PPI nicht immer erste Wahl |
Sodbrennen ist ein typisches Symptom der Refluxkrankheit. / Foto: Adobe Stock/Adiano
Es wird geschätzt, dass jeder vierte bis fünfte Erwachsene in Deutschland an einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD: gastroesophageal reflux disease) leidet.
Jeder Zweite kennt das Symptom Sodbrennen. In Ländern der westlichen Welt steigen die Erkrankungszahlen stetig an. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Schwere Ösophagitiden, der Barrett-Ösophagus und das Barrett-Karzinom kommen bei Männern allerdings häufiger vor. Im Lauf des Lebens nimmt der Schweregrad der Symptome ab, das Ausmaß der Läsionen in der Speiseröhre zu.
Eine GERD liegt dann vor, wenn Rückfluss von Magensaft in die Speiseröhre zu belästigenden Symptomen und/oder Läsionen führt (Abbildung 1).
Abbildung 1: Montreal-Definition und Klassifikation der GERD; nach Vakil et al., Am J Gastroenterol 2006 / Foto: Stephan Spitzer
Das Spektrum der möglichen Manifestationen ist breit. Das typische Refluxsyndrom umfasst die Symptome
Als Reflux-Thoraxschmerz-Syndrom bezeichnet man retrosternale Schmerzen, die klinisch nicht von einem ischämischen Herzschmerz zu unterscheiden sind. Auf Populationsebene ist GERD als Ursache dieser Schmerzen wahrscheinlich häufiger als die koronare Herzkrankheit.
Weitere typische Symptome sind Oberbauchschmerzen, die eher an ein Ulkus oder einen Reizmagen denken lassen, und Schlafstörungen durch nächtlichen Reflux. In der Speiseröhre können sichtbare Entzündungen unterschiedlicher Schweregrade (Los Angeles Grad A bis D) und peptische Stenosen auftreten. Besonders gefürchtet ist die Entwicklung einer Zylinderepithel-Metaplasie, die feingeweblich einer Darmschleimhaut ähnelt, der sogenannte Barrett-Ösophagus. Diese Veränderung geht mit einem erhöhten Risiko für ein Adenokarzinom einher (Barrett-Karzinom), das heute in vielen Ländern der westlichen Welt bereits häufiger ist als das üblicherweise in der Speiseröhre vorkommende Plattenepithelkarzinom.
Sodbrennen ist ein häufiges Übel in der Schwangerschaft. / Foto: Adobe Stock/Chris Tefme
Durch Reflux bis in den Rachen oder durch Reflux-induzierte vago-vagale Reflexmechanismen, zum Beispiel den Reflex zwischen Speiseröhre und Hustenzentrum im Gehirn, können extraösophageale Manifestationen auftreten. Etabliert sind Husten, Asthma, laryngeale Symptome (Heiserkeit, Stimmprobleme, Globusgefühl) und dentale Erosionen. Die Pathogenese und Pathophysiologie ist bezüglich dieser Manifestationen komplex und die Datenlage kontrovers, sodass bewusst nur von Assoziationen und nicht von einer etablierten kausalen Beziehung gesprochen wird.
Die Diagnose einer GERD ist durchaus schwierig. Es gibt keinen diagnostischen Goldstandard, das heißt, es existiert keine Methode, mit der eine GERD in jedem Fall zuverlässig nachgewiesen oder ausgeschlossen werden kann.
Die Symptome Sodbrennen und Regurgitation kommen zwar bei vielen Refluxpatienten vor, sind aber weder sensitiv noch spezifisch. Das heißt: Nicht jeder mit Sodbrennen hat eine GERD und nicht jeder mit GERD hat Sodbrennen. Klinisch besonders relevant ist auch die Beobachtung, dass zwischen Schwere und Häufigkeit der Symptome und den Läsionen in der Speiseröhre keine signifikante Korrelation besteht. Praktisch folgt daraus, dass das Ausmaß der Schädigung in der Speiseröhre nur durch eine Endoskopie festgestellt werden kann.
