Schlafmangel als Dickmacher |
Mit dauerhaft unzureichendem Schlaf steigt auch das Risiko für Folgeerkrankungen von starkem Übergewicht und Adipositas an, vor allem für Typ-2-Diabetes (T2D) (21). Es überrascht daher kaum, dass chronischer Schlafmangel in zahlreichen Studien mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von T2D in Verbindung gebracht wird (22).
Interessanterweise lässt sich dieser Zusammenhang nicht allein durch eine mögliche Gewichtszunahme erklären: Selbst, wenn der Einfluss des Körpergewichts statistisch herausgerechnet wird, bleibt das erhöhte Diabetesrisiko bestehen. Mit anderen Worten: Schlafmangel kann den Zuckerstoffwechsel auch unabhängig vom Körpergewicht negativ beeinflussen.
Wie das funktioniert, zeigen experimentelle Studien. Schon wenige Nächte mit reduziertem Schlaf genügen, um bei gesunden Menschen die Blutzuckerregulation zu stören, etwa nach einer Mahlzeit oder dem Trinken einer standardisierten Glukoselösung im Rahmen eines Glukosetests (23).
Wenig Schlaf bedeutet mehr Stresshormone, was selbst bei Gesunden die Blutzuckerregulation stören kann. / © Getty Images/kyotokushige
Die Forschung liefert mehrere Erklärungsansätze: Schlafmangel bringt das hormonelle Gleichgewicht aus dem Takt. Er kann die Nebennierenrinde zur vermehrten Ausschüttung von Cortisol anregen und gleichzeitig die Aktivität des Nebennierenmarks erhöhen, mit einer gesteigerten Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin (24, 25). Die Stresshormone wirken mehrfach auf den Zuckerstoffwechsel: Cortisol steigert die Gluconeogenese und Glykogenolyse in der Leber und hemmt die Glucoseaufnahme in die Muskulatur. Adrenalin wiederum fördert die Freisetzung von Glucagon aus der Bauchspeicheldrüse, das die Glucosefreisetzung aus der Leber zusätzlich antreibt (26). Die Folge: erhöhte Blutzuckerwerte, selbst bei Gesunden.
Doch nicht nur Stresshormone spielen eine Rolle. Auch die Freisetzung des im Darm produzierten Inkretins GLP-1, das nach dem Essen die Blutzucker- und Insulinantwort reguliert, verzögert sich nach Schlafentzug (13). Dies könnte erklären, warum in vielen Studien zur Schlafrestriktion besonders in der ersten Stunde nach Nahrungsaufnahme deutlich erhöhte Blutzuckerwerte gemessen wurden.
Fazit: Der Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Typ-2-Diabetes ist vielschichtig. Neben einer möglichen Gewichtszunahme spielen hormonelle Dysbalancen, veränderte Essgewohnheiten, eine verminderte körperliche Aktivität und eine gestörte Stoffwechsellage eine zentrale Rolle.
Für Diabetespatienten und Personen mit erhöhtem Risiko bedeutet das: Gesunder Schlaf ist mehr als Erholung, denn er trägt aktiv zur Stabilisierung des Stoffwechsels bei. Deshalb sollte er, ebenso wie Ernährung und Bewegung, ein fester Bestandteil der Diabetesprävention und -behandlung sein.
Schlaf sollte als integraler Bestandteil von Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen deutlich stärker berücksichtigt werden. Schulungen zur Verbesserung der Schlafhygiene stellen eine einfache, aber wirkungsvolle Unterstützung dar, um Übergewicht und Adipositas vorzubeugen und zu bekämpfen – und damit auch Typ-2-Diabetes zu vermeiden. Die Integration solcher Angebote in kommunale Gesundheitsinitiativen, in betriebliche Gesundheitsförderung – etwa durch späteren Arbeitsbeginn oder das Ermöglichen von Powernaps am Arbeitsplatz – oder in Versorgungspfade bei Adipositas könnte die Effektivität bestehender Maßnahmen maßgeblich steigern.
Insbesondere für Apotheker eröffnet sich hier eine wichtige Rolle als kompetente Gesundheitsberater: Im Kundengespräch können sie auf den Zusammenhang zwischen Schlaf, Gewicht und Diabetesrisiko hinweisen, Schlafprobleme thematisieren und praktische Tipps zur Schlafoptimierung geben. So leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsprävention und unterstützen Menschen dabei, nachhaltige Veränderungen im Lebensstil umzusetzen.
Christian Benedict promovierte 2008 an der Universität Lübeck im Bereich Humanbiologie und wurde mit dem renommierten Professor-Otto-Roth-Dissertationspreis ausgezeichnet. Seit 2009 lebt und forscht er in Schweden. Im Juni 2025 wurde er zum Professor für Pharmakologie am Institut für Pharmazeutische Biowissenschaften der Universität Uppsala berufen. Benedict hat bislang mehr als 200 wissenschaftliche Studien, Übersichtsartikel und Editorials veröffentlicht. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf den physiologischen und neurologischen Folgen von Schlafverlust. Zudem ist er Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher über Schlaf, darunter »Schlaf ist die beste Medizin« (Eden Books).