Paul-Ehrlich-Institut billigt Zolgensma-Lotterie |
Auch Kinder in Deutschland, die an spinaler Muskelatrophie leiden, können möglicherweise bald vom Härtefallprogramm des Zolgensma-Herstellers Novartis profitieren. / Foto: Biogen
Es gilt als das teuerste Arzneimittel der Welt: Rund 2,1 Millionen Dollar (1,9 Millionen Euro) kostet eine Einmalbehandlung mit dem neuartigen Therapeutikum Onasemnogen abeparvovec (Zolgensma). In den USA ist es bereits seit Mai 2019 für die Behandlung von Kindern bis zu zwei Jahren zugelassen, die an spinaler Muskelatrophie (SMA) leiden. Die europäische Zulassung ist beantragt, aber noch nicht erteilt.
In schweren Fällen kann SMA unbehandelt zu Atemversagen führen. Dass diese potenziell tödlich verlaufende Krankheit nun mit nur einer Infusion heilbar sein soll, hatte auch in den Laienmedien für Wirbel gesorgt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Verband der Universitätsklinika in Deutschland warfen Novartis vor, mithilfe einer »beispiellosen Medienkampagne« Ärzte und Kassen unter Druck zu setzen, das Mittel zulasten der Solidargemeinschaft noch vor der offiziellen Zulassung in Europa per Einzelimport aus den USA zu beziehen. Stattdessen forderten sie den Schweizer Pharmakonzern auf, ein Härtefallprogramm aufzulegen, bei dem der Hersteller die Arzneimittelkosten selbst tragen muss.
Novartis kam diesem Wunsch nach. Die Ausgestaltung des Programms dürften sich Kassen und Co. jedoch anders vorgestellt haben als das, was die Schweizer Ende 2019 vorlegten: Denn welche Patienten von denjenigen, die für eine Behandlung infrage kommen, das Mittel erhalten, darüber soll demnach das Los entscheiden. »Für das erste Halbjahr 2020 werden wir 50 Patientendosen weltweit zur Verfügung stellen, bis zum Jahresende 2020 planen wir, insgesamt bis zu 100 Dosen bereitzustellen«, teilte das Unternehmen mit.
Damit auch Kinder aus Deutschland eine Chance bekommen, zu den Begünstigten zu zählen, muss vorab die zuständige nationale Behörde grünes Licht geben. Das ist nun geschehen: Hierzulande entscheidet darüber das PEI als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. »Es gibt keine Gründe, dem Härtefallprogramm zu widersprechen«, teilte das PEI heute mit. Aus regulatorischer Sicht könne das Programm starten.
Gesellschaftlich dürfte das Thema jedoch weiterhin für Debatten sorgen. Bereits im Dezember hatte der GKV-Spitzenverband das Vorhaben von Novartis kritisiert. Der Plan wirke wie eine Form der Rationierung, hieß es vonseiten der Kassen. »Weltweit müssen betroffene Kinder und ihre Familien ertragen, dass ein Pharmaunternehmen die systematische Versorgung anscheinend durch eine Gesundheitslotterie ersetzt«, kommentierte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied beim GKV-Spitzenverband. Gesellschaftliche Verantwortung, die die Pharmaindustrie so gerne für sich reklamiere, sehe anders aus.