Andere Symptome sind noch wesentlich vieldeutiger, sodass man ihnen keine diagnostische Wertigkeit zumessen kann. Stehen extraösophageale Symptome, zum Beispiel unerklärlicher chronischer Husten, im Vordergrund, sollte man immer nach typischen Symptomen wie Sodbrennen fragen, da bei Fehlen typischer Symptome eine Refluxgenese a priori unwahrscheinlich ist.
Früher glaubte man, dass das Ansprechen von Refluxsymptomen auf eine definierte PPI-Gabe im Sinn eines diagnostischen Tests hilfreich sein kann. Studien und deren Metaanalyse belegen allerdings, dass dies kein verlässliches Diagnosekriterium für eine GERD ist. Eine Ausnahme davon ist das Reflux-Thoraxschmerz-Syndrom, bei dem entweder ein Therapietest über 14 Tage oder eine probatorische Therapie über acht Wochen eine gewisse diagnostische Relevanz hat.
Endoskopisches Bild einer Ösophagitis mit Geschwürbildung / Foto: Labenz
Die Spiegelung von Ösophagus, Magen und Duodenum (ÖGD) sollte immer dann erfolgen, wenn Alarmsymptome vorliegen, zum Beispiel Schluckstörungen, ungewollter Gewichtsverlust oder Blutungszeichen, oder eine familiäre Disposition für Karzinome des oberen Verdauungstrakts vorliegen. Darüber hinaus ist sie indiziert für Männer ab 50 Jahren mit langjährigen Refluxbeschwerden, Patienten, die innerhalb von vier Wochen nicht auf eine adäquat erfolgte PPI-Therapie ansprechen, und Patienten mit hohem (täglichen) PPI-Bedarf. Als Diagnostikum ist die Methode wenig sensitiv, da nur etwa 30 Prozent der GERD-Patienten sichtbare Schäden in der Speiseröhre haben. Dieser Anteil ist bei laufender PPI-Therapie noch geringer. Der Nachweis einer Hiatushernie (Zwerchfellbruch) belegt nicht das Vorhandensein einer GERD, wenngleich diese ein prädisponierender pathogenetischer Faktor ist.
Die Histologie aus makroskopisch unauffälligem Plattenepithel des Ösophagus zeigt zwar oft Veränderungen, die mit einer Refluxschädigung kompatibel sind, allerdings ist der diagnostische Stellenwert unklar. Die Histologie wird benötigt zum Nachweis einer Barrett-Metaplasie sowie zum Nachweis oder Ausschluss einer wichtigen Differenzialdiagnose, der eosinophilen Ösophagitis.
Die Methode der Wahl zum Nachweis von Reflux ist heute die Impedanz-pH-Metrie über 24 Stunden. Dabei wird eine Sonde in die Speiseröhre gelegt, die über die Impedanzmessung (Erfassung der elektrischen Leitfähigkeit eines Organs und seines Inhalts) jegliche Bewegung von Inhalt in der Speiseröhre einschließlich der Richtung und des pH-Werts erfasst. Hiermit kann Reflux exakt quantifiziert und über eine vom Patienten zu betätigende Taste auch den Symptomen zugeordnet werden. Anhand dieser Messergebnisse lassen sich vier Phänotypen unterscheiden mit Prädiktion von Therapien (Tabelle 1).
Phänotyp | Reflux | Symptomassoziation | Diagnose | Therapie |
---|---|---|---|---|
1 | pathologisch | ja | symptomatische GERD | PPI oder Operation sollten wirken |
2 | physiologisch | ja | hypersensitiver Ösophagus | PPI plus Perzeptionshemmer |
3 | pathologisch | nein | GERD, aber Symptome unabhängig von Reflux | Antirefluxtherapie eher nicht ausreichend wirksam |
4 | physiologisch | nein | keine GERD | Antirefluxtherapie unwirksam, weitere Diagnostik nötig |
Alternativ kann in besonderen Fällen eine sondenlose pH-Metrie über bis zu 96 Stunden erfolgen. Hiermit wird nur Säurereflux erfasst.
In bestimmten Situationen, zum Beispiel zur Differenzialdiagnose oder zur Planung einer interventionellen Therapie, erfolgt auch eine hochauflösende Manometrie der Speiseröhre. Damit lassen sich der untere Schließmuskel und die Peristaltik im tubulären Ösophagus beurteilen.
