen lassen die Temperatur ansteigen. Dabei kommt es entweder zu Fieber durch Eingriff in das Thermoregulationszentrum (anticholinerge Wirkstoffe, Levothyroxin) oder zu einer Hyperthermie durch Verminderung der Wärmeabgabe oder Steigerung der Wärmebildung.
Ursächlich für eine Hyperthermie sind allergische (Phenytoin, Carbamazepin) oder anaphylaktische Reaktionen, eine Arzneistoff- Überempfindlichkeit (Allopurinol) oder die pharmakologische Wirkung des Arzneistoffs (Penicillin, Zytostatika). Es entstehen mehr Pyrogene (Jarisch-Herxheimer-Reaktion bei Penicillin). Das Risiko steigt bei Polymedikation.
Die Diagnose eines Arzneimittelfiebers ist schwierig, da der zeitliche Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der Fieberreaktion häufig unklar ist. Oft kommt eine Hautreaktion, zum Beispiel ein Ausschlag, hinzu. Kann das auslösende Arzneimittel identifiziert und abgesetzt werden, klingt die Temperaturerhöhung nach kurzer Zeit wieder ab.
Eine potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkung ist das Serotonin-Syndrom. Dabei bildet sich ein Überschuss des Neurotransmitters Serotonin im zentralen und peripheren Nervensystem. Eine Hyperthermie mit Schwitzattacken ist neben weiteren Symptomen typisch. Das Apothekenteam sollte darauf achten, dass Patienten mit einer Dauermedikation mit starken Analgetika, zum Beispiel Opioiden und besonders Tramadol, und/oder Antidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Trizyklika) nicht zusätzlich Johanniskraut oder den Hustenstiller Dextromethorphan bekommen. Denn die Gefahr einer Serotonin-Toxizität steigt mit jedem zusätzlichen serotonerg wirksamen Medikament.
Bei älteren Menschen verändern sich das angeborene und das adaptive Immunsystem. Die Immunantwort auf exogene Pyrogene und die Produktion der endogenen Pyrogene sind reduziert und das Thermoregulationszentrum reagiert schwächer. Dazu kommt eine im Alter abgesenkte Körpergrundtemperatur.
Bei einem Drittel der älteren Patienten fehlen bei Infektionen Fieber und spezifische Beschwerden. Das erschwert die Diagnose und verschlechtert die Prognose. Infekte, zum Beispiel der Bronchien, Lunge oder Harnwege, werden bagatellisiert, da häufig unspezifische Allgemeinsymptome wie Appetitlosigkeit, verstärkte Müdigkeit oder Unruhe vorherrschen.
Daher hat die US-amerikanische Gesellschaft für Geriatrie im Jahr 2000 eine neue Definition für Fieber im Alter eingeführt und 2009 noch einmal aktualisiert (DOI: 10.1111/j.1532-5415.2009.02175.x). Auch in Deutschland wird auf diese Definition verwiesen. Ältere Menschen haben Fieber bei der Erhöhung der Basaltemperatur um 1,1 °C, bei einmaliger rektaler Messung einer Temperatur über 37,8 °C oder bei zwei Messwerten über 37,2 °C. Alarmsymptome sollten neu auftretende Immobilität, Delir, Stürze oder plötzlicher rapider Gewichtsverlust sein. Antibiotika sind aufgrund erhöhter Gefahr einer Clostridioides-difficile-Infektion erst nach einem differenzierten Blutbild indiziert. Wichtig ist ein möglichst umfassender Impfschutz; hier kann die Apotheke hilfreich beraten.