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Coronainfektionen

Schwächt Covid-19 das Immunsystem?

Einzelne Studien legen nahe, dass das Immunsystem nach einer SARS-CoV-2-Infektion schnell altern könnte. In einem Interview mit dem »Tagesspiegel« spitze der Virologe Professor Dr. Christian Drosten kürzlich zu: Man könne sich fragen, »ob ein ungeimpftes Kind nach Infektion vielleicht mit 30 das Immunsystem eines 80-Jährigen haben wird«. Was ist dran an dieser Theorie?
Theo Dingermann
01.02.2023  16:30 Uhr

In diesem Winter gab es eine ungewöhnlich früh durchgelaufene Grippewelle, die mit einer Welle von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) überlappte. Deutet das auf eine Immunschwäche in der Bevölkerung hin, die durch Covid-19 verursacht sein könnte? Dieser Eindruck wird erhärtet durch das erwähnte Zitat Drostens, mit dem der Virologe von der Berliner Charité eine Alterung des Immunsystems bei Kindern durch SARS-CoV-2-Infektionen andeutete – zumal Kinder in diesem Winter auch besonders häufig an bakteriellen Infektionen mit Streptokokken erkrankten.

Drosten ist nicht der Einzige, der eine Alterung des Immunsystems durch wiederholte Episoden von Covid-19 in Erwägung zieht. In einem Übersichtsartikel zu Long Covid schreiben beispielsweise die Autoren um den US-amerikanischen Kardiologen Professor Dr. Eric Topol vom Scripps Research Translational Institute in La Jolla in »Nature Reviews Microbiology«, dass in Studien zur Immundysregulation bei Personen mit Long Covid, die leicht an akutem Covid-19 erkrankt waren, T-Zell-auffällige Veränderungen gefunden wurden. So fand man sogenannte erschöpfte T-Zellen, das heißt T-Zellen, die durch eine schlechte Effektorfunktion, eine anhaltende Expression hemmender Rezeptoren und einen Transkriptionszustand charakterisiert sind, der sich von dem funktionaler Effektor- oder Gedächtnis-T-Zellen unterscheidet. Außerdem besaßen die Betroffenen weniger CD4+- und CD8+-Effektor-Gedächtniszellen sowie erhöhte PD1-Konzentrationen auf den zentralen Gedächtniszellen. Zudem sind die Typ-I- und Typ-III-Interferon-Antworten hochreguliert. 

Auch Forschende um Dr. Chansavath Phetsouphanh von The Kirby Institute der University of New South Wales in Sydney, Australien, berichten in »Nature Immunology« über Hinweise auf anhaltende Entzündungsreaktionen auch nach leichten bis mittelschweren akuten Covid-19-Verläufen, die bei Menschen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion kein Long Covid entwickelten, und auch nach Infektionen mit anderen Coronaviren so nicht auftreten.

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