Die Diagnose einer GERD gilt nach dem aktuellen internationalen Konsens als gesichert, wenn eine schwere Refluxösophagitis (Los Angeles Grad C oder D), eine peptische Striktur, eine histologisch gesicherte Barrett-Metaplasie über mehr als 1 cm oder eine Säureexposition der Speiseröhre in mehr als 6 Prozent der gemessenen Zeit (24 Stunden) vorliegt. Eine GERD ist ausgeschlossen bei einer Säureexposition unter 4 Prozent der Messzeit und weniger als 40 Refluxepisoden pro Tag. Viele Patienten fallen jedoch weder in die eine noch in die andere Kategorie. Dann muss der Arzt in einer Art Puzzle durch Analyse von verschiedenen Komponenten die Diagnosewahrscheinlichkeit erhöhen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn aus der Diagnose invasive Konsequenzen gezogen werden sollen.
Am Anfang jeder Therapie sollte ein Gespräch über Allgemeinmaßnahmen stehen. Besonders wichtig ist eine Gewichtsreduktion (bei Übergewicht). Oft kann damit der Verbrauch an Medikamenten gesenkt oder das Problem sogar ganz gelöst werden. Die Art der Ernährung hat keinen sicheren Einfluss auf die Erkrankung. Mediterrane Kost scheint Vorteile zu haben. Ansonsten sollte der Patient unverträgliche Speisen und Getränke meiden. Das Meiden großer und später Mahlzeiten ist logisch, aber nicht evidenzbasiert.
Einen Versuch wert: Schlafen in Linksseitenlage und mit erhöhtem Oberkörper / Foto: Adobe Stock/VadimGuzhva
Schlafen mit erhöhtem Oberkörper (schiefe Ebene) oder in Linksseitenlage kann vorteilhaft sein. Bauchatmung trainiert die Zwerchfellschenkel, die an der Antireflux-Barriere beteiligt sind. Eine genügende Nachtruhe wirkt sich positiv auf die Sensitivität der ösophagealen Schleimhaut aus. Der Verzicht auf Rauchen und die Reduktion eines übermäßigen Alkoholkonsums sind immer gut; die Bedeutung für die Behandlung der GERD ist aber nicht gesichert.
Medikamente können Reflux fördern oder die Ösophagusschleimhaut auch direkt schädigen. Refluxfördernd sind zum Beispiel Calciumantagonisten und Nitrate, während zum Beispiel Kalium und Bisphosphonate direkte Schäden setzen können. Aus diesem Grund sollte die Komedikation immer sorgfältig geprüft werden.
Protonenpumpenhemmer (PPI) sind die Medikamente der ersten Wahl zur Behandlung aller Manifestationen der GERD (Tabellen 2 und 3).
Indikation | Medikation | Dosis | Dauer |
---|---|---|---|
Refluxbeschwerden (noch keine Endoskopie) | PPI +/- Alginat, Antazida | Standarddosis des PPI, bei Bedarf Alginat, Antazida | 4 Wo |
NERD (normaler Endoskopiebefund) | PPI +/- Alginat, Antazida, (H2-Rezeptorantagonist) | halbe Standarddosis des PPI, bei Bedarf Alginat, Antazida | 4 Wo |
leichte Refluxösophagitis (Los Angeles A, B) | PPI | Standarddosis | 4 Wo |
schwere Refluxösophagitis (Los Angeles C, D) | PPI | Standarddosis (evtl. verdoppeln 1 – 0 – 1) | 8 Wo/auf Dauer |
Refluxstriktur | PPI | doppelte Standarddosis (1 – 0 – 1) | dauerhaft |
Barrett-Ösophagus | PPI, nur bei Beschwerden und/oder Ösophagitis | ||
Reflux-Thoraxschmerz-Syndrom | PPI | doppelte Standarddosis (1 – 0 – 1) | 2 Wo (Test) 8 Wo (probatorische Therapie) |
Schlafstörung | PPI +/- Alginat zur Nacht | Standarddosis | 4 Wo |
