Phyto-Pionier setzt auf Forschung |
Schon immer nah an den Bedürfnissen der Patienten. Sämtliche Präparationen sind in Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern entstanden: Das dokumentiert etwa ein Messestand des Unternehmens etwa um 1960. / © Repha
Aus heutiger Sicht würde man Friedrich Bradtmöllers berufliche Neuorientierung als innovative Start-up-Gründung in Sachen Naturheilkunde bezeichnen. Nur ein paar Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs gab er seine finanzielle Sicherheit auf, kündigte seine Arbeitsstelle als Drogist beim internationalen Reifenhersteller Continental und gründete 1925 in einem Mehrfamilienhaus in Hannover sein Herzensprojekt: ein Familienunternehmen namens Repha, das den damaligen Pioniergeist moderner Naturheilkunde verkörperte – die sogenannte Reformpharmazie.
Dieser Mut überstand auch die vollständige materielle Zerstörung im Zweiten Weltkrieg: Bradtmöller führte im Krieg in einer Notunterkunft seine Geschäfte fort und bezog nach Kriegsende im niedersächsischen Langenhagen seinen bis heute erhaltenen und genutzten Standort.
Seitdem befindet sich das nach wie vor unabhängige und inhabergeführte Unternehmen in der vierten Generation in Familienhand – und auf Expansionskurs. So hat sich der Umsatz seit 1990 um fast das 14-Fache (auf rund 28 Millionen Euro) gesteigert, die Mitarbeiterzahl verdreifacht (derzeit 90) und die Firmenfläche von 300 Quadratmeter auf 6000 Quadratmeter Nutzfläche vergrößert.
Erst vor ein paar Monaten entstand nur ein paar Kilometer entfernt vom Fachwerkaltbau ein neues Labor- und Logistikzentrum. Ausrichtung für die Zukunft, wie die Pharmazeutische Zeitung beim Gespräch mit der Geschäftsführung anlässlich des runden Firmenjubiläums erfuhr: Denn konzentrierte Repha seine Aktivitäten bislang hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum, wird in den nächsten Jahren der internationale Bereich ausgebaut, auch über Europa hinaus sollen Märkte erschlossen werden.
Anfang des 20. Jahrhunderts – Zeiten, in denen der ganzheitliche Gesunderhaltungsansatz wieder neu entdeckt in den Fokus rückte und im Sinne der Reformpharmazie eine Renaissance der Naturheilkunde eintrat. Dafür stand auch Friedrich Bradtmöller. »Mein Urgroßvater schöpfte Kraft aus der Natur und verbrachte viel Zeit in seinem Schrebergarten. Er lebte extrem bewusst, ernährte sich gesund und trieb viel Sport«, erzählte Apotheker Björn Bradtmöller, Urenkel des Firmengründers und Geschäftsführer, der heute die Geschicke der Firma Repha leitet.
»Er war wohl das beste Beispiel für die Erkenntnis, dass die Lebensweise entscheidend mit dazu beiträgt, den Körper in seinen Selbstheilungskräften zu unterstützen. Neben Drogist war er auch Heilpraktiker, immer schon in engem Austausch mit befreundeten Ärzten und anderen Heilpraktiker-Kollegen. Weil er seine Pflanzenauszüge aber nicht nur in kleinem Maßstab – gewissermaßen als Defektur –, sondern breit vertrieben wissen wollte, wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit.« Der Vertriebskanal über die Apotheke wäre damals schon das Ziel gewesen, so Bradtmöller. »Für die Gesundheit von Menschen, die auf die Empfehlungen ihrer Therapeuten und Apotheker vertrauen – auch heute noch sind sämtliche Produkte apothekenexklusiv.«
Die beiden Apotheker Björn Bradtmöller (links) und Ole Goos von der Geschäftsleitung: »In unseren Produkten steckt nicht nur jede Menge Pflanzenkraft, sondern auch der Grips von vier Generationen.« / © Repha
Wie genau die Rezepturen für die ersten Magenbitter und Elixiere entstanden sind, ist nicht übermittelt. Verbrieft ist jedoch die erste markenamtliche Anmeldung 1926 von Unex®, ein Magenbitter, bei dem verschiedene Bitterdrogen mit Ethanol ausgezogen wurden. »Den gibt es heute noch zu besonderen Anlässen als Werbegeschenk«, freut sich Bradtmöller. Dem Magenbitter folgte Bilisan®, bis heute als Nahrungsergänzungsmittel mit Mariendistel- und Gelbwurzelextrakt zum Schutz und zur Stärkung der Leber auf dem Markt.
