Neutrophile Fallensteller auf Abwegen |
Theo Dingermann |
01.03.2022 12:00 Uhr |
Neutrophile Leukozyten machen zwei Drittel der weißen Blutkörperchen aus. / Foto: Adobe Stock/tussik
Neutrophile Leukozyten sind eine Unterform der weißen Blutkörperchen, die zwei Drittel aller Leukozyten repräsentiert. Ihre Aufgabe – die Abwehr von eingedrungenen Pathogenen – erfüllen sie unter anderem durch die Produktion sogenannter Neutrophiler Extrazellulärer Fallen (Neutrophil Extracellular Traps, NET). Diese bilden eine Art Netz aus einer großen Anzahl von DNA-gebundenen antimikrobiellen Proteinen, in der Mehrzahl Histone, das ebenfalls an der frühen Abwehr von Krankheitserregern beteiligt ist.
Neutrophile können darüber hinaus Bakterien auch direkt abtöten. Werden sie allerdings fehlgesteuert, senden sie Botenstoffe aus, die T-Zellen signalisieren, sich zu TH17-Zellen zu differenzieren. TH17-Zellen bilden eine Unterklasse der T-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Infektionen mit Bakterien oder Pilzen spielt. Sie haben aber auch entzündungsfördernde Effekte.
Wie Forscher um Dr. Alicia Wilson vom Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz jetzt in »Nature Communications« berichten, scheinen beide Mechanismen bei der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen eine Rolle zu spielen. Die Autoren stellten zunächst fest, dass Patienten mit Autoimmunerkrankungen häufig erhöhte Mengen an NET aufweisen. Anschließend konnten sie zeigen, dass die Neutrophilen durch ihre NET TH17-Zellen direkt aktivieren.
Es scheinen die in den NET vorhandenen Histone zu sein, die die Bildung von TH17-Zellen anregen. Das zeigten die Wissenschaftler durch die Zugabe des Histon-Inhibitors mCBS (β-Methyl-Cellobiosidsulfat). Dieser Wirkstoff wurde erst kürzlich entwickelt, eigentlich zur Behandlung der Sepsis, und hemmt sowohl NET-gebundene als auch freie Histone.
»Wir entdeckten einen bislang unbekannten Mechanismus: NET aktivieren über die enthaltenen Histone direkt T-Zellen und verstärken so speziell die Differenzierung von entzündungsfördernden TH17-Zellen«, erklärt Wilson in einer Pressemitteilung der Universität. Diese Erkenntnis könnte langfristig dazu beitragen, neue Therapien gegen Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.