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Auffrischimpfung

Reicht eine reduzierte Dosis?

Während global betrachtet der Bedarf an Impfdosen zum Schutz vor Covid-19 immer noch riesig groß ist, bereitet man sich in den reichen Ländern bereits auf die erste Auffrischimpfung vor. Könnte das Problem der Impfstoffknappheit in den Entwicklungsländern dadurch reduziert werden, dass mit kleineren Dosen aufgefrischt wird?
Theo Dingermann
24.08.2021  13:00 Uhr

Unter dem Eindruck einer weltweiten Impfstoffknappheit zum Schutz vor Covid-19 beginnen einige Wissenschaftler darüber nachzudenken, Auffrischimpfungen in den reichen Ländern mit reduzierten Impfdosen vorzunehmen. Das ist naheliegend. Man kennt dieses Prinzip von anderen Impfungen, zum Beispiel zum Schutz vor Gelbfieber. Seit 2016 konnten Millionen zusätzlicher Menschen in Afrika und Südamerika erfolgreich gegen Gelbfieber geimpft werden, da die ursprüngliche Impfdosis auf ein Fünftel reduziert wurde.

Eine Initiative in dieser Richtung ergriffen nun mehrere Mitglieder des »Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI)«, das ähnlich wie die deutsche Ständige Impfkommission (STIKO) die britische Regierung in Fragen zum Impfen berät. Sie wollen ihre Empfehlung zur Auffrischimpfung in England auch auf Basis von Studien abgeben, in denen man die Machbarkeit dieses Konzepts geprüft hat.

Erste Proof-of-concept-Studien

Eine erste Studie, die andeutet, dass dieses Streckungsprinzip auch bei Covid-19-Impfstoffen funktionieren könnte, wurde bereits im Juli publiziert. Hier hatten Wissenschaftler um Dr. Jose Mateus vom La Jolla Institute for Immunology (LJI) am Beispiel des mRNA-1273-Impfstoffs der Firma Moderna gezeigt, dass zwei Impfungen mit jeweils nur einem Viertel der Standarddosis zu einer nachhaltigen Induktion schützender Antikörper und virusspezifischer T-Zellen führt.

Inwieweit Auffrischimpfungen mit niedrigeren Dosen möglich und effektiv sind, wird unter anderem in der laufenden Cov-Boost-Studie überprüft. In dieser Studie wird primär die Frage gestellt, welche Impfstoffe gegen Covid-19 als Auffrischungsimpfung am wirksamsten sind, abhängig davon, welcher Impfstoff für die Grundimmunisierung verwendet wurde. Insgesamt werden hier sieben Covid-19-Impfstoffe als Booster untersucht: neben den vier zugelassenen Coronavakzinen sind dies auch die Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 (Novavax), VLA2001 (Valneva) und CVnCoV (Curevac). Die Frage nach einer reduzierten Dosis scheint nur ein Randthema zu sein – laut Studienprotokoll werden einzelne Impfstoffe auch als halbe Dosis getestet. Ein Vorteil einer reduzierten Dosis zur Auffrischung einer Grundimmunisierung könnte darin bestehen, dass die Reaktogenität der Impfstoffe abnehmen würde.

Deshalb würden es einige Epidemiologen begrüßen, wenn sich mehr Studien mit diesem Anliegen beschäftigen würden. Denn die Herausforderungen sind gewaltig. Es wird geschätzt, dass weltweit etwa 11 Milliarden Impfdosen benötigt werden, um 70 Prozent der Weltbevölkerung vollständig zu impfen. Anfang Juli waren erst 3,2 Milliarden Impfungen verabreicht worden. Damit steht zu befürchten, dass viele der Ärmsten der Welt wohl bis 2023 auf einen Impfstoff warten müssen.

Die Zeit drängt. Denn Auffrisch-Impfprogramme für besonders gefährdete Personengruppen sollen in England bereits im September beginnen. Dem könnten die Mitglieder des JCVI widersprechen, die wegen der globalen Impfstoffknappheit die Ergebnisse von Studien zur Dosisreduktion abwarten wollen. Dies wäre auch im Sinne des Direktors der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus, der wiederholt dazu aufgerufen hatte, bis mindestens Ende September keine Impfstoffe dafür zu verwenden, Menschen eine dritte Impfung als Booster zu geben.

In Israel wird bereits seit Ende Juli eine dritte Dosis gegen das Coronavirus verabreicht, wenn die zweite Impfung mindestens fünf Monate zurückliegt. Nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums sind mittlerweile knapp 1,3 Millionen Menschen dreimal geimpft worden. In Deutschland sollen Auffrischimpfungen für spezielle vulnerable Gruppen ab September möglich werden. 

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