In den 1950er-Jahren wandte sich der Firmengründer verstärkt der Phytomedizin zu. Zusammen mit seinem Sohn und in enger Zusammenarbeit mit einem Arzt entwickelte er Angocin® Anti-Infekt bei Infektionen der Atem- und Harnwege und Myrrhinil-Intest® zur Behandlung von Durchfall, Krämpfen und Blähungen, die er 1958 und 1959 in den Markt einführte – bis heute sind es die beiden großen Zugpferde der Repha-Produktpalette.
»In den 1950er-Jahren verfügte Repha über 250 bis 300 Präparate. Je phytomedizinischer die Ausrichtung wurde, desto schlanker wurde die Produktpalette. Statt wie in den 1990er-Jahren auf rund 30 Präparate haben wir uns mittlerweile in Forschung und Marketing auf etwa eine Handvoll Präparate fokussiert«, erklärte der Pharmazeut. »Das war nötig, um die medizinische Forschung und die wissenschaftliche Untermauerung unserer Präparate nach vorn zu bringen.« Schließlich brauche die Erfahrungsmedizin ein wissenschaftliches Unterfutter, um evidenzbasiert eingesetzt werden zu können. Die wissenschaftlich fundierte Naturheilkunde sei quasi das Fundament des Unternehmens.
»Wir haben in den vergangenen zehn Jahren mehr als 20 Millionen Euro in die Forschung investiert – das entspricht immerhin unserem Gesamtumsatz von 2020«, verdeutlichte Apotheker Ole Goos von der Geschäftsleitung Marketing, Sales, International und Business Development. »So haben wir produktübergreifend bis dato mehr als 80 wissenschaftliche Studien in Zusammenarbeit mit führenden deutschen Universitäten und Kliniken durchgeführt, um Wirksamkeit, Wirkweisen und Sicherheit unserer Präparate mit modernsten Forschungsmethoden zu belegen und neue Wirkungen zu entdecken.«
Mit Erfolg: Die Vollzulassung für Angocin, der Registrierung von Myrrhinil als traditionelles Arzneimittel und die Leitliniennennungen bei den Indikationen Harnwegsinfektionen und Colitis ulcerosa bestätigen das Potenzial, das in den Phytopharmaka steckt.
Den beiden Apothekern in der Geschäftsleitung ist wichtig zu betonen, dass Repha-Präparate ein Alleinstellungsmerkmal haben. In der Tat: »Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel werden als Heilpflanzen nur von uns therapeutisch als Arzneimittel eingesetzt. Andere Nahrungsergänzungsmittel enthalten weitaus weniger Glucosinolate. Und auch Myrrhinil ist mit seiner Kombination aus Myrrheharz, Kamillenblüten-Trockenextrakt und Kaffeekohlepulver einzigartig. Hier fließen fast 70 Jahre Know-how in Sachen Anbaubedingungen, Nacherntetechnologie und Spezialwissen rund um die Pflanzen ein.«
Bislang gibt es aufgrund von Stabilitätsschwierigkeiten keine anwenderfreundlichere Extraktversion von Angocin. »Als Extrakt wäre Angocin ein fragiles Vielstoffgemisch. Die Mischung der Trockenpräparationen lässt sich nicht 1:1 in einen stabilen Extrakt überführen«, erklärt Bradtmöller die pharmazeutischen Hintergründe. Dazu muss man wissen: In den Pflanzen liegen die inaktiven Vorstufen der Senföle, auch Glucosinolate genannt, und die Myrosinase, die aus den Glucosinolaten erst die aktiven Senföle freisetzt, getrennt voneinander vor. Erst wenn Schädlinge oder Mikroorganismen das pflanzliche Gewebe zerstören, wird die räumliche Trennung zwischen den Akteuren aufgehoben und die Myrosinase kann die Glucosinolate zu aktiven antibakteriell wirkenden Isothiocyanaten spalten. Mit einem Extrakt wäre das Wirkprinzip dahin.
Neben diesen Eigenentwicklungen entschied sich Bradtmöllers Vater 2005 für den Zukauf von Nortase®, ein vegetarisches Enzymersatzpräparat zur Behandlung exokriner Pankreasinsuffizienz. Weil dabei die Bauchspeicheldrüse zu wenig oder keine lebenswichtigen Verdauungsenzyme produziert, muss substituiert werden.
Im Gegensatz zu Pankreatin, das aus Bauchspeicheldrüsen von Schweinen gewonnen wird, besteht Nortase aus vegetarischen Enzymen, die biotechnologisch aus japanischen Reispilzen gewonnen werden. Diese sind säurestabil und wirken bereits im Magen, wodurch Betroffene profitieren, bei denen Pankreatin nicht ausreichend wirkt oder die keine tierischen Produkte einnehmen möchten. Repha ist weltweit der einzige Anbieter von Arzneimitteln mit diesen Pilzenzymen. »Die Einzigartigkeit hat Repha schon immer fasziniert, also therapeutisch relevante Alternativen bieten zu können«, skizziert Bradtmöller die Firmenphilosophie.