Verdacht auf extraösophageale Manifestation | PPI +/- Alginat | doppelte Standarddosis (1 – 0 – 1), bei Bedarf Alginat | 12 Wo |
Indikation | Medikation | Dosis | Dauer |
---|---|---|---|
Refluxbeschwerden (noch keine Endoskopie) | PPI oder Alginat, Antazida bei Bedarf für intermittierende Beschwerden (3 Tage/Wo) | Standarddosis bei Bedarf | Endoskopie empfohlen, Reevaluation nach 6 Monaten |
NERD (normaler Endoskopiebefund) | PPI oder Alginat, Antazida bei Bedarf | Standarddosis bei Bedarf oder minimal effektive Dosis | dauerhaft |
leichte Refluxösophagitis (Los Angeles A, B) | PPI | Standarddosis bei Bedarf oder minimal effektive Dosis | kontinuierlich, intermittierend bei Bedarf |
schwere Refluxösophagitis (Los Angeles C, D) | PPI | Standarddosis (evtl. verdoppeln 1 – 0 – 1) | dauerhaft |
Refluxstriktur | PPI | doppelte Standarddosis (1 – 0 – 1) | dauerhaft |
Barrett-Ösophagus | PPI, nur bei Beschwerden und/oder Ösophagitis | ||
Reflux-Thoraxschmerz-Syndrom | PPI | Dosistitration nach klinischem Bedarf | bei Ansprechen individuelles Vorgehen |
Schlafstörung | PPI +/- Alginat zur Nacht | Standarddosis | bei Ansprechen individuelles Vorgehen |
Verdacht auf extraösophageale Manifestation | PPI +/- Alginat | Dosistitration nach klinischem Bedarf | bei Ansprechen individuelles Vorgehen |
Dosis und Dauer der Therapie richten sich in erster Linie nach der Indikation. Die PPI unterscheiden sich in ihrer säurehemmenden Wirkung und pharmakokinetischen Parametern, sodass eine Differenzialtherapie im Einzelfall durchaus sinnvoll sein kann. Beispielsweise hat Pantoprazol die schwächste und Esomeprazol die stärkste und zuverlässigste säurehemmende Wirkung. Die Patienten sollten die Medikamente vor einer Mahlzeit einnehmen, da die Nahrungsaufnahme Protonenpumpen aktiviert und PPI nur aktive Pumpen irreversibel blockieren können.
PPI führen bei etwa 70 Prozent der Patienten zu einem zufriedenstellenden Therapieeffekt. Dies gilt besonders für säureinduzierte Manifestationen, (Säure am falschen Platz) wie Sodbrennen und die erosive Refluxösophagitis. Andere Manifestationen sprechen oft deutlich schlechter oder mitunter gar nicht an (Abbildung 2).
Abbildung 2: Metaanalyse randomisierter, Placebo-kontrollierter Studien zur Therapie unterschiedlicher Manifestationen der GERD; nach Gyawali und Fass, Gastroenterology 2018 / Foto: Stephan Spitzer
Das Nicht- oder nicht ausreichende Ansprechen einer vermeintlichen GERD auf eine PPI-Therapie (»Therapielücke«) ist eine besondere klinische Herausforderung. Von PPI-refraktären Refluxbeschwerden spricht man, wenn eine achtwöchige Therapie mit einem PPI in Standarddosis nicht zur Symptomkontrolle führt. Eine PPI-refraktäre GERD liegt vor, wenn bei gesicherter Diagnose eine zwölfwöchige Therapie mit einem PPI in doppelter Standarddosis (1 – 0 – 1) das Problem nicht löst. Im ersten Schritt sollte dann geklärt werden, wie sicher die Diagnose ist. Darüber hinaus müssen Compliance-Probleme (nicht selten!), falsche Einnahme des Präparats sowie Komorbiditäten wie Reizdarmsyndrom und eine Somatisierungsstörung ausgeschlossen werden (Abbildung 3). Zudem werden Allgemeinmaßnahmen intensiviert.
