Nutzen von Tocilizumab bei stationär behandelten Covid-19-Patienten |
Theo Dingermann |
21.12.2020 11:30 Uhr |
Im Verlauf einer schweren Covid-19-Erkrankung kommt es häufig zu einer überschießenden Entzündungsreaktion. Hier setzen experimentelle Therapien an. / Foto: Adobe Stock/picture-waterfall
In einer klinischen Phase-III-Studie wurde der Einsatz des monoklonalen Anti-IL6-Rezeptor-Antikörpers Tocilizumab zur Behandlung von Covid-19-Patien untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt im »New England Journal of Medicine« (NEJM) publiziert.
389 Covid-19-Patienten, die zum Zeitpunkt der Einweisung in ein Krankenhaus noch nicht mechanisch beatmet wurden, waren im Verhältnis 2:1 randomisiert worden. Zwei Drittel dieser Patienten (249) erhielten zusätzlich zu einer Standardtherapie ein oder zwei Dosen Tocilizumab (8 mg pro Kilogramm Körpergewicht intravenös). Die Patienten der Vergleichsgruppe (128) wurden mit der Standardtherapie plus Placebo behandelt. Als primärer Endpunkt hatte man eine mechanische Beatmung oder Tod innerhalb von 28 Tagen gewählt.
Wie der Name EMPACTA: Evaluating Minority Patients with Actemra verrät, wurden vor allem Patienten aus ethnischen Minderheiten eingeschlossen. Nur 12,7 Prozent der Studienteilnehmer waren Weiße. 56,0 Prozent waren sogenannte Hispanics oder Latinos, 14,9 Prozent Schwarze, 12,7 Prozent indigener Herkunft. Von 3,7 Prozent der Studienteilnehmer war die ethnische Abstammung nicht bekannt an.
Der kumulative Prozentsatz der Patienten, die bis zum 28. Tag mechanisch beatmet wurden oder starben, betrug 12,0 Prozent in der Tocilizumab-Gruppe und 19,3 Prozent in der Placebo-Gruppe. Dieses Resultat zeigt, dass durch die Gabe von Tocilizumab das Risiko für einen klinisch schweren Krankheitsverlauf, der die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder Tod gekennzeichnet war, um fast die Hälfte verringert wurde (Hazard Ratio 0,55).
Andererseits verstarben an einer beliebigen Ursache bis zum Tag 28 mehr Patienten der Gruppe, die mit Tocilizumab behandelt wurde (10,4 Prozent) als Patienten der Placebogruppe (8,6 Prozent). Dieses unerwartete Resultat könnte so erklärt werden, dass diejenigen Patienten, deren Erkrankung trotz einer Behandlung mit Tocilizumab weiter voranschritt, sodass sie mechanisch beatmet werden mussten, möglicherweise als eine Untergruppe zusammengefasst werden müssen, deren Krankheitsverlauf sich besonders ungünstig entwickelt und die daher mit einem höheren Sterberisiko belastet sind. Diese Hypothese wird durch die Tatsache gestützt, dass ein größerer Prozentsatz der nicht beatmeten Patienten in der Placebogruppe als in der Tocilizumab-Gruppe verstarb.
Die mediane Zeit bis zur tatsächlichen oder möglichen Krankenhausentlassung über den Bewertungszeitraum von 28 Tagen betrug 6,0 Tage in der Tocilizumab-Gruppe und 7,5 Tage in der Placebo-Gruppe. In Tocilizumab-Gruppe wurden schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei 38 von 250 Patienten (15,2 Prozent) beobachtet, verglichen mit 25 von 127 Patienten (19,7 Prozent) in der Placebogruppe.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.