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Epidemiologische Methoden

Seriöse Vorhersagen basieren auf Daten

Epidemiologen sind keine Hellseher, kommen aber mit verschiedenen Methoden dennoch zu erstaunlich genauen Vorhersagen. Ein Artikel in der »Washington Post« beschreibt eindrucksvoll, womit diese Experten in Corona-Zeiten konfrontiert sind und wie sie zu ihren Prognosen gelangen, auf die wir noch lange angewiesen sein werden.
Theo Dingermann
18.05.2020  18:04 Uhr

Weitere Wochen später

Die vorgesagten Effekte Ihrer Empfehlungen sind eingetreten. Die Ausbreitung der Epidemie hat sich deutlich verlangsamt. Allerdings nimmt nun A.M. erneut mit Ihnen Kontakt auf. Denn zwischenzeitlich sind die strikten Maßnahmen kaum noch zu vermitteln. Die Gesellschaft wird nervös und fordert einen Exit.

Es gibt jedoch immer noch keinen Impfstoff und kaum Möglichkeit, die Immunität der Bevölkerung zuverlässig zu bestimmen. Wenn A.M. also die Regeln der sozialen Distanzierung lockert, wird es nach den Gesetzmäßigkeiten einer Epidemie zwangsläufig wieder zu einem Anstieg der Fälle kommen. Die Frage ist, wann und in welchem Ausmaß eine zweite Welle zuschlagen würde.

Wieder beginnen Sie zu modellieren, um herauszufinden, was nach Aufhebung der Restriktionen passieren wird (Abb. 4) .

Es ist klar, dass die Aufhebung der Restriktionen zu einer bedeutenden zweiten Infektionswelle von Fällen führen wird. Wie Ihr Modell zeigt, bestand der Zweck der sozialen Distanzierungspolitik von A.M. nicht in der Ausrottung der Krankheit, sondern darin, Zeit zu gewinnen, um in Tests und in Möglichkeiten zur Rückverfolgung von Kontakten zu intensivieren, was es ermöglichen würde, neue Fälle zu identifizieren und die Infizierten zu isolieren, bevor neue lokale Ausbrüche auftreten könnten.

Zurück zur Realität

In einem aktuellen Artikel auf »Spiegel« Online vom 16.Mai fragt nun Christoph Seidler »Brauchte es den Lockdown wirklich?«. Und er liefert Antworten aus neuesten Simulationen, die von der Physikerin Viola Priesemann zusammen mit Kollegen von Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen gerade im Fachjournal »Science« publiziert wurden.

Die Wissenschaftler betonen, wie wichtig kurzfristige Modellvorhersagen für zeitkritische Informationen sind, um Entscheidungen über Eindämmungs- und Minderungsstrategien einer Pandemie treffen zu können. Dabei besteht eine große Herausforderung für Kurzzeitprognosen darin, die wichtigsten epidemiologischen Parameter und deren Veränderung zu bewerten, wenn erste Interventionen eine Wirkung zeigen. Mit Blick auf die Ausbreitung der Covid-19-Erkrankung in Deutschland sind klare Veränderungspunkte in der effektiven Dynamik der Epidemie zu erkennen, so die Wissenschaftler, die erstaunlich gut mit den Zeitpunkten der öffentlich angekündigten Interventionen korrelieren.

Diese Erfahrungen sind von großem Wert für eine quantifizierte Beurteilung der Wirkung künftig notwendiger Interventionen. »Wir können zeigen, dass alle drei Maßnahmenpakete die Zunahme der Infektionen klar bremsen konnten«, resümiert Priesemann. Dies waren die Absage von Großveranstaltungen, die die Rate der Virusverbreitung von etwa 30 Prozent auf rund 12 Prozent hat sinken lassen. Es war die Schließung von Schulen, Unis und der meisten Geschäfte, die den Wert weiter auf rund 2 Prozent drückte. Aber erst die strengen Regeln zur Kontaktbeschränkung (Lockdown) ließen die Wachstumsrate schließlich auf etwa -3 Prozent sinken. Das ist zwar ein vergleichsweise geringer, aber letztlich nötiger Effekt. Er fiel wahrscheinlich zahlenmäßig nur deshalb so gering aus, weil die Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt bereits sensibilisiert war, so die Wissenschaftlerin.

»Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass tatsächlich das volle Ausmaß der Interventionen zur sozialen Distanzierung notwendig war, um die Welle so schnell abflachen zu lassen«, sagt Priesemann. Findet die Forscherin nun, dass die Lockerungen zu früh gekommen sind, wird sie im »Spiegel« gefragt. Aus ihren Modellen lasse sich das nicht ohne Weiteres ablesen, so Priesemann. Das Team präsentiert deswegen drei Szenarien.

In einem verdoppelt sich durch die Lockerungen vom 11. Mai die Ansteckungsrate. In diesem Fall wäre auf jeden Fall mit dem Start einer zweiten Welle zu rechnen. Im nächsten Szenario bleibt die Anzahl täglicher Neuinfektionen etwa konstant, hier ist eine neue Welle aber immer noch möglich. Das dritte Szenario schließlich wäre das wünschenswerte, hier würden die Neuinfektionen nachhaltig zurückgehen.

Die Arbeit der Epidemiologen ist gerade in Zeiten einer Pandemie zentral für ein Krisenmanagement, das einen Ausgleich finden muss zwischen dem Anspruch auf Schutz des Lebens und der Aufrechterhaltung der Wirtschaft.  Wie gut mittlerweile die Methoden der Epidemiologen sind, zeigt die aktuelle Studie eindrucksvoll.

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