Placebo als beste Migräneprophylaxe? |
Kerstin A. Gräfe |
13.02.2020 14:30 Uhr |
Stress in der Schule oder Leistungsdruck kann ein Auslöser für Migräne bei Kindern sein. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) haben bis zum zwölften Lebensjahr rund 90 Prozent der Jungen und Mädchen bereits Erfahrungen mit Kopfschmerzen gemacht, bis zu 12 Prozent davon leiden unter Migräne. Die Auslöser sind häufig im Alltag zu finden. Hat das Kind in der Schule Stress mit dem Lehrstoff oder den Mitschülern? Bewegt es sich zu wenig und ist kaum aktiv an der frischen Luft? Gibt es familiäre Probleme? Auch bestimmte Nahrungsmittel und ein gestörter Schlaf-Wachrhythmus können ursächlich sein. Häufig kann ein Meiden dieser Auslöser die Anzahl an Attacken zumindest verringern.
Zur medikamentösen Prophylaxe ist laut der S1-Leitlinie »Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne« bei Kindern und Jugendlichen die Wirksamkeit von Flunarizin (5 mg/Tag) gesichert. Valproinsäure hingegen ist bei Kindern und Jugendlichen nicht wirksam. Für Propranolol gebe es Hinweise auf eine gewisse Wirksamkeit, so die Leitlinienautoren. Hingegen seien Topiramat und Amitriptylin in einer großen randomisierten Studie nicht wirksamer als Placebo gewesen, wobei in dieser Studie allerdings ein extrem hoher Placeboeffekt aufgetreten war.
Dass der Placeboeffekt bei jüngeren Migränikern oftmals stärker ausgeprägt ist, untermauert eine aktuelle Metaanalyse im Fachmagazin »JAMA Pediatrics«. Das Team um die Psychologin Dr. Cosima Locher von der Universität Basel analysierte 23 Studien aus dem Zeitraum zwischen 1967 und 2018 mit über 2200 Patienten. Davon erhielten rund ein Viertel Placebo, während die anderen mit Antiepileptika, Antidepressiva, Calciumantagonisten, Blutdrucksenkern oder Nahrungsergänzungsmitteln behandelt wurden. Demnach war für keinen der untersuchten Arzneistoffe eine über den Placeboeffekt hinausgehende signifikante Langzeitwirkung (fünf bis sechs Monate oder länger) für Kinder und Jugendliche feststellbar. Lediglich für Propranolol und Topiramat konnten kurzfristige (weniger als fünf Monate), signifikante Vorteile verzeichnet werden.
»Unsere Studie zeigt, dass die vorbeugende pharmakologische Behandlung von pädiatrischer Migräne mit all diesen Wirkstoffen kaum effektiver als Placebo ist«, sagt Locher in einer Pressemitteilung der Universität. Die Ergebnisse unterstrichen, dass weitere Untersuchungen für die Prophylaxe von Migräne bei jungen Patienten benötigt werden, um Faktoren zu identifizieren, die für die individuelle Wirksamkeit solcher Behandlungen zentral sind. Zudem sollten die Placeboeffekte spezifisch bei Kindern und Jugendlichen weiter untersucht werden.