Seriöse Vorhersagen basieren auf Daten |
Theo Dingermann |
18.05.2020 18:04 Uhr |
Epidemiologen erarbeiten auf der Basis möglichst vieler harter Daten Vorhersagen zum Verlauf einer Epidemie. Ist der Infektionserreger neu, sind die Vorhersagemodellen zu Beginn einer Epidemie zwangsläufig ungenauer als bei fortgeschrittenem Epidemieverlauf, weil immer mehr Daten die Modelle immer weiter optimieren. / Foto: Getty Images/themotioncloud
Wie kommen Epidemiologen zu ihren Vorhersagen? Ganz ähnlich wie Meteorologen, lautet die grobe Antwort. Und wir alle wissen: Die sind gut! Um gute Vorhersagen treffen zu können, bedarf es Daten und Rechenleistung, von denen die meisten Konsumenten der allabendlichen Wettervorhersage bestenfalls vage Vorstellungen haben. Wer dies wirklich verstehen will, sollte in Mathematik deutlich mehr als nur die Grundrechenarten beherrschen.
Da ist es gut, wenn Autoren in der Lage sind, die Prinzipien der sorgfältigen Vorhersage mit einfachen Worten zu erklären, um Vertrauen in die Ergebnisse zu gewinnen, die in Zeiten einer Pandemie die Basis für politische Entscheidungen bilden. Dass das geht, haben Harry Stevens, John Muyskens und Chris Alcantara mit einem Artikel unter Beweis gestellt, der am 14. Mai in der Zeitung »The Washington Post« erschien.
Zwar ist in vielen Staaten der Höhepunkt zumindest der ersten Welle der Pandemie vielfach bereits überschritten. Und doch sind Vorhersagen der Epidemiologen auch jetzt noch von immenser Bedeutung. Denn nun beginnt die Phase des Ausstiegs aus den Maßnahmen, die zur Bewältigung der Pandemie getroffen wurden. Gerade jetzt sind politische Entscheidungsträger auf Vorhersagen aus Krankheitsmodellen angewiesen, die Risiken neuer Infektionsherde aufzeigen, wenn die Maßnahmen des Lockdowns gelockert oder aufgehoben werden.
»Die Rechnung ist eigentlich ziemlich einfach«, sagt Jeffrey Shaman den Autoren des Artikels. Shaman ist ein führender Epidemiologe an der Columbia University. »Es geht nicht darum, ob die Infektionen prinzipiell wieder aufflackern werden, sondern darum, in welchem Ausmaß das passiert.«
Um diese Frage zu beantworten, verwenden Epidemiologen Computermodelle, die zum einen auf Annahmen über die Art der Krankheit, zum anderen aber auch auf den Reaktionen der Gesellschaft auf die Krankheit basieren. Nicht immer stimmen die Projektionen unterschiedlicher Forscherteams überein. Das könnte dazu verleiten, derartige Modelle prinzipiell infrage zu stellen. Ein solcher Schluss zeugt allerdings von Unkenntnis. Gerade konkurrierende Modelle nützen eher mehr als weniger. Um das zu verstehen, muss man sich mit der tiefen Unsicherheit auseinandersetzen, mit der sich Epidemiologen konfrontiert sehen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.