Abbildung 3: Management PPI-refraktärer Refluxbeschwerden / Foto: Stephan Spitzer
Besteht die Therapieresistenz weiterhin, sollte die PPI-Therapie modifiziert oder optimiert werden. Dies schließt einen Wechsel des Präparats, ein Aufsplitten der Dosis (zweimal 20 mg statt einmal 40 mg) und eine Verdopplung der Dosis ein. Sprechen Patienten auf zweimal 40 mg Esomeprazol nicht an, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Säureproblem vor (nicht-saurer Reflux bleibt natürlich möglich). Weitere Optionen sind eine Add-on-Therapie zur verbesserten Refluxkontrolle mit einem Alginat oder in Ausnahmefällen mit Baclofen und eventuell auch Gabapentin. Diese Arzneistoffe reduzieren Refluxereignisse durch Verbesserung der Antirefluxbarriere.
Patienten mit sogenanntem hypersensitiven Ösophagus spüren den physiologischen Reflux. Die Diagnose kann nur durch pH-Metrie oder Impedanz-pH-Metrie gestellt werden. Sie profitieren gelegentlich von niedrig dosierten Antidepressiva wie Fluoxetin oder Citalopram. Für alle anderen denkbaren Kombinationen gibt es keine (genügende) Evidenz. Dies gilt insbesondere auch für die Kombinationen aus PPI und H2-Blocker zur Nacht sowie PPI und Prokinetika.
Bei Patienten mit leichten bis moderaten Refluxbeschwerden ohne höhergradige Läsionen in der Speiseröhre kann man auch eine reine Symptombehandlung ohne PPI erwägen. Es konnte gezeigt werden, dass ein Alginat die Symptome hier ebenso gut kontrolliert wie 20 mg Omeprazol. Auch für Sodbrennen in der Schwangerschaft sind Alginate eine gute Option. Antacida, Heilerde, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und H2-Blocker sind, sofern sie genügend wirksam sind, ebenfalls eine Alternative.
PPI werden seit 1989 in der täglichen Routine eingesetzt. Das Indikationsspektrum umfasst neben der GERD die Ulkuskrankheit, die Prävention von Arzneimittelschäden (ASS, NSAR), die Helicobacter-pylori-Eradikation und das Zollinger-Ellison-Syndrom. In den ersten beiden Jahrzehnten galten die Präparate als so sicher, dass man sie auch ins Trinkwasser hätte tun können.
Die gute Wirkung bei vielen Patienten und das vermeintlich exzellente Sicherheitsprofil führten zu einem liberalen Verordnungsverhalten. Die Präparate werden in schätzungsweise der Hälfte der Fälle ohne zugelassene Indikation, also off label eingesetzt. Beispielsweise erhalten nahezu alle Patienten mit Reizmagen einen PPI, obwohl diese Substanzen nur beim Subtyp mit epigastrischem Schmerz und dort nur marginal wirksam sind. Nach Angaben der Barmer Ersatzkasse erhalten 16 Prozent der Versicherten einen PPI, im hohen Lebensalter sind es sogar 40 Prozent.
Wer seit längerer Zeit einen PPI einnimmt, sollte diesen nicht abrupt absetzen. Besser ist Ausschleichen. / Foto: Adobe Stock/Prostock-studio
Neben der zum Teil problematischen Indikationsstellung ist ein zweiter Grund für die Zunahme der Verordnungen (um den Faktor 5 innerhalb von zehn Jahren) relevant: Die Beendigung der Therapie wird oft nicht eingeplant. Daher gehen viele Verordnungen in eine Langzeittherapie über. Insbesondere bei Patienten, die ohne gesicherte Indikation einen PPI einnehmen, ist das Absetzen nach längerer Therapie wegen eines symptomatischen Säurerebounds schwierig. Daher sollte eine länger laufende Therapie nicht abrupt, sondern ausschleichend über längere Zeit beendet werden. Wichtig ist der Hinweis, dass vorübergehend Refluxbeschwerden auftreten können und eine Symptombehandlung möglich ist.
In den letzten Jahren mehrten sich die Berichte zu Sicherheitsproblemen der PPI. Mittlerweile gibt es kaum ein Organ, das nicht in diese Sicherheitsdiskussion einbezogen wurde – bis hin zu dem Statement, dass 1 von 500 PPI-Konsumenten an den Folgen dieser Therapie stirbt. Diese Sichtweise hält allerdings einer kritischen Überprüfung nicht stand.
