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Hormontherapie

SERM für Frau und Mann

Mammakarzinom, Osteoporose und Kinderwunschbehandlung: Dies sind die Hauptindikationen der selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM). Wenig bekannt sind Indikationen beim Mann wie Gynäkomastie und Hypogonadismus. Hier erfolgt die Anwendung off label oder ist in klinischer Prüfung.
Brigitte M. Gensthaler
03.06.2019  09:22 Uhr

SERM sind eine sehr vielfältige Stoffgruppe: Die synthetischen, nicht-steroidalen Substanzen wirken agonistisch und antagonistisch an Estrogenrezeptoren (ER) und zwar Zielgewebe-spezifisch, erklärte Professor Dr. Ulrike Holzgrabe, Würzburg, beim Pharmacon in Meran. Dies liegt zum einen an der sehr komplexen Signalkaskade von der Ligandenbindung bis zur Proteinexpression beziehungsweise Nicht-Expression. Zum andere gibt es zwei ER-Subtypen, die unterschiedlich aufgebaut und gewebespezifisch lokalisiert sind. »SERM erzeugen ein breites Spektrum an Effekten an den ER-α und -β; dabei fördert ER-α meist die Genexpression und ER-β hemmt sie«, erklärte die Pharmazeutische Chemikerin.

Der Klassiker ist Tamoxifen: Er erhöht Estrogen-artig die Knochendichte und fördert das Endometrium-Wachstum (cave Hyperplasie), wirkt aber antiestrogen im Brustgewebe. Daher wird es eingesetzt zur adjuvanten Therapie nach der Primärbehandlung eines Mammakarzinoms und zur Rezidivprophylaxe über fünf Jahre bei Hochrisikopatientinnen. Ebenso wird es off label bei der Gynäkomastie des Mannes eingesetzt.

Bekanntlich ist Tamoxifen ein Prodrug, das via CYP3A4/5 demethyliert oder über CYP2D6 hydroxyliert wird zu den aktiven Metaboliten Hydroxy-Tamoxifen und Endoxifen. Diese sind äquipotent und 30- bis 100-mal aktiver als die Ausgangssubstanz. Dies bedeutet, dass Frauen, bei denen das Isoenzym CYP2D6 nicht (voll) funktionsfähig ist (CYP2D6-Poor-Metabolizer), weniger gut auf Tamoxifen ansprechen, da dieses nicht aktiviert wird. »Vor der Therapie ist daher eine Genotypisierung nötig«, betonte Holzgrabe. Eventuell setze man dann höhere Dosen ein.

Allerdings gebe es aktuell auch Publikationen, die die Relevanz des CYP-Metabolismus als nicht so relevant bewerten. »Vieles erscheint unklar.« Klar ist aber, dass alle Frauen unter Tamoxifen-Therapie keine CYP2D6-Inhibitoren einnehmen sollten.

Während Tamoxifen und sein Chlor-Analogon Toremifen bei Frauen mit Brustkrebs eingesetzt werden, sind Prophylaxe und Therapie der postmenopausalen Osteoporose die Domäne der Zweit- und Drittgenerations-SERM Raloxifen, Bazedoxifen und Lasofoxifen.

Clomifen ist ein weiterer Klassiker, der jedoch zur Ovulationsauslösung für Frauen mit Kinderwunsch zugelassen ist. Es ist ein Gemisch aus der antiestrogen wirksamen Trans-Verbindung Enclomifen und der estrogen wirksamen Cis-Komponente Zuclomifen. Im Gemisch überwiegen die antiestrogenen Effekte, informierte Holzgrabe. Zuclomifen werde in Phase-II-Studien geprüft zur Behandlung von Hitzewallungen bei Männern nach einer Prostata-Entfernung. Enclomifen befinde sich in Phase III zur Behandlung des sekundären Hypogonadismus beim Mann.

Gynäkomastie beim Mann

Die Gynäkomastie ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern das Symptom eines Estrogen-Androgen-Ungleichgewichts. Die Hypertrophie der männlichen Brustdrüse kann bei Neugeborenen, Jugendlichen und auch im höheren Alter physiologisch vorkommen. Oft trete sie als Nebenwirkung von überschüssigen stabilen Testosteron(-Derivaten) beim Bodybuilding auf, berichtete Holzgrabe.

Die möglichen Ursachen der Brustdrüsenschwellung sind vielfältig, heißt es in der S1-Leitlinie »Gynäkomastie bei Erwachsenen« (Stand März 2016). Diese kann zum Beispiel durch Medikamente, Alkohol, Heroin und Marihuana ausgelöst werden, eine Folge von Hypogonadismus, Hormon-produzierenden Tumoren oder multifaktoriell bedingt sein. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist Brustkrebs, der in Deutschland etwa 600-mal pro Jahr bei Männern diagnostiziert wird.

In der Therapie gehe es möglichst um das Vermeiden einer Estrogen-Exposition, das Absetzen auslösender Medikamente und eine Hormonsubstitution bei Hypogonadismus, erklärte die Referentin. Bei einer paraneoplastischen Gynäkomastie, zum Beispiel bei Hodentumor, wird onkologisch behandelt. Medikamentös werden Tamoxifen, Clomifen und Danazol sowie Aromatasehemmer eingesetzt. Mitunter kann eine Operation nötig sein.

Abschließend wies Holzgrabe auf die missbräuchliche Verwendung von Tamoxifen im Sport hin. Der SERM erhöhe die Testosteron-Plasmakonzentration und fördere damit den Muskelaufbau. Zugleich wirkt er der Gynäkomastie entgegen. 

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