SARS-CoV-2-Infektionen über Aerosole immer wahrscheinlicher |
Theo Dingermann |
07.04.2020 12:26 Uhr |
SARS-CoV-2 überträgt sich per Tröpfcheninfektion beim Husten oder Niesen, wahrscheinlich aber auch per Aerosol. Darin sind die Tröpfchen bedeutend kleiner. / Foto: Getty Images/Lucas Ninno
Die Frage, ob sich SARS-CoV-2 nicht nur per Tröpfcheninfektion, sondern auch über Aerosole in der Luft verbreitet, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Der Unterschied ist die Tröpfchengröße: Bei einem Aerosol beträgt der Durchmesser der Tröpfchen weniger als 5 µm. Es mehren sich die Anzeichen, dass eine Verbreitung über ein Aerosol möglich ist. Die US-amerikanische National Academies of Science, Engineering and Medicine wies daher US-Präsident Trump in einem Brief eindringlich auf diese Möglichkeit hin.
Die Debatte hatte begonnen, als Forscher Anfang des Jahres in einem Brief an den Herausgeber des »New England Journal of Medicine« berichteten, dass SARS-CoV-2 in Aerosoltröpfchen bis zu drei Stunden lang in der Luft schweben und infektiös bleiben können (DOI: 10.1056/NEJMc2004973). Mittlerweile lassen sich auch aus anderen Studien Hinweise ableiten, dass die Verbreitung der Viren über die Luft relevanter sein könnte als bisher vermutet. So war virale RNA beispielsweise in Krankenhauszimmern, in denen Infizierte gelegen hatten, auf schwer zugänglichen Oberflächen sowie in Luftprobennehmern nachweisbar, die mehr als zwei Meter von den Patienten entfernt gewesen waren.
Dass virale Partikel über die Luft übertragen werden, konnten auch Young-Il Kim und Kollegen von der Chungbuk National University in Cheongju, Südkorea, an Frettchen zeigen. Die Arbeit befindet sich gerade im Fachjournal »Cell Host & Microbe« im Druck (DOI: 10.1016/j.chom.2020.03.023). Die Wissenschaftler hatten Frettchen, die sich gut als Tiermodell für SARS-CoV-2 eignen, mit infizierten Artgenossen entweder direkt oder indirekt über Umleiten der Luft von einem in den anderen Käfig in Konttakt gebracht. Die Tiere in direktem Kontakt mit Infizierten hatten sich alle schon innerhalb von zwei Tagen angesteckt und Symptome wie Fieber und Husten entwickelt. Bei zwei der Frettchen mit indirektem Kontakt ließ sich virale RNA in Nasenspülungen und Kotproben bis zu vier Tage nach der Exposition nachweisen. Allerdings zeigte nur eines der beiden positiv getesteten Tiere eine Serokonversion, entwickelte also Antikörper. Keines der Tiere in indirektem Kontakt mit Infizierten entwickelte Symptome. Die Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass eine Übertragung des Erregers über die Luft möglich ist, die übertragenen Viren aber keine Erkrankung auslösen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.