PPI hemmen die Säureproduktion. Aus dieser erwünschten Wirkung lassen sich einzelne unerwünschte Wirkungen erklären. Diese betreffen die Resorption von Eisen und Vitamin B12 sowie von L-Thyroxin bei einzelnen Patienten, sodass gelegentliche Kontrollen sinnvoll erscheinen. Darüber hinaus steigt das Risiko für gastrointestinale Infektionen geringfügig. Auch wird das Darmmikrobiom verändert. Interaktionen im Lebermetabolismus kommen vor; ob diese klinisch relevant sind, konnte bisher nicht schlüssig belegt werden.
Bei Patienten mit Helicobacter-pylori-Infektion wird die assoziierte Gastritis dahingehend verändert, dass die Entzündung im Corpus zu- und im Antrum abnimmt. Ob dies eine negative Konsequenz für die Patienten hat, ist unklar. Aus theoretischen Überlegungen wurde die Forderung abgeleitet, vor einer PPI-Langzeittherapie eine bestehende HP-Infektion zu sanieren.
Bei allen anderen postulierten Risiken stammen die Daten aus Kohorten- oder Fallkontrollstudien mit allen damit assoziierten Unsicherheiten. Dieser Studientyp lässt eine Unterscheidung zwischen »Henne und Ei« nicht zu. Das Auftreten eines Ereignisses während einer Behandlung ist nicht gleichzusetzen mit Kausalität. Es handelt sich um eine bloße Assoziation. Schaut man sich die Studien genauer an, so liegt das errechnete Risiko durchweg in einem Bereich, der typisch ist für ein Bias. Selbst wenn man die Risiken als gegeben annimmt, so ist das absolute Risiko nahezu ausnahmslos so gering, dass der Nutzen der Substanzen bei gegebener Indikation wesentlich höher ist (Tabelle 4).
Potenzielle (postulierte) Nebenwirkungen | Relatives Risiko (Erhöhung) in Prozent | Absolutes Risiko (pro Patientenjahr) in Prozent |
---|---|---|
Nierenerkrankung | 10 – 20 | 0,1 – 0,3 |
Demenz | 4 – 80 | 0,07 – 1,5 |
Knochenfrakturen | 30 % bis 4-fach | 0,1 – 0,5 |
Herzinfarkt | keiner in RCT | — |
bakterielle Fehlbesiedlung im Dünndarm | 2- bis 8-fach | nicht kalkulierbar |
spontan bakterielle Peritonitis | 50 % bis 3-fach | 3 – 16 |
Clostridium-difficile-Infektion | kein Risiko bis 3-fach | 0 – 0,09 |
Pneumonie | keine in RCT | — |
Mangel an Mikronährstoffen (Ca, Mg, Fe, Vitamin B12) | 60 – 70 | 0,3 – 0,4 |
gastrointestinale Malignome | keine in RCT | — |
Es gibt mittlerweile randomisierte und kontrollierte Studien mit zum Teil großen Patientenzahlen und Follow-up bis zu zwölf Jahren. In keiner dieser Studien wurden die angeschuldigten Risiken unter PPI beobachtet.
Insgesamt kann man heute festhalten, dass PPI weiterhin Medikamente mit exzellentem Sicherheitsprofil sind. Das entbindet den Arzt nicht von der Pflicht, diese Wirkstoffe nur bei gegebener Indikation, in adäquater Dosierung gemäß der Zulassung und nicht länger als notwendig zu verordnen – was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Die gegenwärtige Hysterie, die insbesondere Patienten verunsichert, die PPI dringend brauchen, ist erschreckend und unangemessen.
Das Problem der GERD ist der Reflux von Mageninhalt, nicht eine vermehrte Säureproduktion. Dementsprechend nimmt eine säurehemmende oder auch eine säurebindende Therapie dem Refluat einen Teil der aggressiven Wirkung; der Reflux per se wird nicht verhindert. Neue Entwicklungen im Bereich säurehemmender Pharmaka, zum Beispiel reversible Protonenpumpenhemmer, haben trotz pharmakokinetischer und -dynamischer Vorteile keinen klinischen Benefit für die Patienten erbracht.
