Nicht bloß graue Theorie |
Obwohl es inzwischen vielfältige und nebenwirkungsarme Therapieoptionen für Menschen mit Psoriasis gibt, sind laut Dr. Natalia Kirsten noch immer 55 Prozent der Patienten unter- oder fehlversorgt. / Foto: PZ/Müller
Neun von zehn junge Erwachsene mit Schuppenflechte sind unzufrieden mit der Behandlung ihrer Krankheit. Das ergab laut Kirsten die im Jahr 2006 veröffentlichte Europso-Studie mit mehr als 15.500 Teilnehmern aus 15 EU-Ländern, in der die Autoren die emotionalen Auswirkungen der Psoriasis in den Blick nahmen. Demnach empfinden rund 80 Prozent von ihnen die Hauterscheinungen als peinlich. Mehr als die Hälfte der Patienten entwickelt eine Depression, jeder Zehnte denkt sogar darüber nach, sich das Leben zu nehmen.
Kirsten zufolge wäre die starke psychische Belastung in vielen Fällen vermeidbar. »Es ist möglich, die Betroffenen erscheinungsfrei zu kriegen«, sagte die Dermatologin vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). »Es gibt gezielte Therapien, die meist sehr wenige Nebenwirkungen haben.« Das Problem: Inzwischen stehen so viele verschiedene Medikamente zur Verfügung, dass es für Mediziner zunehmend eine Herausforderung wird, das passende Präparat für den jeweiligen Patienten auszusuchen. »Fachärzte müssen sich spezialisieren, um den Überblick zu behalten.«
Anhand von Krankenkassendaten untersuchten die Versorgungsforscherin und ihr Team das Verschreibungsverhalten der Ärzte. Dabei zeigten sich gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern: Während in Brandenburg pro Kopf und Jahr etwa 6 Euro für Biologika ausgegeben werden, ist es in Baden-Württemberg gerade einmal 1 Euro. Und auch bei der Verordnung von Fumarsäureestern, die Kirsten zufolge neben biologischen Arzneimitteln ebenfalls eine gute systemische Therapieoption darstellen, bildet das Bundesland im Südwesten der Republik das Schlusslicht. Bekannt ist aber, dass systemische Therapien die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern – mit einer Ausnahme: Rund 122.000 Menschen mit Schuppenflechte erhielten heute noch systemische Glucocorticoide. »Das sollte nicht mehr sein.« Mit Blick auf systemische und kutane Schäden sei der Einsatz dieser Wirkstoffklasse bei Psoriasis inzwischen obsolet.
Die Bereitschaft der Ärzte in den neuen Bundesländern, systemisch zu behandeln, ist gemäß Krankenkassendaten sehr viel höher als im Westen, berichtete Kirsten. »Was den Patientennutzen angeht, ist der Osten ganz weit vorne.« Ein Faktor könnten die unterschiedlichen Budgets der Verordner in den Zuständigkeitsbereichen der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in Deutschland sein, vermutet sie. Auch die Angst vor Regressen variiere je nach KV-Gebiet – völlig unberechtigt, betonte die Dermatologin. »Dokumentation schützt!« Sie forderte sowohl eine bessere Aufklärung innerhalb der Ärzteschaft als auch politische Interventionen, um diesen Missstand zu beheben.
Und auch das UKE selbst macht sich dafür stark, dass die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten endlich flächendeckend bei den Patienten ankommen: Gemeinsam mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und dem Berufsverband der deutschen Dermatologen betreibt das Krankenhaus das deutsche Psoriasis-Register PsoBest. Der Initiative haben sich inzwischen 892 Zentren in allen Ecken der Republik angeschlossen, informierte Kirsten. Bei Start der Ersttherapie melden teilnehmende Ärzte ihre Patienten dort an, der Follow-up läuft über 15 Jahre. Darüber hinaus bilden sich die teilnehmenden Mediziner kontinuierlich fort und profitieren laut Kirsten zudem von der deutschlandweiten Vernetzung mit Kollegen.
Interne Auswertungen zeigten dabei – im Gegensatz zu den Kassendaten – keinerlei regionale Unterschiede bei der Versorgungsqualität. »Die Ärzte, die sich für Psoriasis interessieren, behandeln gut«, unterstrich Kirsten. Für Betroffene sei es daher wichtig, einen Hautarzt zu finden, der auf Schuppenflechte spezialisiert sei, folgerte sie. Nähere Informationen finden Interessierte unter www.psobest.de.