Vor der Verordnung sollte immer eine genaue ärztliche Diagnose stehen. / Foto: Adobe Stock/RFBSIP
Der grundlegende Pathomechanismus der GERD ist die Störung der Antirefluxbarriere, bestehend aus dem unteren Ösophagussphinkter und den Zwerchfellschenkeln. Operative Maßnahmen zur Behebung dieser anatomischen Störung sind seit Jahrzehnten etabliert. Das klassische Verfahren ist die Fundoplicatio, bei der die physiologische Anatomie mit Mündung des Ösophagus in den Magen unterhalb des Zwerchfells wiederhergestellt wird und der Fundus manschettenförmig komplett oder partiell um den intraabdominalen Anteil des Ösophagus geschlungen wird, damit der Magen in dieser Position verbleibt. Ausgeführt von versierten Chirurgen ist diese Methode bei sorgfältig ausgesuchten Patienten hoch wirksam; dies lässt allerdings bei einem Teil der Patienten im Lauf der Jahre nach. Zudem sind Nebenwirkungen wie Schluckstörungen, das Gas-Bloat-Syndrom (Unfähigkeit, Luft aufzustoßen; dies führt zu einem Blähbauch im Lauf des Tages) und Diarrhö gefürchtet.
Die Fundoplicatio wirkt am besten bei Patienten, die auch gut auf PPI ansprechen. Bei ihnen ist, sofern sie die Medikation gut vertragen, aber kaum ein Nutzen erkennbar. Daher werden insgesamt nur wenige Patienten (unter 1 Promille) operiert.
Neuere Verfahren zielen darauf ab, das operative Risiko und die Nebenwirkungen der Fundoplicatio zu senken. Eine Option ist die Implantation eines Magnetrings um die untere Speiseröhre mit dem Ziel, den Schließmuskel zu unterstützen (Linx-System). Das Verfahren hat ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie die Fundoplicatio. Eine Langzeitbeurteilung ist noch nicht möglich.
Ein weiteres neues Verfahren ist die Neuromodulation im Bereich der unteren Speiseröhre über zwei operativ dort eingebrachte Elektroden, die mit einer Batterie verbunden werden, die in die Bauchdecke eingesetzt wird – vergleichbar einem Herzschrittmachersystem (EndoStim-System). Mithilfe einer elektrischen Stimulation wird der Schließmuskel trainiert und in seiner Funktion verbessert. Bisherige Ergebnisse zeigen eine gute Wirksamkeit bei sorgfältig ausgewählten Patienten.
Während der letzten 20 Jahre hat man auch versucht, endoskopische Methoden (via »Magenspiegelung«) zur Antireflux-Therapie zu entwickeln. Diese reichen von Naht- und Klammertechniken über Injektionen bis hin zu ablativen Verfahren. Nach initial ermutigenden Ergebnissen folgten bei praktisch allen Methoden enttäuschende Ergebnisse über die Zeit. Aktuell haben diese Verfahren, auch wenn sie kommerziell verfügbar sind, weiterhin experimentellen Charakter und sollten Patienten vorbehalten bleiben, die medikamentös nicht erfolgreich behandelt werden und für die ein operativer Eingriff nicht in Betracht kommt. /
Christian Labenz studierte Humanmedizin an der Universität Duisburg-Essen und arbeitet aktuell als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete umfassen die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung sowie insbesondere die Leberzirrhose und die hepatische Enzephalopathie.
Joachim Labenz, Internist und Gastroenterologe, ist Mitglied der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und lehrt im Fachbereich Medizinische Informatik an der Universität Siegen. Er ist Direktor Innere Medizin und Medizinischer Direktor des Diakonie-Klinikums Jung-Stilling in Siegen. Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete umfassen die gastroösophageale Refluxkrankheit, Helicobacter-pylori-Infektion, medikamentös bedingte Schäden des Gastrointestinaltrakts, funktionelle Erkrankungen wie Dyspepsie und Reizdarmsyndrom sowie insbesondere die Leberzirrhose und die hepatische Enzephalopathie. Professor Labenz ist Autor und Co-Autor von mehr als 200 Original- und Übersichtsarbeiten und hat zahlreiche Bücher oder Buchkapitel zu gastroenterologischen und hepatologischen Themen verfasst.